Bildungsstudie

Migrationshintergrund entscheidet stark über Schulerfolg

Die Chancengerechtigkeit an deutschen Schulen hat sich laut einer Studie deutlich verbessert. Doch es gibt nach wie vor große Unterschiede. Der schulische Erfolg junger Menschen hängt immer noch sehr stark von ihrer sozialen Herkunft und dem Migrationshintergrund ab.

Donnerstag, 02.03.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 18.04.2021, 11:41 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Schulen in Deutschland sind laut einer aktuellen Studie chancengerechter geworden. Allerdings sind die Unterschiede etwa bei der Ganztagsbetreuung zwischen den Bundesländern gewachsen, wie die Bertelsmann Stiftung am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des „Chancenspiegels 2017“ erklärte. Der Abstand der Bundesländer mit den meisten und den wenigsten Ganztagsplätzen habe sich zwischen den Jahren 2002 und 2014 beinahe vervierfacht.

Der Anteil von Ganztagsschülern schwankte der Studie zufolge im Schuljahr 2014/15 zwischen 80 Prozent in Sachsen und 15 Prozent in Bayern. Im Bundesdurchschnitt ging im Schuljahr 2014/15 etwa jeder dritte Schüler (rund 37 Prozent) auf eine Ganztagsschule. Im Jahr 2002 sei es nur einer von zehn Schülern (9,8 Prozent) gewesen.

___STEADY_PAYWALL___

Auch erreichten der Studie zufolge mehr Schüler einen Abschluss. Demnach erwarben im Jahr 2002 lediglich rund 38 Prozent der Schulabgänger das Recht auf ein Hochschulstudium. Zwölf Jahre später waren es bereits rund 52 Prozent. Gleichzeitig sank der Anteil der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss von 9,2 auf 5,8 Prozent.

Migranten brechen Schule öfter ab

Unterteilt nach der Herkunft zeigt sich allerdings ein anderes Bild: Die Quote der Schüler mit ausländischen Wurzeln, die keinen Schulabschluss erreichen, ist in Deutschland seit 2002 von 12,1 auf 12,9 Prozent angestiegen. Bei den deutschstämmigen Schulabbrechern gibt es hingegen einen positiven Trend. Er nahm von 6,2 auf 5,8 Prozent ab.

Der Anteil an Schülern mit Förderbedarf, die an regulären Schulen unterrichtet werden, stieg der Studie zufolge ebenfalls. Im Jahr 2014 habe fast jeder dritte Förderschüler eine reguläre Schule besucht. Im Jahr 2002 sei es lediglich jeder achte gewesen, hieß es. Allerdings sei zugleich die Zahl der Schüler mit Förderbedarf gestiegen. Daher würden inzwischen anteilig ebenso viele Kinder wie im Jahr 2002 separat unterrichtet. Obwohl die Inklusion steige, gehe die Exklusion kaum zurück, erklärte die Stiftung.

Migrationshintergrund entscheidet über Schulerfolg

Ob Kinder und Jugendliche im deutschen Schulsystem erfolgreich ihren Weg gehen, hängt nach wie vor sehr stark von ihrer sozialen Herkunft ab. So liegen beispielsweise Neuntklässler aus sozio-ökonomisch schwächeren Milieus in Sachen Lesekompetenz mehr als zwei Schuljahre hinter Klassenkameraden zurück, die in wirtschaftlich besser gestellten Familien aufwachsen.

Doch nicht nur die soziale Herkunft, auch ein Migrationshintergrund kann noch immer den schulischen Erfolg erschweren. Denn während der Anteil aller Schüler ohne Schulabschluss zuletzt abnahm, stieg der Anteil der Teilgruppe ausländischer Schüler ohne Abschluss zuletzt wieder leicht auf 12,9 Prozent an. Für Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, ein Warnsignal: Es bleibe eine große Herausforderung, Jugendlichen zumindest einen Hauptschulabschluss zu ermöglichen – gerade, wenn sie als Flüchtlinge erst spät ins deutsche Schulsystem einstiegen, so Dräger.

Stiftung mahnt Reformen an

Die Stiftung mahnte eine Beschleunigung der Reformen an. Bei dem aktuellen Reformtempo würden erst in 30 Jahren alle Kinder in Deutschland einen Ganztagsschulplatz erhalten, sagte Dräger. Für bessere Chancen für alle Schüler müssten Bund und Länder mehr in die Schulsysteme investieren und gemeinsame Qualitätsstandards für ganztägige und inklusive Schulen vereinbaren. „Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz, damit der Reformeifer nicht erlahmt“, sagte Dräger.

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) begrüßte, dass die Studie Fortschritte bei der Ganztagsschule und der Inklusion bescheinigt. Zur Vergleichbarkeit der Bildungsangebote in den einzelnen Ländern mahnte sie den Ausbau gemeinsamer Bildungsstandards an.

Echte Chancengleichheit nicht gelungen

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Hubertus Heil, erklärte, die Studie zeige, dass bis heute der Durchbruch zu echter Chancengleichheit in der Bildung nicht gelungen sei. „Bildungserfolg wird weiterhin zu oft vererbt und baut nicht allein auf dem Talent und den Leistungen der Kinder und Jugendlichen auf“, kritisierte Heil. Nötig seien mehr Ganztagsangebote an Grundschulen sowie mehr Lehrer und mehr schulische Sozialarbeit.

Mit dem „Chancenspiegel“ untersucht die Bertelsmann Stiftung seit 2002 jährlich Bildungsgerechtigkeit und Leistung im Schulsystem. Mit der aktuellen Veröffentlichung sei das gemeinsame Projekt abgeschlossen, hieß es. Die Daten der aktuellen Studie basieren auf amtlichen Statistiken des Schuljahrs 2014/15. Die Studie wird von der Stiftung in Zusammenarbeit mit der TU Dortmund und der Friedrich-Schiller-Universität Jena veröffentlicht. (epd/mig) Gesellschaft Leitartikel Studien

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Realist sagt:

    Was erwartet Ihr eigentlich? Dass ein Somalier besser abschneidet als ein Professorensohn in vierter Generation?

  2. Inge sagt:

    Es wird immer behauptet, es gebe keinen kulturellen Unterschied zwischen Herkunftsdeutschen und Migranten. Ich halte das für einen Unsinn. Vielleicht ist ein Bioberliner in seinen Traditionen einem Migranten sehr ähnlich. Aber das kann man unmöglich auf alle Deutsche so übertragen. Es gibt Unterschiede. Und solange man diese Unterschiede nicht sehen will, solange wird man auch nicht von anderen lernen können. Lernen kann man aber nur dann, wenn man das Milieu verlässt, in dem man sich aufhält. Das kostet allerdings Überwindungskraft. Denn der postmoderne Weltbürger (selbst meist Migrant) müsste dann erkennen, dass es noch etwas anderes gibt als ihn selbst, Menschen, die anders sind, anders denken, anders fühlen, anders sehen, die verwurzelt sind und anders sein wollen als er. Die meisten Migranten (auch biodeutsche „Großstadtmigranten“) in Deutschland kennen nur das bindungslose, sozialistische, neoliberale Deutschland. Der Zugang zum eigentlichen Deutschland bleibt ihnen verwehrt. Auf die Frage, was denn eigentlich bürgerlich, europäisch sei oder deutsch, werden die meisten Migranten keine Antwort finden, denn sie kennen ja nur die „graue“ globalisierte Monotonie. Dass kulturelle Unterschiede bestehen, wird nicht gesehen, denn alles wird ja sofort als Folge einer ungleichen Reichtumsverteilung gesehen. Eine alternative Perspektive existiert nicht. Und das ist Euer Problem.

    PS: Das Lernen wird sich erübrigen, denn die Schichten, die das Land intellektuell und geistig eigentlich getragen haben, werden im Rekrodtempo weggeputzt. Dafür sorgt schon die Demographie. Übrig bleiben ferne Eliten und das globalisierte Proletariat. Das ist das System von Gesellschaft, das angepeilt wird. Den Sozialismus, den wir jetzt haben, könnt Ihr Euch schenken, wenn die Mittelschicht weggebrochen ist. Wer soll dann z.B. noch Wohngeld usw finanzieren? Die Reichen? Die lachen Euch aus.

  3. Pingback: Bildung: Philologenverband rechnet mit Integrationsproblemen an Schulen - MiGAZIN