Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Jura-Ausbildung unterm Kreuz nur ohne Kopftuch
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Klage einer muslimischen Rechtsreferendarin abgewiesen. Sie war gegen eine Auflage vorgegangen, mit der ihr im Rahmen der juristischen Ausbildung das Tragen ihres Kopftuchs untersagt worden war.
Donnerstag, 08.03.2018, 6:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 13.03.2018, 21:07 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
In bayerischen Gerichtssälen hängt zwar häufig ein Kreuz an der Wand, doch das Tragen religiöser Symbole ist Richtern und Staatsanwälten verboten – das gilt auch für Rechtsreferendarinnen mit muslimischem Kopftuch. In zweiter Instanz hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) in München am Mittwoch die Klage einer Juristin islamischen Glaubens für unzulässig erklärt.
Die Augsburgerin hatte 2014 zu Beginn ihres juristischen Vorbereitungsdienstes eine gerichtliche Auflage erhalten. Der zufolge durfte sie „bei der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung“ ihr Kopftuch nicht tragen. Das äußere Erscheinungsbild, hieß es vonseiten des bayerischen Justizministeriums, dürfe „keinerlei Zweifel an der Unabhängigkeit, Neutralität und ausschließlicher Gesetzesorientierung aufkommen lassen“.
Wesentliche Ausbildungsinhalte seien der Klägerin aufgrund der Auflage verwehrt geblieben, sagte ihr Anwalt Frederik von Harbou, etwa das Beisitzen am Richtertisch. Dadurch fehlten ihr nicht nur „prägende Eindrücke aus dem Referendariat“ – die Nichtdurchführung der Sitzungsvertretung sei im Zeugnis vermerkt sowie ein Eignungsmangel in ihrer Personalakte. Diese „abschätzende“ Wertung könne nach Auffassung der Klägerseite zu negativen Nachwirkungen bei einer Bewerbung für den öffentlichen Dienst führen. Gegen diese aus ihrer Sicht „ungerechtfertigte Diskriminierung“ klagte Frau S. und bekam 2016 vom Augsburger Verwaltungsgericht recht. Der Freistaat Bayern legte daraufhin Berufung ein.
VGH: Weder Diskriminierung nocht Ehrverletzung
Der BayVGH begründete nun den Beschluss damit, dass weder eine Diskriminierung noch Ehrverletzung oder negative Auswirkungen durch die Auflage für die Klägerin zu erkennen seien. Die Frau habe ihren juristischen Vorbereitungsdienst abschließen können und sei dabei nur in der einen Situation eingeschränkt worden, in der ihr die Sitzungsleitung verwehrt worden war. Damit trägt Frau S. die Verhandlungskosten. Eine Revision ist nicht zugelassen. Die Klägerseite hat dennoch angekündigt, die Einlegung von Rechtsmitteln zu prüfen.
Der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) erklärte nach der Verkündung, es werde im Freistaat auch künftig keine Rechtsreferendarinnen geben, die auf der Richterbank, beim staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienst oder bei sonstigen hoheitlichen Tätigkeiten ein Kopftuch tragen: „Es ist für das Vertrauen der Bürger in die Unabhängigkeit und Neutralität der Justiz unabdingbar, dass schon das äußere Erscheinungsbild nicht den geringsten Anschein von Voreingenommenheit erweckt.“
Neues Gesetz im April
Bausback verwies dabei auf das vor kurzem verabschiedete Bayerische Richter- und Staatsanwaltsgesetz, das zum 1. April in Kraft tritt. Es besagt unter anderem, dass Richter „in Verhandlungen sowie bei allen Amtshandlungen mit Außenkontakt keine sichtbaren religiös oder weltanschaulich geprägten Symbole oder Kleidungsstücke tragen“ dürfen. Dies soll auch für Staatsanwälte, Rechtspfleger, Schöffen und Rechtsreferendare gelten.
Vonseiten der Klägerin hieß es nach Verhandlungsende, das Gericht habe die eigentliche Frage, ob die Auflage ohne Rechtsgrundlage rechtswidrig war, erfolgreich umgangen: „Der Verwaltungsgerichtshof sieht in der monatelangen Zurücksetzung einer muslimischen Referendarin in der juristischen Ausbildung kein nachträgliches Feststellungsinteresse – selbst dann nicht, wenn die Auflage offen diskriminierend war. Meines Erachtens ist dies mit meinem Recht auf effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar.“
„Gelegenheit verpasst“
Ihr Anwalt bekräftigte, die erste Instanz in Augsburg habe „unmissverständlich klar gemacht, dass die Auflage rechtswidrig war“. Der VGH habe die Gelegenheit verpasst, diese offensichtliche Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit zu korrigieren.
Am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof sei es aber auch darum gegangen, „dass eine Rechtsreferendarin in Bayern ihre Ausbildung ‚unter dem Kreuz‘ im Gerichtssaal absolvieren, dafür aber ihr Kopftuch ablegen soll“.
Kruzifix ok, Kopftuch nicht
Der Leiter des Ausbildungsreferats im Justizministerium in München, Guido Tiesel, sagte dazu, dass er auch mit einem Richter Probleme hätte, wenn dieser groß ein christliches Kreuz vor sich hertrage. Das Kruzifix an der Wand sei dagegen kein Problem: „Das Kreuz im Gerichtssaal spricht kein Urteil“, meinte Tiesel. „Das Kopftuch spricht auch kein Urteil“, konterten die Rechtsvertreter der Referendarin.
Nach Angaben des Justizministeriums gab es in den vergangenen zehn Jahren einen weiteren Fall dieser Art. Auch damals, 2008, habe es sich um eine muslimische Rechtsreferendarin mit Kopftuch gehandelt. Als Antwort auf den Fall habe das Justizministerium eine Auflage eingeführt, die zu Neutralität im Erscheinungsbild verpflichtet. (epd/mig) Leitartikel Recht
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Rheinland-Pfalz-Studie Jeder zweite Polizist lehnt muslimfeindliche…
- Der Fall Prof. Dr. Kenan Engin Diskriminierung an deutschen Hochschulen kein Einzelfall
- Drama im Mittelmeer Seenotretter bergen hunderte Geflüchtete
- Einstiegsdroge: Ausländerfeindlichkeit AfD zur politischen Säule von Rechtsextremen geworden
- Prof. Heckmann im Gespräch Migrationspolitik, die von Sicherheitsthemen…
- „Menschenwürde verteidigen“ Zivilgesellschaftliche Kampagne fordert AfD-Verbot
Die Kreuze an den Wänden von Gerichtssälen sind ein Anachronismus, der oft sehr krampfhaft mit irgendwelchen kulturellen Gründen erklärt wird. Zusätzlich noch andere religiöse Symbole in Gerichtssälen zu erlauben wäre ein Schritt in die vollkommen falsche Richtung.
„Der Leiter des Ausbildungsreferats im Justizministerium in München, Guido Tiesel, sagte dazu, dass er auch mit einem Richter Probleme hätte, wenn dieser groß ein christliches Kreuz vor sich hertrage. Das Kruzifix an der Wand sei dagegen kein Problem: „Das Kreuz im Gerichtssaal spricht kein Urteil“, meinte Tiesel. „Das Kopftuch spricht auch kein Urteil“, konterten die Rechtsvertreter der Referendarin.“
OMG, welch blöde Antwort des Rechtsvertreters…natürlich können Kopftücher und Kreuze nicht sprechen, das war ja auch nicht wortwörtlich gemeint. Ein Richter mit großem Kreuz auf der Brust oder eine Richterin mit Kopftuch offenbaren ja öffentlich eine Weltanschauung die vermuten lässt, dass hier keine Entscheidungen nach neutralen Gesichtspunkten
gefällt werden, sondern halt religiös beeinflusst. Man könnte also von einer gewissen Befangenheit ausgehen, beim Träger von religiösen Symbolen. Bei einem religiösen Symbol an der Wand des Gerichtssaals, ist das aber was anderes, da der Saal keine Urteile spricht. Eigentlich unglaublich, dass ein Anwalt dass nicht verstehen will, aber wahrscheinlich war seine Funktion auch eher das Opferschema der Klägerin zu profilieren.
—-
Ein Richter mit großem Kreuz auf der Brust oder eine Richterin mit Kopftuch offenbaren ja öffentlich eine Weltanschauung die vermuten lässt, dass hier keine Entscheidungen nach neutralen Gesichtspunkten
gefällt werden, sondern halt religiös beeinflusst.
—-
Worauf gründet denn Ihre Vermutung? Warum schließen sie andere Vermutungen aus Ihren Überlegungen aus? Zum Beispiel könnte man doch auch ebenso gut vermuten, dass religiöse Menschen sich vor Gott verpflichtet fühlen ihre weltliche Arbeit verantwortungsbewusst und gewissenhaft auszuführen.
Zwischen dem ersten und zweiten Teil des Satzes besteht eine argumentative Lücke, die vermuten lässt, dass trotz Ihrer vorbildlichen Distanz zur Relgion sie als Anwalt ungeeignet wären. Warum? Weil sie nicht den Einzelfall betrachten, sondern voreingenommen gemäß Ihrer Weltanschaung pauschale Vermutungen anstellen.
Was lernen wir daraus? Selbst wenn man religiöse Symbole verbannt und verbietet, erhalten wir keine besseren Richter.
@aloo masala
Richter vertreten den Rechtsstaat und sonst überhaupt nichts. Nicht sich selbst, keine Parteien, keine Firmen und keine Religionen und deshalb: keine Kreuze, keine Kopftücher und keine SPD-Pins an der Kleidung.
Der Rechtsstaat muss unvoreingenommen und unbefangen sein und dementsprechend auftreten. Wenn ein Richter sich aber schon öffentlich einer Gruppe zugehörig zeigt, dann fällt es mir schwer an ein unbefangenes Urteil zu glauben. Es gilt auch nur den kleinsten Zweifel von Befangenheit aus dem Weg zu räumen, der Rechtsstaat lebt vom Vertrauen den wir in ihn haben und davon unsere Demokratie.
„Zum Beispiel könnte man doch auch ebenso gut vermuten, dass religiöse Menschen sich vor Gott verpflichtet fühlen ihre weltliche Arbeit verantwortungsbewusst und gewissenhaft auszuführen.“
Genau das ist ja das Problem, das „vor Gott verpflichtet fühlen“, ob im positiven oder im negativen Sinne. Man ist der Wahrheitsfindung und der objektiven und neutralen Urteilsfindung verpflichtet und nicht Gott. Die Gesetze Gottes und die moralischen lehren exisiteren im Gerichtssaal nicht.
„Was lernen wir daraus? Selbst wenn man religiöse Symbole verbannt und verbietet, erhalten wir keine besseren Richter.“
Richtig! Aber es geht nicht darum, dass der Richter besser wird, sondern was der Beobachter, Verurteilte und die Öffentlichkeit über den Richter denken und da der Rechtsstaat von allen akzeptiert werden muss, muss der Rechtstaat auch eine gewisse integrität, seriösitat und neutralität an den Tag legen um akzeptiert zu werden.
Wer nicht neutral sein kann und davon muss man ja ausgehen, wenn jemand sich derartig an ein Stück Stoff gebunden fühlt, der kann dann auch nicht als Richter arbeiten.
—-
Genau das ist ja das Problem, das „vor Gott verpflichtet fühlen“, ob im positiven oder im negativen Sinne. Man ist der Wahrheitsfindung und der objektiven und neutralen Urteilsfindung verpflichtet und nicht Gott. Die Gesetze Gottes und die moralischen lehren exisiteren im Gerichtssaal nicht.
—-
Das eine schließt das andere nicht aus. Die Frage war eine andere, nämlich wie Sie zu Ihren pauschalen Negativ-Vermutungen kommen?
—-
Aber es geht nicht darum, dass der Richter besser wird, sondern was der Beobachter, Verurteilte und die Öffentlichkeit über den Richter denken und da der Rechtsstaat von allen akzeptiert werden muss, muss der Rechtstaat auch eine gewisse integrität, seriösitat und neutralität an den Tag legen um akzeptiert zu werden.
—-
Wer die Religionsfreiheit nicht akzeptiert, der akzeptiert auch keine Rechtsstaatlichkeit.
@aloo
„Wer die Religionsfreiheit nicht akzeptiert, der akzeptiert auch keine Rechtsstaatlichkeit.“
Vollkommen richtig. Aber Jeanne hat insoweit recht, dass es keine grenzenlose Religionsfreiheit gibt. Alle Grundrechte haben sog. Schranken, nennen wir es mal „Einschränkungen“. Und genau um diese Schranken kümmern sich die Gerichte. Wenn nun der BayVGH Recht spricht, dann ist das genau das rechtsstaatliche Verfahren, was so vorgesehen ist.
Das Urteil mag man nicht richtig finden oder moralisch verwerflich finden, der Rechtsstaat ist hier keinesfalls außer Kraft gesetzt.
@aloo masala
„Das eine schließt das andere nicht aus. Die Frage war eine andere, nämlich wie Sie zu Ihren pauschalen Negativ-Vermutungen kommen?“
Ich versteh nicht warum Sie diese Frage stellen, das hat nichts mit positiv oder negativ zu tun. Sondern mit blau, grün oder rosa. Und grün passt halt nicht. Religiösität in Gerichtssälen passt nicht, es ist deplatziert und gehört deshalb nicht dahin.
„Wer die Religionsfreiheit nicht akzeptiert, der akzeptiert auch keine Rechtsstaatlichkeit.“
Da wir ja beide keine Profis sind, lassen wir doch einfach diejenigen diese Frage klären, die dafür zuständig sind…achsooo ja stimmt, wurde ja gemacht. Jetzt akzeptieren Sie doch einfach das Urteil des Rechtsstaats und dass Ihr Verständnis von Religionsfreiheit falsch war. Religionsfreiheit ist, wie alle anderen Freiheitsrechte nicht absolut! Ich weiss, Sie wünschen es sich so sehr, dass Religion immer und überall möglich sein soll, weil es Denken und Abwägen unnötig machen würde. So ist es aber nicht.
Religion- und Pressefreiheit sind beides gleichwertige Freiheitsrechte. Darf die Presse deshalb bei jeder Verhandlung teil nehmen? Nein, darf Sie nicht.
Übertragen Sie doch mal bitte Ihr Verständnis von kompromissloser Religionsfreiheit auf die anderen Freiheitsrechte. Ein friedliches Zusammenleben wäre unmöglich.