Spätaussiedler ernst nehmen
Über den Umgang der Politik mit Russlanddeutschen
Russlanddeutsche waren bislang nur sporadisch auf der Agenda der Parteien - trotz großem Wählerpotenzial. Das muss sich ändern. Die Politik muss den Menschen Angebote machen. Von Fréderic Verrycken und Michael Groys
Von Michael Groys und Fréderic Verrycken Montag, 17.07.2017, 4:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 17.07.2017, 17:29 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
„Es ist schwer, eine schwarze Katze in einem schwarzen Zimmer zu finden, besonders wenn sie dort nicht ist“, sagte der chinesische Philosoph Konfuzius. Auf die Situation der Russlanddeutschen übertragen bedeutet es, dass die Parteien keine Lösungen sehen, für ein für sie nichtexistierendes Thema. Die Millionen Menschen, die vor allem in den früheren 1990er Jahren nach Deutschland zurückgekommen sind, waren bislang nur sporadisch auf der Agenda der Parteien. Doch es sollte die Politik schon interessieren, ob es etwa Altersarmut unter Russlanddeutschen gibt und wieso sie schlechter gestellt sind, als gleichalterige deutsche Rentner?
Wieso sind politische Partizipation oder die gravierenden Integrationsherausforderungen in der russlanddeutschen Community keine wichtigen Punkte, an denen die Politik in Bund und Länder gezielt arbeiten könnte? Schließlich haben die Landsmannschaften der Deutschen aus Russland in ihren Wahlprüfsteinen an die Parteien sehr deutlich formuliert, was die Community bewegt. Sie fordern die Parteien selbstbewusst auf, um die Stimmen der Russlanddeutschen zu kämpfen. Wie haben die Parteien auf dieses Angebot, um den Ideenwettbewerb reagiert?
Die Union und Kanzlerin Merkel waren wenigstens um Symbolpolitik bemüht und empfingen Vertreter russlanddeutscher Organisationen im Kanzleramt. Zwar kann man dies als einen netten Fototermin abstempeln, aber wenigstens sprach die Kanzlerin mit den Russlanddeutschen und nicht über sie.
Die SPD redet in diesem Wahlkampf viel über soziale Gerechtigkeit. Zu recht. Es kann aber dann auch nicht zu viel verlangt sein, sich auch mit sozialen Fragen, wie der Abgleichung des Rentenniveaus bei Russlanddeutschen aktiver auseinanderzusetzen. In vielen Gesprächen mit Spätaussiedlern wurde dieser Wunsch sehr klar geäußert.
Die Linkspartei sieht die Thematik vor allem durch die außenpolitische Brille nach dem Motto „Dialog mit Russland“. Das kann man gut oder schlecht finden, es hat mit dem Kern des Themas nur bedingt zu tun. Hintergrund des Rentenproblems ist, dass Renten aus Russland von deutschen Behörden eingezogen werden, da sie als Einkommen gewertet werden, was aber wiederrum im Widerspruch zur russischen Gesetzeslage steht.
Man muss die Russlanddeutschen aber wahrnehmen, ernstnehmen und den Menschen zumindest eines versprechen: Wir werden nicht alles verändern und verbessern können, aber wir werden dafür kämpfen, dass die Probleme und Anliegen diskutiert und auch schrittweise Verbesserungen erreicht werden.
Schließlich dürfen die Parteien das Wählerpotenzial von Millionen deutschen Bürgern nicht vergessen, die in Russland als Deutsche und im heutigen Deutschland nicht selten als Russen abgestempelt worden sind.
Man soll sich auch nicht wundern, wieso Rattenfänger von der AfD, die sich als vermeintliche Kümmerer aufspielen, in der russlanddeutschen Community Erfolge erzielen. Dennoch scheint aus unserer Sicht die Situation nicht hoffnungslos zu sein, im Gegenteil.
Die Deutschen aus Russland sehen sich als Teil dieses Landes und stehen zu dieser Demokratie. Deutschland ist ihre Heimat, was keine Selbstverständlichkeit ist. Dennoch gibt es viel zu tun, sodass es nach 25 Jahren an der Zeit für alle Parteien ist, sich mit den Menschen zu beschäftigen und Angebote zu machen.
Wichtig wird aber auch sein, dass die der russlanddeutschen Organisationen und Verbände weiter den nötigen konstruktiven Druck auf die Politik ausüben und die Interessen deutlich artikulieren, sodass aus einem Monolog über Russlanddeutsche, ein langfristiger Dialog entstehen kann. Aktuell Meinung
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