The Other Side of Hope

Flüchtlingsdrama Favorit auf der Berlinale

Die Berlinale geht zu Ende: Am Samstag werden die Bären verliehen. Das Rennen erscheint offen. Ein Favorit der Kritiker ist Kaurismäkis "The Other Side of Hope" - ein launiges Flüchtlingsdrama über das Zusammenfinden einer Gruppe von gesellschaftlichen Außenseitern.

Von Barbara Schweizerhof Freitag, 17.02.2017, 4:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 19.02.2017, 12:49 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Am Samstag geht mit der feierlichen Preisverleihung die 67. Berlinale zu Ende. Einen herausragenden, die verschiedenen Geschmacksfraktionen vereinigenden Kandidaten für den Goldenen Bären hat der Wettbewerb der diesjährigen Berlinale jedoch nicht hervorgebracht. Es gibt lediglich eine Reihe von „Lieblingsfilmen“, je nachdem welche Art von Kino mit welcher Art von politischer Botschaft man verbunden sehen möchte. Ein Favorit der Kritiker ist zum Beispiel Aki Kaurismäkis „The Other Side of Hope„, in dem der finnische Regisseur auf launige Art die Elemente Komödie und Flüchtlingsdrama zu einer drolligen Geschichte über das Zusammenfinden einer Gruppe von gesellschaftlichen Außenseitern vermischt.

Der Film besitzt mit seiner Ansammlung an schrägen Charakteren und rauen Gesichtern den typischen Kaurismäki-Charme, hält mit seiner Pro-Asyl-Haltung eine humanistische Botschaft bereit und ist gleichzeitig wunderbar ökonomisch und mit viel Liebe zum Kino erzählt. Fiele die Wahl der Jury unter Vorsitz des niederländischen Regisseurs Paul Verhoeven beim Goldenen Bären auf Kaurismäki würde sich bestimmt niemand beklagen. Aber es wäre zugleich auch eine wenig zukunftsweisende Entscheidung, denn „The Other Side of Hope“ ist auch eine zutiefst nostalgische Angelegenheit, ein Film, der bis in die Details hinein den Filmen gleicht, die Kaurismäki schon vor Jahrzehnten gedreht hat.

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Anders verhält es sich in dieser Hinsicht mit der polnischen Regisseurin Agnieszka Holland, die mit ihren 68 Jahren zu den Altmeistern des europäischen Autorenkinos gehört und sich in letzter Zeit als Regisseurin von „House of Cards“-Episoden und dergleichen beschäftigt hielt. Ihr Beitrag „Pokot (Spoor)“ überraschte das Berlinale-Publikum mit vertracktem Humor und einer großartigen Hauptdarstellerin.

Agnieszka Mandat spielt eine pensionierte alleinstehende Dame in den Bergen Südpolens, der die Tiere des Waldes sehr am Herzen liegen. Als um sie herum mehrere Männer, allesamt bekannte Jäger, sterben, diktiert sie der Polizei ihren Verdacht auf eine Racheaktion der Wildtiere in die Feder. Aber mit Schock und Amüsement zugleich kapiert der Zuschauer bald darauf, dass die Spur in eine andere Richtung weist. Öko- und Altersmärchen zugleich, gehört „Pokot“ in jedem Fall zu den Entdeckungen des Festivals.

Als Film mit hohen Chancen auf eine Auszeichnung gilt auch der ungarische Beitrag „On Body And Soul“, in dem eine von Asperger-Syndrom beeinträchtigte junge Frau und ihr ebenfalls leicht gehandicapter Chef sich näher kommen. Auch Ildiko Enyedis Film zeichnet sich durch seine Vorliebe für die Natur, für Außenseiter und für einen märchenhaften Schluss aus. Wobei letzteres wie schon bei Kaurismäki und Holland auch gegen den Film sprechen könnte, steht dergleichen Optimismus doch in Dissonanz zu den Vorgängen der Gegenwart.

Zuviel Optimismus kann man dem argentinischen Beitrag „A Fantastic Woman“ von Sebastian Lelio, einem weiteren der Favoritenfilme des diesjährigen Festivals, dagegen nicht vorwerfen. Die Geschichte einer Transgender-Frau, die nach dem Tod ihres Liebhabers von dessen Familie ignoriert und misshandelt wird, gehört zumindest in der Kategorie „Beste Darstellerin“ zu den hoch gehandelten Kandidaten. Wobei ausgerechnet in dieser Kategorie das Feld so dicht besetzt wie selten ist. Konkurrieren hier doch auch noch die beiden Hauptdarstellerinnen des Sally-Potter-Films „The Party“ mit, Kristin Scott Thomas und Patricia Clarkson, die in Potters Boulevardsatire einmal auf herrliche Weise ihre bösartigen, bissigen Seiten zur Schau stellen dürfen.

Fast leer dagegen kommt das Feld der männlichen Kandidaten daher. Ob sich die Jury hier für den Taiwanesen Chen Chang entscheiden kann, der in „Mr. Long“, einem komödiantischen Thriller des japanischen Genremeisters Sabu, einen wunderbar schweigsam-coolen Koch und Killer gibt? Die populärere Wahl wäre da sicher Stellan Skarsgard, der in Volker Schlöndorffs verhaltenem, aber letztlich sehr überzeugendem Film „Rückkehr nach Montauk“ das Max-Frisch-Schriftsteller-Pendant Max Zorn verkörpert. Als der souveränste der drei deutschen Beiträge – Thomas Arslan fiel mit seiner Vater-Sohn-Geschichte „Helle Nächte“ eher durch, Andres Veiel galt bei seiner „Beuys“-Doku als zu unentschieden – wäre aber auch Volker Schlöndorff selbst als Preisträger in der Kategorie Beste Regie gut vorstellbar. (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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