Theologie
Experte fordert praktische Ausbildung für islamische Seelsorger
Die ersten Absolventen verlassen bereits die Islamzentren an deutschen Hochschulen. Allerdings bringen sie kaum praktische Erfahrung mit. Der islamische Theologe Bülent Uçar sieht Politik und die islamischen Religionsgemeinschaften in der Pflicht.
Von Martina Schwager Donnerstag, 06.07.2017, 4:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 06.07.2017, 17:39 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der islamische Theologe Bülent Uçar hat in der Diskussion über muslimische Gefangenenseelsorger einen praktischen Ausbildungsteil im Anschluss an das Hochschulstudium gefordert: „Wir brauchen analog zu den christlichen Kirchen ein Vikariat auch für muslimische Theologen und Seelsorger“, sagte Uçar dem Evangelischen Pressedienst. Es gebe zwar erste Masterabsolventen in den deutschen Islamzentren. „Sie haben aber keinerlei praktische Erfahrungen und sind für so schwierige Aufgabenbereiche wie die Gefängnisseelsorge noch nicht geeignet.“
Dennoch fehle für den Aufbau eines Praxissystems bislang sowohl die Unterstützung der Politik als auch die Rückendeckung der islamischen Religionsgemeinschaften, kritisierte der Direktor des Osnabrücker Instituts für Islamische Theologie. Somit werde sich das Problem des Mangels an unabhängigen muslimischen Gefangenenseelsorgern, die in Deutschland ausgebildet seien, nicht so leicht lösen lassen. Hinzu komme, dass die muslimischen Seelsorger bislang vom Staat lediglich eine Aufwandsentschädigung für ihre Arbeit bekämen. Die christlichen Kollegen hingegen erhielten ein Gehalt. Immerhin gebe es jedoch in Niedersachsen ermutigende Hintergrundgespräche mit der Landesregierung.
Uçar warnt: Ditib nicht herausdrängen
Der Vorsitzende der Justizministerkonferenz, der rheinland-pfälzische Ressortchef Herbert Mertin (FDP), hatte beklagt, dass in deutschen Gefängnissen fast ausschließlich von der türkischen Religionsbehörde Diyanet entsandte Seelsorger arbeiteten. Seine Forderung nach unabhängigen Gefangenenseelsorgern hatte er mit der Einschränkung versehen, es gebe kaum in Deutschland ausgebildete Imame oder muslimische Religionswissenschaftler. Auch in Niedersachsen scheitert nach Angaben des Justizministeriums der Wille, in den Gefängnissen mit unabhängigen Imamen zu arbeiten, an eben dieser Hürde.
Uçar warnte jedoch davor, die Diyanet und den von ihr finanzierten türkischen Verband Ditib ganz aus der Ausbildung herauszudrängen. Es müsse Zwischenmodelle geben. Immerhin seien immer mehr Ditib-Imame, die in der Türkei ausgebildet würden, mittlerweile in Deutschland aufgewachsen und beherrschten die deutsche Sprache. Auf jeden Fall aber sei es notwendig, in den Justizvollzugsanstalten für Vielfalt zu sorgen. (epd/mig) Aktuell Panorama
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Als ich in den 80er Jahren als Angestellter eines der damals noch wenigen islamischen Zentren in Deutschland tätig war, mußte auch ich die Feststellung machen, daß mir die theoretische Ausbildung, die ich in einem arabischen Land an einer staatlichen Universität in den islamischen Religionswissenschaften erhalten hatte, in der Praxis nur wenig nützte, z. B. im Umgang mit Muslimen, die wegen der Heimsuchung durch Dschinnen Hilfe suchen, oder bei der Waschung von Toten und der Gefangenenbetreuung. Hierin fand ich mich von den Verantwortlichen des Zentrums im Stich gelassen. Es mag für einen Einzelnen zwar noch leicht sein, den Leichnam eines nur wenige Wochen alten Babys zu waschen, für die Waschung eines erwachsenen Verstorbenen sind jedoch mindestens zwei Personen erforderlich, um diesen in die richtige Position zu drehen, zu fixieren und dabei zu waschen, wenn man kein speziell dafür ausgebildeter Leichenwäscher ist, und es ist peinlich, beim ersten Mal die Feststellung machen zu müssen, daß man diese Arbeit allein nicht bewerkstelligen kann. Außerdem hat man als Konvertit meist noch keiner Herrichtung eines Leichnams nach islamischem Ritus beigewohnt und kennt die dabei zu beachtenden Feinheiten nicht. Heute gibt es in Deutschland mehrere, meist türkische Firmen für diese Arbeit, und Ditib hat eine eigene Abteilung dafür. Bei meinem einzigen Besuch eines strafgefangenen Muslims mußte ich die Kosten für die über einhundert Kilometer weite Fahrt zur JVA aus eigener Tasche aufbringen. Solche Enttäuschungen könnten Absolventen von Islamzentren an Hochsschulen dazu bewegen, ihren Job aufzugeben und sich nach einem anderen umzusehen.