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Die Ditib-Zentralmoschee in Köln © Marco Verch (Blog) @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Gefängnisseelsorge

Ditib-Imame sehen in Sicherheitsprüfung Akt des Misstrauens

Auch Gefängnisseelsorger des Islamverbands Ditib müssen sich seit Februar in NRW einer Sicherheitsprüfung stellen. Erst ein Bruchteil hat dies bisher getan. Die Sicherheitsprüfung wird als Akt des Misstrauens empfunden.

Mittwoch, 05.04.2017, 4:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 06.04.2017, 18:16 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Nur zwölf Imame der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) betreuen aktuell muslimische Gefangene in nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten. Die restlichen Ditib-Seelsorger hätten sich bislang nicht der erforderlichen Sicherheitsüberprüfung des Verfassungsschutzes unterzogen, sagte ein Sprecher des Justizministeriums am Montag in Düsseldorf dem Evangelischen Pressedienst. Sie hätten daher zurzeit keinen Zugang zu den Justizvollzugsanstalten.

Die Ditib äußerte sich auf epd-Anfrage nicht zu der Frage, warum bislang nur zwölf Imame die Sicherheitsüberprüfung zuließen. „Für uns ist es wichtig, dass notwendige religiös-seelsorgerische Dienste weiter angeboten werden“, erklärte Sprecherin Ayse Aydin lediglich. „Die bisherige gute Zusammenarbeit möchten wir in Zukunft qualitativ hochwertiger unterbreiten.“ Voraussetzungen dafür seien gegenseitiges Vertrauen und gute Absichten.

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Akt des Misstrauens und der Erniedrigung

Die Sicherheitsprüfung ist seit Februar die Voraussetzung dafür, weiter als Gefängnisseelsorger tätig sein zu dürfen. Die zwölf Ditib-Imame, die sich der Prüfung unterzogen, wurden nach Angaben des Ministeriumssprechers alle vom Verfassungsschutz als unauffällig eingestuft.

Wie MiGAZIN aus informierten Ditib-Kreisen erfuhr, sehen viele Imame die Sicherheitsprüfung als ein „Akt des Misstrauens“ und der „Erniedrigung“. Deshalb verzichteten viele auf diese Prüfung. Bei Geistlichen anderer Religionen gebe es keine Sicherheitsprüfung, erklärte ein Ditib-Imam, der anonym bleiben möchte.

Justizminister: Wer nicht mitmacht, kommt nicht rein

Zum Stichtag 19. September 2016 waren nach Ministeriumsangaben noch 92 Ditib-Imame als Gefängnisseelsorger im Einsatz. Damit machten die Imame, die vom türkischen Generalkonsulat beziehungsweise der Ditib entstandt wurden, damals den überwiegenden Teil aller 104 muslimischen Gefängnisseelsorger in NRW aus.

Landesjustizminister Thomas Kutschaty (SPD) sagte der in Düsseldorf erscheinenden Rheinischen Post: „Wir haben entschieden, dass alle Seelsorger durch den Verfassungsschutz überprüft werden müssen. Wer da nicht mitmacht, kommt nicht mehr rein.“

Kontroverse um Comic

Die Ditib habe jetzt um ein Gespräch gebeten. „Ich setze darauf, dass dadurch Missverständnisse ausgeräumt und die Bereitschaft gesteigert wird, sich überprüfen zu lassen“, sagte Kutschaty. Die Ditib selbst teilte auf Anfrage nicht mit, worum es in dem Gespräch gehen soll.

Das Justizministerium hatte die Sicherheitsprüfung für Ditib-Imame im September angeordnet. Zuvor war sie nur Pflicht für die Imame anderer Islamverbände. Die Ausweitung war eine Konsequenz aus der Kontroverse um einen Comic der türkischen Religionsbehörde Diyanet, mit der Ditib eng verbunden ist.

Der Islamverband hatte sich nach Ansicht der Landesregierung nicht ausreichend von dem Comic distanziert, in dem der Märtyrer-Tod verherrlicht wird. Allerdings hat der Märtyrer-Tod im muslimischen Kulturkreis keinen gewaltverherrlichenden Aussagegehalt. Auch deshalb hatte die Ditib auf die Sicherheitsprüfung zunächst mit Unverständnis reagiert und angekündigt, ihre weitere Mitwirkung an der Gefangenenseelsorge zu überdenken. (epd/mig) Aktuell Politik

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  1. karakal sagt:

    Warum überprüft der „Verfassungsschutz“ die Leute nicht ohne deren Wissen, wie andere Geheimdienste das tun? („Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.“) Früher, als man den Unbegriff „Islamist“ noch nicht kannte und es noch keine „Salafisten“ gab, besuchte ich als Angestellter eines islamischen Zentrums muslimische Strafgefangene. Vielleicht würde ich das heute auch wieder machen wollen – aber nicht unter der Bedingung einer erniedrigenden geheimdienstlichen Überprüfung. Da müssen die Gefangenen eben bis nach ihrer Haftentlassung auf meine Hilfe warten. Der „Verfassungsschutz“ ist – wie praktisch alle Geheimdienste – selbst in kriminelle Handlungen verwickelt (z. B. NSU-Affäre, Beteiligung an der Volksverhetzung gegen Muslime), weswegen ich es ablehnen würde, auf irgendeine Weise (freiwillig) mit ihm zusammenzuarbeiten.

  2. posteo sagt:

    Jede Sicherheitsüberprüfung ist ein Akt des Misstrauens. Nur ist das Misstrauen leider nicht unberechtigt.
    Zu meinem Vor-Poster karakal möchte ich anmerken, dass es mir lieber ist, offen überprüft statt heimlich ausgeschnüffelt zu werden. Ausserdem habe ich auch einmal an einem Besuchsdienst für Strafgefangene teilgenommen, wofür ich mich (natürlich) auch einer (polizeilichen) Personalüberprüfung unterziehen musste.