Kompromiss in Sicht
Merkel sieht Chance für europäische Flüchtlingsverteilung
Zwei Wochen vor der Bundestagswahl geht die Diskussion über eine europäische Verteilung von Flüchtlingen weiter. Bundeskanzlerin Angela Merkel hofft weiter auf eine europäische Lösung. Innenminister de Maizière will ein einheitliches Asylverfahren.
Montag, 11.09.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 14.09.2017, 17:41 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) glaubt weiter an eine europäische Lösung zur Flüchtlingsverteilung. Die große Mehrzahl der EU-Staaten stehe nicht auf dem Standpunkt, niemals einen Flüchtling aufnehmen zu wollen, sagte die Kanzlerin der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). „Ich sehe deshalb die Chance, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft zu einer solidarischen Verteilung von Flüchtlingen kommen.“ Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach sich für ein EU-weit einheitliches Asylverfahren aus. Kritik an einer Abschottung Europas kam von Kirchenvertretern.
Merkel betonte, bei einer Verteilung von Flüchtlingen müssten die individuellen Gegebenheiten und die Wirtschaftskraft jedes EU-Staats berücksichtigt werden. Bessere Chancen habe eine solche Umverteilung zudem, wenn Fluchtursachen erfolgreich bekämpft und die Grenzen geschützt würden. Das Abkommen zwischen der EU und der Türkei habe gezeigt, dass es gelingen könne, illegale Migration in legale umzuwandeln, sagte Merkel zudem am Sonntag in Münster auf der Eröffnung des internationalen Friedenstreffens der katholischen Laienbewegung Sant’Egidio. Die illegale Migration nach Europa müsse dagegen eingedämmt werden.
Ungarn und die Slowakei hatten, unterstützt von Polen, vor dem Europäischen Gerichtshof gegen einen EU-Beschluss zur Umverteilung geklagt. Das Gericht wies die Klage jedoch ab. Wie die FAS unter Berufung auf Verhandlungskreise berichtet, zeichnet sich in dem Streit ein Kompromiss ab. Demnach sollen in Notlagen maximal 200.000 Flüchtlinge umverteilt werden. Für jeden aufgenommenen Migranten erhalte ein Staat 60.000 Euro. Staaten, die die Quote deutlich unterschreiten, wird dagegen Geld abgezogen. Vorgesehen ist auch der Einsatz von Grenzschützern und Asylbeamten in überlasteten Staaten.
De Maizière für Senkung von Leistungen
Innenminister De Maizière sprach sich für ein EU-weit einheitliches Asylverfahren aus. „Deutschland ist das Land, in dem die meisten leben wollen, auch weil unsere Verfahrens- und Aufnahmebedingungen im europäischen Vergleich großzügig sind und die Leistungen für Flüchtlinge im EU-Vergleich ziemlich hoch“, sagte der Minister der „Rheinischen Post“. Um bei einer Angleichung der Leistungen unterschiedliche Lebenshaltungskosten auszugleichen, schlug der Minister Kaufkraftzuschläge für einzelne Staaten vor.
Die Grünen wiesen den Vorschlag als verfassungswidrig und populistisch zurück. „Die Leistungen für Flüchtlinge müssen laut Verfassungsgericht den unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in Europa entsprechen und können nicht unter das Existenzminimum gedrückt werden“, erklärte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Samstag in Berlin.
Unionspolitiker für weitere Einschränkung des Familiennachzugs
Derweil forderten Unionspolitiker eine weitere Einschränkung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte. Die aktuelle Aussetzung endet am 16. März 2018. Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster sagte der „Welt am Sonntag“: „Was wir letztendlich brauchen, ist ein atmender Richtwert für die gesamte humanitäre Zuwanderung, also für selbst Eingereiste und ihre nachziehenden Familien.“ Über den Wert müsse jedes Jahr neu entschieden werden. Der CSU-Politiker Georg Nüßlein sagte der Zeitung, um nach Deutschland geflüchtete Männer wieder mit ihren Familien zusammen zu bringen, sei es sinnvoller, „diese Bürgerkriegsflüchtlinge in UN-betriebene Schutzzentren zurückzubringen, anstatt ihre Angehörigen von dort nach Deutschland“.
Kritik an der Diskussion äußerten Kirchenvertreter. Die Reformationsbotschafterin Margot Käßmann forderte die Parteien auf, Flüchtlinge aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Es sei „abstoßend“, sich darin zu überbieten, wie Flüchtlinge wieder in Kriegsgebiete zurückzuschicken seien, schrieb sie in einer Kolumne in der „Bild am Sonntag“. Der rheinische Präses Manfred Rekowski sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, eine „Politik der Abschottung und Ausgrenzung ist weder aus humanitärer noch aus menschenrechtlicher oder politischer Sicht eine Lösung“. (epd/mig) Leitartikel Politik
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