Parallelen zum NSU
Nach Lübcke-Mord nicht zur Tagesordnung übergehen
Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke wurde vermutlich von einem Rechtsextremen ermordet - gezielt per Kopfschuss. Der Fall zeigt erstaunliche Parallelen zum NSU-Mordkomplex. Ist das der Auftakt einer erneuten Anschlags-und Mordserie?
Von Prof. Ayla Güler Saied Mittwoch, 19.06.2019, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 23.06.2019, 16:28 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Walter Lübcke, CDU-Politiker und Kasseler Regierungspräsident, wurde am 2. Juni 2019 nach bisherigem Kenntnisstand vermutlich von einem Rechtsextremen ermordet: gezielt und per Kopfschuss. Für die Familie von Walter Lübcke wird nichts mehr so sein, wie es einmal gewesen ist.
Nicht nur in einem demokratischen Rechtsstaat wie Deutschland ist das sehr besorgniserregend. Weltweit stehen Politiker, Journalisten und auch Wissenschaftler, die sich für demokratische(re) Werte einsetzen im Fokus von gewaltbereiten Extremisten, zum Teil mit staatlicher Legitimation. Im Fall des ermordeten Walter Lübcke hat nun die Generalbundesanwaltschaft den Fall übernommen, was zu begrüßen ist, und den Ernst der Lage verdeutlicht. Noch stehen die Ermittlungen am Anfang.
Der Tatverdächtige ist Stephan E. ist ein 45-jähriger Familienvater, er wurde auf Grundlage von DNA-Spuren festgenommen. Seit den 1990er Jahren soll er in der rechtsextremen Szene verankert sein. 1993 soll er als 20-jähriger versucht haben, eine Rohrbombe vor einem Flüchtlingsheim in Hohenstein-Steckenroth zu zünden, die von den Bewohner*innen des Heims rechtzeitig erkannt und gelöscht wurde. E. wurde 1995 zu einer sechs jährigen Haftstrafe verurteilt. Auch im Zuge der NSU -Untersuchungsausschüsse tauchte Stephan E.´s Name auf, er wurde zwar als gewaltbereiter Extremist, nicht aber als Unterstützer oder Mitwisser des NSU eingestuft. Nun hat er vermutlich Walter Lübcke ermordet. Lübcke war im Jahr 2015 zum Ziel der Rechten geworden, weil er sich für eine Erstaufnahme-Unterkunft für Geflüchtete einsetzte und sagte, dass „es jedem freigestellt sei, Deutschland zu verlassen, der mit einer auf christlicher Nächstenliebe beruhenden Flüchtlingspolitik nicht einverstanden sei.“
Parallelen zum NSU
Dieser Fall erinnert allzu stark an die Taten des Nationalsozialistischen Untergrundes, der 10 Menschen aus nächster Nähe durch Kopfschüsse ermordet und mehrere verletzt und traumatisiert hat. Auch der NSU agierte aus dem Untergrund und nach dem Prinzip des führerlosen Widerstands. Combat 18 und Blood Honour, mit denen Stephan E. In Kontakt gestanden haben soll, waren auch Netzwerke, die den NSU unterstützen.
Der Nagelbombenanschlag durch den NSU auf die Kölner Keupstraße, hat sich dieses Jahr am 9.Juni zum 15. Mal gejährt. Am 9.6. 2019 fand unter dem Motto „Solidarität sichtbar machen“ eine Gedenkveranstaltung auf der Keupstraße statt. Im Vorfeld hatten Flyer der Atomwaffendivison Deutschland für Angst und Verunsicherung gesorgt. In diesen wurden muslimische Bürger bedroht, Deutschland zu verlassen, andernfalls würden sie sterben. Die Moslems werden als Invasoren bezeichnet, die das deutsche Volk hassen würden.
Der Flyer war ein symbolischer Anschlag auf das Sicherheitsgefühl der Menschen in Köln-Mülheim und für die Opfer des Nagelbombenanschlags auf der Keupstraße, die nach wie vor mit den Spätfolgen der Traumatisierung kämpfen. Im Flyer der Atomwaffendivision wurden die „Moslems als willfähriges Werkzeug der Juden“ bezeichnet, und „dass sie ein legitimes Ziel seien, weil sie Deutschland und Europa zerstören wollten.“
Gefährdung der Demokratie
Die (Re-)Radikalisierung, gepaart mit dem nach rechts Rückens des politischen und gesamtgesellschaftlichen Diskurses, stellt eine Gefährdung der demokratischen Grundordnung und Sicherheit dar. Die Verteidigung der Demokratie, darf nicht wie bei Walter Lübcke damit enden, mit dem Leben zu bezahlen. Hätte der Mord verhindert werden können? Der Staat und die Sicherheitsdienste sind gefordert, die Bedrohung durch rechten und jeglichen anderen Terrorismus zur Chefsache zu erklären.
Ex-Verfassungsschutz-Präsident Georg Maaßen hat kürzlich erst in den Raum gestellt, eine Zusammenarbeit von CDU und AfD solle nicht ausgeschlossen werden. Und auch Ex-Bundespräsident Joachim Gauck warb für mehr „Toleranz in Richtung rechts“. Die BRD hat im vergangenen Jahr Rüstungsexporte im Wert von über einer Milliarde Euro getätigt, auch in Kriegs-und Krisenregionen. Wer sich angesichts dessen, über Geflüchtete aus Kriegsgebieten wundert, und auf deren Kosten wie Maaßen Wahlkampf betreibt, gießt bewusst Öl ins Feuer.
Demokratische Werte sind nicht verhandelbar: Für die Demokratie gibt es nur einen Weg: vorwärts – und nicht rückwärts.
Es bleibt zu hoffen, dass der menschenverachtende Mord an Walter Lübcke nicht den Auftakt einer erneuten Anschlags-und Mord-Serie darstellt. Aktuell Meinung
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