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Seemannsdiakon

Handelsschifffahrt umfährt Flüchtlingsrouten aus Angst

Treffen Seeleute auf Handelsschiffen auf Flüchtlingsboote, stehen sie vor der Frage: Retten oder sich dem Vorwurf der Schlepperei aussetzen? Deshalb umfahren sie Flüchtlingsrouten und nehmen die Kosten in Kauf.

Von Christina Denz Dienstag, 30.07.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 04.08.2019, 16:07 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Die Handelsschifffahrt auf dem Mittelmeer hat nach Beobachtungen der Deutschen Seemannsmission in großen Teilen ihren Kurs geändert, um Flüchtlingsrouten zu umfahren. „Die Reedereien nehmen die Kosten von längeren Routen in Kauf, um sich nicht dem Vorwurf der indirekten Schlepper-Hilfe auszusetzen“, sagte Seemannsdiakon Markus Schildhauer dem „Evangelischen Pressedienst“. Vor allem Italien, das die Seenotrettung kriminalisiere, trage dazu bei, dass die Reedereien Begegnungen mit Flüchtlingsschiffen vermieden.

Einen weiteren Grund sieht Schildhauer in Erfahrungen in der Vergangenheit. Eine Reihe von Frachtschiffen habe versucht Flüchtlinge aufzunehmen. Aber Schiffsbesatzungen, die versuchten, die ausgelaugten Menschen an Bord zu holen, hätten erleben müssen, wie die Menschen keine Kraft mehr hatten, die hohen Schiffswände zu erklimmen, wie Boote kenterten, ohne dass die Seemänner Hilfe leisten konnten. „Ich habe sehr traumatisierte Seeleute erlebt“, sagte Schildhauer, der unter anderem Schiffsbesatzungen im ägyptischen Alexandria betreut.

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Seerecht verpflichtet zur Hilfe

Laut Schildhauer erlebten Seemänner die schlimmsten Unglücke mit Geflüchteten auf See in der Hochphase der Flüchtlingsbewegungen 2015 und 2016. In dieser Zeit seien die Handelsschiffe mit der praktischen Rettung von Flüchtlingen weitaus belasteter gewesen als heute. 2015 retteten Handelsschiffe laut Schildhauer 50.000 Menschen aus dem Mittelmeer, 2016 waren es 60.000. „Heute haben sich die Flüchtlingsrouten geändert“, sagte er. Aber bei den Seeleuten schwinge immer noch die Angst mit, auf ein Flüchtlingsboot zu treffen.

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Dem Seerecht nach sind Schiffe bei der Entdeckung von Menschen in Seenot verpflichtet, die Personen aufzunehmen. „Kein Schiff darf abdrehen“, unterstrich Schildhauer. Aber mitunter sei es schwierig, von einem 25 Meter hohen Containerschiff Schiffbrüchige überhaupt zu entdecken. Zudem seien die Frachter nicht für hundert oder mehr Flüchtlinge, sondern nur für Mannschaften von etwa 20 Mann ausgestattet. Meist gäbe es nicht genug Wasser und sanitäre Einrichtungen an Bord, oft noch nicht mal genug Fläche, um so viele Menschen aufzunehmen.

Hoch belastend

Dass auch Teams der privaten Seenotrettungsschiffe unter der Situation litten, kann sich Schildhauer gut vorstellen. „Seenotrettung geht in der Regel nicht ohne Tote ab“, sagte er. Gerade wenn Crews Menschenleben retten wollten und dann mitansehen müssten, wie Flüchtlinge ertrinken, könne das für die Besatzung hoch belastend sein. Häufig hätten die Schiffe deshalb bereits von Anfang an Psychologen mit an Bord.

Schildhauer leitet das Seemannsheim der Deutschen Seemannsmission in Alexandria. Die Diakone der evangelischen Organisation besuchen Mannschaften auf den Schiffen und sprechen mit Seeleuten direkt in den Häfen, die nicht selten unter Isolation in den multinationalen Mannschaften und der Trennung von Partnern und Familien leiden. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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