Sanchez setzt Zeichen
Spanien will eine humanitäre Flüchtlingspolitik
In Spanien gibt es keinen Asylstreit. Eine Mehrheit der Bürger steht der Einwanderung laut einer Umfrage positiv gegenüber. Die neue Minderheitsregierung versucht denn auch einen neuen liberaleren Kurs. Von Hans-Günter Kellner
Freitag, 29.06.2018, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 01.07.2018, 20:57 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
So viele waren es schon lange nicht mehr: Die spanische Seenotrettung ist in diesem Jahr bereits 12.700 Bootsflüchtlingen zu Hilfe gekommen. Setzt sich der Trend fort, wird in diesem Jahr sogar die Rekordzahl von 39.180 Flüchtlingen übertroffen, die 2006 das spanische Festland oder die Kanarischen Inseln erreichten.
Doch Spaniens neuer Ministerpräsident Pedro Sánchez trat vor dem EU-Ratsgipfel kooperativ auf: „Spanien will helfen, gewissenhaft, ohne dabei laut zu werden, mit einem enormen Grad an Verantwortungsbewusstsein“, versprach der Sozialist am Dienstag bei einem Besuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Zaun soll entfernt werden
Das war auch ein Seitenhieb auf die italienische Regierung, die die Häfen des Landes für private Rettungsschiffe geschlossen hat. Spanien hatte daraufhin die „Aquarius“ mit 630 Flüchtlinge in Valencia einlaufen lassen. Bei der „Lifeline“ winkte Madrid dann allerdings auch ab. Am Mittwoch wandte sich Sánchez aber im spanischen Parlament gegen eine Abkehr von einer humanitären europäischen Flüchtlingspolitik. Europa stehe am Scheideweg angesichts der europafeindlichen Stimmen, die die EU bedrohten.
Sanchez‘ erste Amtshandlungen nach seiner Wahl Anfang Juni zeigen in eine völlig andere Richtung als in Italien, das einen harten Kurs in der Flüchtlingsfrage einschlug: Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska kündigte an, den mit messerscharfen Klingen ausgestatteten Draht an den sechs Meter hohen Grenzzäunen zu den Nordafrika-Enklaven Ceuta und Melilla zu entfernen.
Wieder Anspruch auf Behandlung
Flüchtlinge tragen von ihrem Versuch, die Zäune zu überwinden, oft schwere Verletzungen davon. Die neue spanische Regierung will Einwanderern ohne gültige Papiere auch den Anspruch auf Behandlungen im staatlichen Gesundheitssystem wieder anerkennen. 2012 hatte die konservative Regierung unter Mariano Rajoy dieses Recht aberkannt.
Die Opposition tut sich indes schwer, bei dem Thema zu punkten. Die konservative Volkspartei ist nach dem Schock des Machtverlustes Anfang des Monats mit sich selbst beschäftigt und sucht einen Nachfolger für den zurückgetretenen Rajoy, während die Partei Ciudadanos Sánchez „Gutmenschentum“ vorwirft.
Flüchtlingspolitik soll menschlich sein
Der Ministerpräsident versucht derweil mit seiner Minderheitsregierung einen humanitären, aber pragmatischen Kurs. Spanien hat etwa mit Marokko ein Rücknahmeabkommen, das eine sofortige Abschiebung vorsieht, wenn ein Marokkaner bei der illegalen Einreise aufgegriffen wird. Bei einem Treffen mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron sprach sich Sánchez für geschlossene EU-Aufnahmezentren für Flüchtlinge innerhalb der Europäischen Union aus – also nicht für Flüchtlingszentren der EU in den Transitstaaten – und für mehr Unterstützung der Staaten an der Südgrenze Europas.
Aber grundsätzlich solle Europas Flüchtlingspolitik menschlich sein, fordert Sánchez. Er weiß dabei eine Mehrheit der Spanier auf seiner Seite. Dem jüngsten Eurobarometer der EU-Kommission zufolge stehen 63 Prozent der Spanier der Einwanderung aus Drittstaaten positiv gegenüber. Das ist nach Irland der zweithöchste Wert in der Europäischen Union. (epd/mig) Aktuell Ausland
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