Buchtipp zum Wochenende
Krimiautor Petros Markaris ist die Stimme Griechenlands
Er hat Goethes Faust übersetzt, den Deutschen die Griechenland-Krise erklärt und sie zum Thema seiner Krimis gemacht. Der 80-jährige griechische Autor Petros Markaris beleuchtet das schwierige Verhältnis zwischen Griechen und Türken.
Von Wilhelm Roth Freitag, 27.01.2017, 4:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 29.01.2017, 12:38 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Bis vor einigen Jahren war der griechische Schriftsteller Petros Markaris, der am 1. Januar 80 Jahre alt wurde, vor allem Krimilesern bekannt. Das hat sich inzwischen geändert. Der Autor spricht perfekt Deutsch und ist während der Griechenland-Krise zum gefragten Interviewpartner deutscher Fernsehsender und Zeitungen geworden. Er erwies sich dabei als glaubwürdige, unabhängige Stimme Griechenlands, er hütete sich vor einseitigen Schuldzuweisungen. In seinen Kriminalromanen hat er die Krise literarisch verarbeitet, hat sie in einen größeren historischen Zusammenhang gestellt.
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Zum 80. Geburtstag von Markaris ist jetzt allerdings kein neuer Krimi erschienen, sondern ein Band mit sieben Erzählungen. „Der Tod des Odysseus“ enthält – neben zwei Kurzkrimis mit Kommissar Kostas Charitos – Geschichten aus dem Alltagsleben, vom Umgang mit Fremden und vom schwierigen Verhältnis zwischen Griechen und Türken. Vor allem für Markaris-Erstleser sind sie eine gute Einführung in seine Welt und sein Werk.
Er kam 1937 in Istanbul als Sohn eines armenischen Vaters und einer griechischen Mutter zur Welt. Zunächst ging er in Istanbul zur Schule, studierte dann Volkswirtschaft in Wien und Stuttgart. Zu schreiben begann er im Griechenland der 70er Jahre noch zur Zeit der Militärdiktatur. Sein Theaterstück „Die Geschichte des Ali Retzo“, das in der Türkei spielt, wurde von der Zensur freigegeben, weil sie es als Kritik an der Türkei missverstand.
Als Schriftsteller, Drehbuchautor und Übersetzer spielt Markaris heute eine wichtige Rolle in der griechischen und europäischen Kultur – er ist der wohl europäischste griechische Autor. „Wiederholungstäter. Ein Leben zwischen Istanbul, Wien und Athen“, heißt ein Buch aus dem Jahr 2008, in dem er Autobiografisches und Politisches vermischt.
Besonders wichtig wurde seine langjährige Zusammenarbeit mit Theo Angelopoulos, dem bedeutendsten griechischen Filmregisseur der vergangenen Jahrzehnte. Markaris war Co-Autor bei „Der schwebende Schritt des Storches“ (1991), „Der Blick des Odysseus“ (1995) und „Die Ewigkeit und ein Tag“ (1998).
Nicht minder bedeutsam war seine Arbeit als Übersetzer von Georg Büchner, Bert Brecht und Thomas Bernhard ins Griechische. Fünf Jahre seines Lebens widmete er der vollständigen Übertragung beider Teile von Goethes „Faust“. Dafür bekam er die Goethe-Medaille der Stadt Weimar.
Auf dem Höhepunkt der Griechenlandkrise übte Markaris heftige Kritik am korrupten griechischen Staatsapparat, aber auch an seinen Landsleuten: „Die Griechen haben Europa nur als einen Topf voller Geld gesehen“, sagte er, aus dem man sich bedienen könne. Nicht weniger deutlich wendete er sich gegen die Griechenland-Verachtung in der öffentlichen Meinung Deutschlands, die von einigen Politikern und vor allem von der Boulevardpresse geschürt wurde.
Auffallend ist, wie sehr die Krise Markaris literarisch inspiriert hat. Für seine ersten fünf Kriminalromane nahm er sich viel Zeit. Sie erschienen zwischen 1995 und 2008. Danach ging es Schlag auf Schlag. Er plante eine Trilogie, es wurden sogar vier Romane.
In „Faule Kredite“ (wörtlich: Fällige Kredite) nimmt Markaris die Banken ins Visier, überhaupt alle, die an unlauteren Finanzgeschäften beteiligt sind. Zwei Banker sind ermordet worden, außerdem ein leitender Angestellter einer Rating-Agentur und der Chef eines Inkasso-Büros. Wenn der Drahtzieher der Mordserie nach seiner Verhaftung sein Motiv erklärt, kommt Kommissar Kostas Charitos, der Protagonist aller Markaris-Krimis, kaum umhin, ihm mehr oder weniger zuzustimmen.
In „Zahltag“ erhalten reiche Steuerhinterzieher Drohbriefe. Nach dem dritten Mord fließen plötzlich die Euro-Millionen in die Staatskasse. In „Abrechnung“ wird fiktiv die Drachme wieder eingeführt, und im neuesten Roman „Zurück auf Start“ sieht man besonders deutlich, wie die Krise die Menschen in ihrem Alltagsleben trifft, auch Charitos und seine Familie.
Immer wieder zeigt sich: Die Krise hat ihre Wurzeln in der Vergangenheit. Idealisten von einst sind zur korrupten Wirtschaftselite des Landes geworden, von Markaris mit oft wütender Komik dargestellt. Wie es begann, konnte man schon 2003 im Roman „Live!“ lesen, der die Bauarbeiten für die Olympischen Spiele in Athen von 2004 zum Thema hatte – und die Schatten der griechischen Militärdiktatur. (epd/mig) Aktuell Feuilleton
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