Seenotrettungsprogramm gefordert
Immer mehr minderjährige Flüchtlinge wagen gefährliche Mittelmeer-Überfahrt
Unicef zufolge wagen immer mehr unbegleitete Minderjährige die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer nach Italien. Hilfsorganisationen fordern ein Seenotrettungsprogramm für die Flüchtlinge. Die Menschen würden in völlig überfüllten, nicht seetauglichen Booten auf die Reise nach Europa geschickt.
Montag, 16.01.2017, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 17.01.2017, 20:52 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Unicef verzeichnet eine stark wachsende Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Italien gelangen. Im vergangenen Jahr hätten etwa 25.800 unbegleitete Mädchen und Jungen die gefährliche Überfahrt gewagt, teilte die deutsche Sektion des UN-Kinderhilfswerks am Freitag in Köln mit. Damit habe sich die Zahl gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt (2015: 12.360). Von den 28.200 Minderjährigen, die im vergangenen Jahr Italiens Küsten als Flüchtlinge oder Migranten erreichten, seien 91 Prozent ohne Eltern unterwegs gewesen.
„Die wachsende Zahl besonders verletzlicher Kinder, die ihr Leben riskieren, um nach Europa zu gelangen, zeigt einen alarmierenden Trend“, sagte der Unicef-Nothilfe-Koordinator für die Flüchtlingskrise in Europa, Lucio Melandri. Die meisten unbegleiteten Kinder und Jugendlichen, die im vergangenen Jahr in Italien ankamen, stammen laut Unicef aus Eritrea, Ägypten, Gambia und Nigeria. Die Mehrzahl von ihnen waren Jungen zwischen 15 und 17 Jahren.
Um die Minderjährigen auf der Flucht zu schützen, sei „eine koordinierte europäische Lösung erforderlich“, betonte Melandri. So müssten etwa die flüchtenden Kinder und Jugendlichen vor Gewalt und Ausbeutung bewahrt werden, hieß es. Die Inhaftierung von Kindern aufgrund ihres Aufenthaltsstatus müsse unterbleiben. Zudem sollten in den jeweiligen Herkunftsländern die Fluchtursachen bekämpft werden.
Laut Unicef ist lediglich auf der Mittelmeerroute von Nordafrika nach Italien der Anteil von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen unter den Flüchtlingen so hoch. Unter den Minderjährigen, die Griechenland über den Seeweg erreichten, seien lediglich 17 Prozent ohne Begleitung ihrer Eltern unterwegs. „Die Zahl der unbegleiteten oder von ihren Eltern getrennten Kindern entlang der zentralen Mittelmeerroute ist beispiellos“, mahnte Melandri.
Hilfsorganisation fordert Seenotrettungsprogramm
Derweil fordert die private Hilfsorganisation „SOS Mediterranee“ ein umfassendes Seenotrettungsprogramm für Flüchtlinge im Mittelmeer. Immer wieder würden Menschen von Libyen aus in völlig überfüllten, nicht seetauglichen Booten auf die Reise nach Europa geschickt. „Keines dieser Boote schafft es ohne Hilfe nach Italien. Die Menschen werden gerettet oder sie ertrinken, eine andere Möglichkeit gibt es nicht“, sagte Geschäftsführer Timon Marszalek am Samstag.
Info: Der Verein „SOS Mediterranee“ ist auf Spenden angewiesen. Der Such- und Rettungseinsatz kostet nach eigenen Angaben rund 11.000 Euro am Tag. Spendenkonto: IBAN: DE 04 1005 0000 0190 4184 51
Seit Donnerstag hat die Hilfsorganisation, die mit dem Rettungsschiff „Aquarius“ im Seegebiet zwischen Libyen und Italien kreuzt, nach eigenen Angaben 342 Flüchtende vor dem Ertrinken gerettet. Auf einem einzigen Schlauchboot seien 193 Menschen zusammengepfercht gewesen. Zwei Minderjährige hätten nur noch tot geborgen werden können. Insgesamt seien am Freitag und Samstag laut italienischer Küstenwache rund 1.000 Menschen aus dem Mittelmeer gerettet worden. Mitte der Woche sei ein Notruf eines mit etwa 120 Menschen besetzten Bootes eingegangen. Trotz intensiver Suche sei es nicht gefunden worden.
Im zentralen Mittelmeer würden deutlich mehr Rettungseinheiten gebraucht, betonte Marszalek. „SOS Mediterranee“ und die spanische Organisation „Proactiva Open Arms“ stellten in diesem Winter die einzigen zivilen Rettungsschiffe.
Die „Aquarius“ war Anfang Februar 2016 von Bremerhaven aus ins Mittelmeer aufgebrochen. Die Crew des ehemaligen Cuxhavener Fischerei-Schutzbootes besteht aus einer zehnköpfigen nautisch-technischen Besatzung. Dazu kommen weitere zwölf Experten, die zum Such- und Rettungsteam sowie zum medizinischen Personal von „Ärzte ohne Grenzen“ gehören. Bis Dezember 2016 waren sie 11.600 Menschen zur Hilfe gekommen. (epd/mig) Aktuell Ausland
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