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MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, bearb. MiG

Nebenan

Der Alpha-Kevin

Wenn einer in der SPD mal eine richtige Idee äußert, kann man sicher sein, dass er aus der eigenen Partei niedergebrüllt wird. Eine echte Tragödie.

Von Dienstag, 07.05.2019, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 09.05.2019, 16:03 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

70 Jahre Bundesrepublik sind eine Erfolgsgeschichte – für alle, die schon immer Geld hatten. Der Rest muss sich selbst in Vollzeitarbeit mittlerweile zwischen Kind und Wohnung entscheiden – die KiTa noch nicht eingerechnet.

Aus der Partei des demokratischen Sozialismus kam da die Idee, statt so weiterzumachen wie bisher und zu hoffen, dass sich die Trends der Einkommensverteilung ganz von allein radikal umkehren, vielleicht doch mal was Neues zu probieren – und zwar eben nicht wie dereinst der selbsternannte Marxist Schröder: indem der größte Minijob-Sektor Europas durch Zerschlagung der sozialen Sicherheiten der Deutschen geschaffen wurde, um Geld von unten nach oben zu verteilen, sollte die Schere zwischen arm und reich endlich wieder zugehen – weil die Reichen dann von ganz allein ihren Reichtum demokratisch teilen würden…? Oder war es am Ende gar nicht sozial gemeint?

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Immer wieder wird von allen rechts der Mitte (also auch großen Teilen der SPD) angeführt, Sozialisierung von Eigentum sei ineffektiv und schlecht, das habe die DDR ein für alle Male bewiesen. Dabei haben Deutschlands Krankenhäuser zum Beispiel jahrzehntelang hervorragend funktioniert, bis sie durch (SPD-)Reformen zu einer besonderen Wirtschaftlichkeit gezwungen wurden und anfingen, nur noch kommerziell lohnende Behandlungen durchzuführen – die dabei immerhin umso öfter, egal, ob notwendig oder nicht. Versuchen Sie derweil mal in einer mittleren Großstadt – oder gar auf dem Land – ein Kind diesseits der Normen und Möglichkeiten des Mittelalters auf die Welt zu bringen: Kinder mögen unsere Zukunft sein, in der Gegenwart sind sie nicht rentabel. Von der Wohnungswirtschaft will ich da gar nicht anfangen, oder von der Privatisierung der Sozialhilfe durch Tafeln und Kilo-Läden.

Auch von all den Failed States, gar einem Failed Continent südlich des Mittelmeers, der durch Kapitalismus und Privatisierung am Boden liegt, will ich auch nicht reden, selbst wenn dies natürlich zwingend angeraten wäre, wenn man denn mal über die „Fluchtursachen“ reden will. Dass der wirtschaftlich erfolgreichste Staat unserer Zeit einer ist, der den Staat über die Unternehmen stellt, ist da nur eine Randnotiz: von der Effektivität chinesischer Staatsunternehmen können die meisten Unternehmen nur träumen. Schließlich kann man die SPD mittlerweile ähnlich gut mit Argumenten erreichen, wie die AfD.

Die Reaktion auf Kühnerts Thesen fassen letztlich das ganze Elend der SPD gut zusammen: Wer in der Partei, die sich Menschenrechte auf die Fahnen schreibt, nach Asylrecht schreit, wer den demokratischen Sozialismus des Parteiprogramms konkret einfordert, statt sich für Putins Gaskraftwerke einzusetzen, oder am Ende gar gegen den von Hitler persönlich an die niedersächsische SPD übergebenen VW-Konzern vorgeht, weil er auf Luftgrenzwerte pocht, der hat in dieser Partei nichts zu suchen. Das Parteiprogramm ist zu etwas weniger als Nostalgie degradiert, während in der Realpolitik schön weiter CDU light umgesetzt wird – was bitte niemand durch allzu viel politische Überzeugung kaputt machen soll. Schließlich ist es im so wichtigen Wahlkampf offenbar schädigend, wenn man plötzlich erkennbar für etwas stünde…

Und da gibt’s noch Leute, die sich über Parteien- und Politikverdrossenheit wundern? Aktuell Meinung

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  1. Gerrit Greiß sagt:

    Solange sich die SPD nicht auf ihren „Markenkern“ besinnt und das, was einmal Grundidee dieser Partei war, wird sie nie zu „alter“ Größe zurück finden … sage ich als „alter“ SPD-Wähler. Eben diese Grundidee wurde in den vergangenen Jahren mit Füßen getreten, weil man an der Macht bleiben wollte.

  2. Peter Enders sagt:

    Gerrit Greiss stimme ich zu und erinnere daran, dass zur Bundestagswahl 2013 die IG Metall verkuendet hat, die SPD nicht mehr empfehlen zu koennen – und damals waren 8 der 9 Vorstaende (vermutlich langjaehriges) SPD-Mitglied (weshalb ich ihnen das persoenlich hoch anrechne). Sie hat damals die Wahlprogramme mit ihren sozialpolitischen Forderungen verglichen. Uebereinstimmung mit der SPD: etwa die Haelfte. Uebereinstimmung mit der Linken: etwa 80%.

  3. Peter Enders sagt:

    Sven Bensmann stimme ich in den meisten Punkten zu, nur in diesen waere ich vorsichtiger: (1) China, (2) Russland (ist amerikanisches Erdgas besser als russisches? oekologisch besser ist es hoechstwahrscheinlich auch nicht). Zum Totschlag-Argument DDR/Ostblock koennte er ergaenzen, dass dort der Bolschewismus gescheitert ist. Ist schon mal demokratischer Sozialismus versucht worden?
    Uebriges sind die Betriebsraete viel demokratischer verfasst als die Parteien.