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Nebenan

Der Merz ist gekommen

Was geht ab in Berlin? Plötzlich kommt der Merz, geholt von Wolfgang Schäuble. Das schadet der herzlosen Marionette Jens Spahn, nützt aber der Kandidatur Annegret Kramp-Karrenbauers. Von Sven Bensmann

Von Dienstag, 06.11.2018, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 08.11.2018, 15:59 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Merkel muss weg! Denn eigentlich jährt sich dieser Tage zum 100sten Mal eine der großartigsten Handlungen, die je auf deutschem Boden stattgefunden hat: der Matrosen- und Arbeiteraufstand, der von Kiel aus den 1. Weltkrieg beendete und kürzer als Kieler Matrosenaufstand in die Geschichte einging. In dessen Folge entstand das erste Mal ein aus einem gemeinsamen Nationalgefühl geborener deutscher Nationalstaat: Ein Fliegenschiss in der Weltgeschichte, wenn man so will. Das wäre zu angemessen zu feiern; doch alles redet nur über Merkel.

Aber auch wenn sie den richtigen Zeitpunkt für ihren Rückzug um mindestens ein Jahr verpasst hat, so hat sie doch gerade so noch die Wende hinbekommen – anders als jener Vollhorst aus Bayern. Auch hier zeigen sich die Spezifika der bayrischen Politik: Während der senile Großvater aus Ingolstadt ganz wie dereinst Wilhelm Zwo in Doorn von  einem Hofstaat umgeben wird, der ihm eine heile Welt jenseits der Realität vorspielt, beweist sich einmal mehr, dass die CDU nicht nur ähnlich sympathisch ist wie ein Rudel wilder Hyänen, sondern auch über deren Killerinstinkte verfügt – wobei ich nichts über die Hyänen gesagt haben will. Kaum hat Angela Merkel einen Moment der Schwäche gezeigt, fallen ihre Parteifreunde über sie her, um zu fleddern, was noch zu fleddern ist.

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Dass dabei ausgerechnet einer wie Friedrich Merz wieder aus der Versenkung gespült wird, für den die Wirtschaftspresse derzeit besonders laut trommelt, überrascht allerdings. Sicher, mittlerweile ist bekannt geworden, dass ausgerechnet der überführte Spendenbetrüger Wolfgang Schäuble, der zuletzt sein Bestes getan hat, seine schützende Hand über den Steuerbetrug um Cum-Ex und Cum-Cum zu halten, sich für Merz eingesetzt hat. Und … hält ja schließlich zusammen. Mehr oder weniger jedenfalls, denn die Kandidatur des Mannes aus den Aufsichtsräten schadet vor allem einem: Jens Spahn.

Diese herzlose Marionette, die gern ein echter Junge wäre, ist heute wohl jeden einzelnen Tag mehr als nur dankbar für seine frühe Geburt, hatte sie ihn doch noch in die CDU geführt, wo er jetzt Bundeskanzler werden könnte, anstelle der AfD, wo er wohl nur ein Spinner unter Vielen wäre.

Das andererseits jemand wie Schäuble einen Merz aus der Versenkung holt, um die Kandidatur Annegret Kramp-Karrenbauers zu unterstützen, die als Vertreterin des sozial liberaleren Flügels der CDU antritt, indem er den rechtspopulistischen Flügel spaltet, klingt allerdings durchaus auch nachvollziehbar. Schäuble steht zwar selbst rechts, ist aber genau der opportune Pragmatiker und Machttaktiker, der die Zukunft der CDU nicht in der Konkurrenz zur AfD sieht, sondern als eigenständige Partei rechts der Mitte. Einen Egomanen wie Merz auszugraben, der ebenso wenig wie Spahn auf eine Kandidatur zugunsten eines gemeinsamen politischen Zieles verzichten würde, anders als dies zum Beispiel Armin Laschet aus NRW gelungen ist, sieht ihm durchaus ähnlich.

Man darf daher davon ausgehen, dass die neue Kanzlerin von Schäubles Gnaden weitermachen wird, wie gewohnt: Ein bisschen sozialliberal, ein bisschen rechtspopulistisch: Flüchtlingsbekämpfung bis zum äußersten und Willkommenskultur für die, die es all unseren Anstrengungen zu Trotz doch geschafft haben. Ein bisschen Klima, ein bisschen Wirtschaft: Klimaziele da, wo es für die anderen gilt und blockieren da, wo auch nur ein einziger deutscher Euro oder ein Tropfen deutscher Schweiß fließen müsste; eben immer so weit mit der Zeit gehend, dass man nicht als hoffnungslos reaktionär gilt, aber stets die gute alte Zeit herbeiphantasieren darf.

Insofern ist es auch durchaus nachvollziehbar, dass Merkel glaubt, mit ihrer Nachfolge weiterhin so sinnvoll zusammen arbeiten zu können, dass der hehre Grundsatz, die CDU müsse streng nach dem Führerprinzip ausgerichtet sein, dafür außer Kraft gesetzt werden darf.

Jetzt muss sich nur noch beweisen, dass Merkel und Schäuble sich nicht vielleicht doch ordentlich verschätzt haben, einige gewichtige Redaktionen haben ihre Wahl nämlich bereits getroffen. Aktuell Meinung

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