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Antiziganismus

Wo Roma täglich Ablehnung erfahren

Auch in Deutschland stoßen Roma immer wieder auf Ablehnung. Der Verein "Amaro Foro" will das ändern: Er dokumentiert die zahlreichen Fälle von Diskriminierung - ob es ausbeuterische Arbeitsverhältnisse sind oder die Verweigerung von Handyverträgen.

Von Mittwoch, 05.10.2016, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 11.07.2017, 15:07 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Das rot umrandete Verbotsschild im Laden „Regenbogenlicht“ in der Emserstraße im Berliner Stadtteil Neukölln galt nur für Roma. Darauf erteilte die Ladenbesitzerin „einer auf Raub und Betrug spezialisierten Bevölkerungsgruppe absolutes Ladenverbot“. Sie erregte damit viel Aufsehen in den Medien. Das Schild hängt dort zwar nicht mehr. Dafür weist die Besitzerin nun ungefragt auf den „Zigeunerbesen“ hin, den sie in der Tür aufgestellt hat.

Der „Zigeunerbesen“ als Symbol entstammt dem Reich des Aberglaubens, als im Mittelalter Hexen, Juden und Roma als Verbündete des Teufels galten und ferngehalten werden sollten. Damit lebt ein jahrhundertealtes Stigma auf: „Alle Roma betrügen und stehlen“.

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„Amaro Foro“ dokumentiert Diskriminierung

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Der Verein „Amoro Foro“ in Berlin berät vorwiegend Romnija und Roma aus Rumänien und Bulgarien. Seit 2014 dokumentiert der Verein die Diskriminierung dieser Bevölkerungsgruppe und zeigt, wie sehr sie immer noch in weiten Teilen auf Ablehnung stößt.

Das bestätigt auch die Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen. In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert der Präsident Tilman Zülch, langjährig geduldeten Roma-Flüchtlingen ein Bleiberecht zu gewähren. Die Menschen dürften nicht vertrieben werden. Jahrelang hätten sich Lehrer, Sozialarbeiter und Erzieher für die Integration der Kinder eingesetzt.

„Wir schließen keine Verträge mit Rumänen und Bulgaren“

„Amoro Foro“-Mitglied Andrea Wierich erzählt von einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin eines sozialen Trägers. Es ging darum, dass Handyanbieter häufig keine Verträge mit Roma abschließen, mit der Begründung: „Wir schließen prinzipiell keine Verträge mit Rumänen und Bulgaren ab.“ Die Mitarbeiterin des sozialen Trägers sah darin keine Diskriminierung, sondern verwies auf oft fehlende Schufa-Bescheinigungen.

Entgegen der weit verbreiteten Meinung, Bulgaren und Rumänen seien allesamt „Armutsflüchtlinge“, zeigt der Mikrozensus aus dem Jahr 2011, dass 21 Prozent der bulgarischen und rumänischen Migranten in Deutschland einen akademischen Abschluss hatten. Auch nach der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 2014 kamen überwiegend gut ausgebildete Menschen ins Land.

Ausbeuterische Arbeitsverhältnisse und lobenswerte Ausnahmen

In der Beratung von „Amaro Foro“ geht es oft um ausbeuterische Arbeitsverhältnisse. Viele trauten sich oft nicht, ihr Recht einzuklagen – aus Angst vor dem Verlust der oft einzigen Verdienstquelle. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund beklagt regelmäßig die systematische Ausbeutung gering qualifizierter Arbeitnehmer aus Südosteuropa, die sich besonders häufig in der deutschen Fleischindustrie, im Baugewerbe und in der häuslichen Pflege vorfinden lasse.

Doch es gibt auch lobenswerte Ausnahmen: So erfuhr Familie Brkic in Potsdam überwältigende zivilgesellschaftliche Solidarität. Die Familie aus Smederevo in Serbien lebte ohne Zugang zum Arbeitsmarkt und die Kinder gingen nicht zur Schule. Ihr karge Existenz sicherte sich die Familie mit dem Sammeln von Altpapier und -metall. Mit der Begründung, dass Serbien ein „sicherer Herkunftsstaat“ sei, wurde ihr Asylantrag in Deutschland abgelehnt.

Liste sicherer Herkunftsstaaten in der Kritik

Menschenrechtsorganisationen und Roma-Verbände sehen die Liste sicherer Herkunftsstaaten schon lange kritisch. Sie verweisen darauf, dass Roma dort nicht selten als Gruppe von nationalistischen Schlägertrupps verfolgt werden, unter mangelndem oder keinem staatlichen Schutz stehen und systematisch von der Versorgung mit Wasser, Elektrizität und der Müllabfuhr ausgeschlossen sind.

Nachbarn und der Verein „Neue Nachbarschaften“ in Potsdam-West setzten sich für die Familie Brkic ein, auch die Härtefallkommission befasste sich mit dem Fall. Mit Kontakten zur Potsdamer SPD und einer Petition gelang es schließlich, Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) umzustimmen. Jetzt kann die Familie bleiben.

Der siebenjährige Vukasin Brkic, genannt Vule, kann hier nun richtig ankommen. Er ist ein großer Breakdance-Fan. Jetzt tourt der junge Tänzer mit der Gruppe „Kidz mit Style“ quer durch Deutschland. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft

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