Seehofer: kein Handlungsbedarf

Rettungsschiff „Lifeline“ läuft in Malta ein

Nach sechs Tagen auf der "Lifeline" dürfen die Flüchtlinge in Malta an Land. Acht EU-Staaten erklärten sich bereit, Flüchtlinge vom deutschen Rettungsschiff aufzunehmen - Deutschland aber nicht. Bei den Rettern bleibt ein bitterer Beigeschmack.

Donnerstag, 28.06.2018, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 03.07.2018, 17:08 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Nach sechs Tagen Odyssee im Mittelmeer ist das deutsche Rettungsschiff „Lifeline“ am Mittwochabend in den Hafen von Maltas Hauptstadt Valletta eingelaufen. Die mehr als 230 Flüchtlinge an Bord wurden zunächst registriert und ärztlich versorgt. Ministerpräsident Joseph Muscat hatte Stunden zuvor die Erlaubnis zur Einfahrt in den Hafen erteilt, nachdem acht EU-Staaten die Aufnahme der mehr als 230 Flüchtlinge an Bord zugesagt hatten. Die Crew des Schiffs reagierte mit Erleichterung und Kritik an der Bundesregierung. Deutschland ist nicht unter den Aufnahmeländern.

Laut Muscat machten Malta, Frankreich, Italien, Portugal, Belgien, die Niederlande, Irland und Luxemburg Zusagen. Derweil debattierte das Parlament auf Antrag der Linken in einer Aktuellen Stunde über die Seenotrettung im Mittelmeer. Auf der Regierungsbank fehlten zu Anfang der Debatte, die parallel zum WM-Spiel Deutschland gegen Südkorea lief, sämtliche Minister und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Auf Antrag der Grünen wurde Seehofer herbeizitiert, um die Debatte vor Ort zu verfolgen.

___STEADY_PAYWALL___

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) äußerte sich ablehnend. Nach derzeitigem Stand ergebe sich keine „Handlungsnotwendigkeit für die Bundesrepublik Deutschland“, sagte Seehofer. Er wolle verhindern, dass ein Präzedenzfall geschaffen werde. Die Flüchtlinge waren am Donnerstag vergangener Woche aus Seenot gerettet worden.

Linke und Grüne: Regierung hat versagt

Abgeordnete von Linken und Grünen warfen der Bundesregierung im Umgang mit dem Rettungsschiff Versagen vor. Die Lage an Bord sei „unmenschlich“, sagte der Linken-Abgeordnete Michel Brandt, der selbst einige Stunden an Bord des Schiffes war. Zuletzt habe sich der Zustand der Menschen dort dramatisch verschlechtert: Einige seien schwer erkrankt, unterernährt und zudem noch seekrank. „Sie reden von europäischen Werten und Menschenrechten, während Leichen an die Mauern von Europa gespült werden“, warf Brandt der Regierung vor.

Der maltesische Regierungschef Muscat warf dem Kapitän der „Lifeline“, Claus-Peter Reisch, vor, die Situation verschlimmert zu haben. Er habe „Anweisungen der italienischen Behörden ignoriert, die die Rettungsaktion koordinierten“. Offenbar hatte er sich geweigert, die schiffbrüchigen Flüchtlinge wie von Italien gewünscht der libyschen Küstenwache zu überlassen. Italien hat seine Häfen für private Rettungsschiffe gesperrt.

Bitterer Beigeschmack

Die Asylverfahren für die geretteten Migranten würden in Malta beginnen, kündigte Muscat an. Wer keinen Anspruch auf Schutzstatus hätten, werde in seine Heimat abgeschoben. Welche EU-Länder wie viele Flüchtlinge von der „Lifeline“ aufnehmen, sagte er nicht. Das unter niederländischer Flagge fahrende Schiff solle in Malta beschlagnahmt und sein juristischer Status geprüft werden. Die niederländischen Behörden stuften die „Lifeline“ als „staatenlos“ ein. Gegen den Kapitän würden Ermittlungen aufgenommen, da er mehrfach den Transponder ausgeschaltet habe, der die Lokalisierung des Schiffs ermöglicht, sagte Muscat.

Die Mannschaft der „Lifeline“ zeigte sich erleichtert. „Einerseits ist eine Erleichterung da, dass nach sechs Tagen eine Lösung gefunden wurde“, sagte Ruben Neugebauer von der Organisation Sea-Watch, die „Lifeline“ unterstützt, dem „Evangelischen Pressedienst“. Zugleich gebe es einen „bitteren Beigeschmack“: Man sei in „großer Sorge“ wegen der Ermittlungen gegen den Kapitän. Er habe sich geweigert, die Flüchtlingen nach Libyen zurückzuschicken, weil dies einer Menschrechtsverletzung gleichkomme. Damit habe er sich an internationales Seerecht gehalten. Das werde ihm nun vorgeworfen.

Lifeline wirft Seehofer Blockade vor

„Mission Lifeline“ hatte Seehofer vorgeworfen, eine Lösung wegen des unionsinternen Asylstreits zu blockieren. In Deutschland haben Berlin, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Niedersachsen angeboten, Flüchtlinge aufzunehmen. Voraussetzung sei, dass Seehofer den Weg freigebe, sagte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD).

Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Luise Amtsberg, die ebenfalls auf der „Lifeline“ war, warf dem eigens in den Bundestag einbestellten Minister Seehofer eine „Verweigerungshaltung“ vor, die das Leben von Menschen gefährde. Seehofer habe einmal mehr bewiesen, dass er nicht an einer europäischen Lösung interessiert sei, sondern es ihm wichtiger sei, die Kanzlerin zu schwächen. (epd/mig) Leitartikel Politik

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Lutz Grubmüller sagt:

    Hier zeigt sich der antihumane, rassistische Charakter des Horst Seehofer,
    der als Innenminister eines freien, demokratischen Deutschland völlig ungeeignet ist!