Festnahmen nach Ankunft
„Selbstverteidigung gegen tödliche Grenzpolitik ist keine Piraterie“
Auf dem Mittelmeer haben Flüchtlinge nach ihrer Rettung offenbar ein Schiff zum Kurs auf Malta gezwungen. Nach Libyen wollten sie nicht zurück. Nun sind sie an Land, aber einige in Handschellen.
Freitag, 29.03.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 03.04.2019, 17:13 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Ein von Flüchtlingen vor der libyschen Küste gekapertes Handelsschiff hat am Donnerstag den Hafen von Malta erreicht. Der Tanker sei von der maltesischen Marine eskortiert worden, nachdem zuvor zeitweise gerettete Flüchtlinge die Kontrolle an Bord der „El Hiblu 1“ übernommen hatten, wie die maltesische Tageszeitung „Times of Malta“ berichtete. Die 108 Flüchtlinge, darunter 12 Kinder und 19 Frauen, durften den Angaben zufolge in der Hauptstadt Valletta von Bord gehen. Einige küssten beim Verlassen des Schiffs den Boden.
Vier der Männer wurden nach ihrer Ankunft in Malta festgenommen. Als Flüchtlinge die Kontrolle über das Schiff übernommen hatten, kamen laut der Zeitung keine Waffen zum Einsatz. Die Besatzung sei jedoch in der Minderheit gewesen. Sie habe daher den Eindruck gehabt, keine andere Wahl zu haben, als den Anweisungen der Flüchtlinge Folge zu leisten. Der italienische Innenminister Matteo Salvini schloss eine Aufnahme der Migranten aus. Er sprach von einem Fall organisierten Verbrechens und von einem „Akt der Piraterie“.
Die deutsche Seenotrettungsorganisation Sea-Watch dagegen kritisierte die Kriminalisierung der Flüchtlinge. „Selbstverteidigung gegen eine tödliche europäische Grenzpolitik ist keine Piraterie“, betonte die Hilfsorganisation. Die Geretteten hätten die Kontrolle über das Schiff übernommen, um einer Rückführung nach Libyen zu entgehen, wo ihnen Folter und unrechtmäßige Haft drohten. Der Tanker sei im Begriff gewesen, eine völkerrechtswidrige Rückführung nach Libyen zu starten.
Widersprüchliche Angeben über libysche Küstenwache
Zur Rolle der libyschen Küstenwache gab es widersprüchliche Angaben. Die Hilfsorganisation „Sea-Eye“ berichtete, eines ihrer Schiffe habe vor der libyschen Küste am Dienstag den Funkverkehr zwischen einem europäischen Marineflugzeug und dem Frachtschiff „El Hiblu 1“ mitgehört. Das Flugzeug habe den Kapitän des Frachters aufgefordert, den Menschen zu helfen, da sie in Lebensgefahr seien und die libysche Küstenwache „außer Betrieb“ sei. Versuche, die libysche Küstenwache zu kontaktieren, seien fehlgeschlagen. Zunächst hatte es geheißen, die Flüchtlinge seien auf Anweisung der libyschen Küstenwache gerettet worden.
Nach der Rettung teilte der Kapitän des Schiffes laut „Sea-Eye“ über Funk unmissverständlich mit, dass die Menschen sehr aufgebracht seien und nicht nach Libyen zurückgebracht werden wollten. Tripolis sei jedoch der Zielhafen des Frachtschiffes gewesen, das unter der Flagge des Pazifik-Staats Palau fährt. Laut Medienberichten zwangen die Flüchtlinge den Kapitän, Malta anzusteuern. Die maltesische Marine hinderte die „El Hiblu 1“ jedoch am Einlaufen in maltesische Gewässer, verschaffte sich Zugang zum Schiff und geleitete es unter Führung des Kapitäns nach Valletta. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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Selbstverteidigung gegen tödliche Grenzpolitik ist keine Piraterie.
Vielen Dank für diese deutlichen Worte.
Vielleicht sollte man abwarten bis vollständig ermittelt wurde, was da tatsächlich passiert ist. Sich vorher künstlich aufzuregen oder den Vorfall für die eigene Sache (egal welche) zu instrumentalisieren, bringt uns jedenfalls keinen Schritt weiter zu einer vernünftigen Lösung.
Unabhängig von dem Begriff „Piraterie“ und dem Beweggrund/Motiv, muss man es jedoch prinzipiell kritisch sehen wenn jemand Zwang gegen eine Person ausübt. Juristisch kann man Unrecht nicht durch gute Absicht im Nachhinein heilen.
Ob solche Aktionen als Piraterie oder als „Notwehr“ zu bewerten und zu beurteilen sind, entscheidet nicht irgendein privater deutscher Verein wie Sea Watch in seinen Pressemitteilungen, sondern vielmehr das internationale Abkommen des Seevölkerrechts. Und letztendlich dessen oberste juristische Instanz, der Internationale Seegerichtshof in Hamburg, und zwar auf der Grundlage der Internationalen Seerechtskonvention UNCLOS der Vereinten Nationen
Grundsätzlich sind Handelsschiffe in internationalen Gewässern immer ein Teil des souveränen Hoheitsgebietes desjenigen Staates, unter dessen Flagge sie fahren. Auf diesen Schiffen gilt also nicht das Recht des Heimatstaates der Reederei, hier die Türkei, und auch nicht das Recht des Heimatstaates des Kapitäns oder der Besatzung, sondern ausschliesslich nur das Recht des Flaggenstaates, hier also Palau. Polizeiliche Maßnahmen anderer Staaten auf Handelsschiffen in internationalen Gewässern, wie hier von Malta vorgenommen, sind nach den Regeln des Völkerechts nur dann zulässig, wenn es sich um besonders schwerwiegende Verbrechen handelt, wie zum Beispiel Piraterie.
Und wenn es sich auch nach der Gesetzgebung von Palau in diesem Fall um Piraterie handelt, dann sind alle anderslautenden Pressemitteilungen von Sea Watch nur populistisches Geschwätz.
Wenn Menschen in Seenot sind müssen sie gerettet werden. Das das Handelsschiff sie an Bord genommen hat ist eine Menschenpflicht. Und das die Menschen nicht mehr nach Libyen in die Hölle zurückwollen ist auch nachvollziehbar. Sie haben aus Todesangst gehandelt.
Das ist keine Piraterie. Das würden alle Menschen, wenn sie in so einer Situation wären, machen. Davon bin ich fest überzeugt.
Mögen die, die hier von Piraterie reden – wider besseren Wissens – nie in so eine Lage geraten, wie die Menschen in libyschen Gefängnissen.
Danke für diese Rettung!
@Christina Kuckenburg,
Sie müssen doch selber merken, wie unlogisch Ihre Argumentation ist: Wer in der angeblichen „Hölle“ eines libyschen Gefängnisses sitzt, der ist erst gar nicht in der Lage, einen Schlepper zu bezahlen und sich mit einem Schlauchboot auf hohe See zu begeben. Und umgekehrt, wer sich von Libyen aus auf hohe See begibt und dort dann zwangsläufig in Seenot gerät, der sitzt definitiv nicht in einem libyschen Gefängnis.
Und noch ein Punkt: Diese Flüchtlinge sind keine libyschen Staatsbürger, die sich in Libyen möglicherweise gegenseitig politisch, religiös oder ethnisch verfolgen und in Lager einsperren und foltern, sondern sie sind vielmehr selber aus ganz anderen afrikanischen oder asiatischen Staaten nach Libyen eingewandert. Und zwar aus eigenem Willen, und immer höchst zielgerichtet und freiwillig. Kein Mensch hat sie jemals gezwungen, in die angebliche „Hölle“ nach Libyen einzuwandern, um sich dort dann angeblich foltern und vergewaltigen zu lassen, und deswegen dann weiter nach Europa flüchten zu müssen. Sie hätten jederzeit in ihre Heimatländer zurückkehren können, und keine libysche Polizei hätte sie daran gehindert.
Was viele hier in Europa nicht verstehen können: Wer diesen Migranten das Recht zugesteht, sich freiwillig nach Libyen zu begeben, und ihnen aufgrund der politischen Verhältnisse in Libyen dann zusätzlich auch noch die Legitimation erteilt, weiter nach Europa zu flüchten und dabei dann selber schwerste Verbrechen wie Piraterie und Kaperung von Handelsschiffen zu begehen, der MUSS dann logischerweise exakt dasselbe Recht auch allen anderen zig Millionen Flüchtlingen dieser Welt zugestehen. Und das kann doch keiner ernsthaft wollen. Das hätte mit einer Pflicht zur Rettung aus Seenot und mit Menschen- und Völkerrecht nichts mehr zu tun.
Das ist doch ein Verteidigung Stellung bitteschön. Jedes Tier wens ins Lebensgefahr geriet tud das auch.
Gerufen und ungerufen Gott wird dabei sein.
Gott wird Flüchtlingen unterschtutzen.
@Christina
Mittlerweile ist bekannt, dass gegen drei Gerettete wegen „Terrorismus“ ermittelt wird, weil die Besatzung wohl doch gezwungen wurde den Kurs zu ändern.
https://www.welt.de/politik/ausland/article191082085/Malta-Migranten-droht-nach-Kapern-eines-Schiffs-lebenslange-Haft.html
Bis zur Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung aber wir müssen wohl dennoch die Tatsache akzeptieren, dass sie aus Verzweiflung zu weit gegangen sind. Ob die Juristen letztendlich auch von Piraterie sprechen, ist vorerst ziemlich unwichtig, weil dieser Vorfall den Rechten die reale Möglichkeit bietet pauschal alle zu kriminalisieren und zusätzlich könnte sich die Gewalt verschärfen.
Schiffe, die das Horn von Afrika oder die Straße von Malakka befahren, haben heutzutage oft bewaffnete Söldner dabei um Piratenangriffe abzuwehren. Wenn sich solche Vorfälle, wie mit der „El Hiblu 1“, wiederholen, werden wir wohl eine ähnliche Entwicklung im Mittelmeer sehen. Also Frachtschiffe, die bewaffnetes Personal zum Schutz an Bord haben. Das wäre eine weitere Verschlechterung.