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Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz © MiGAZIN

Kaum Klagen

Antidiskriminierungsstelle fordert Reform des AGG-Gesetzes

Wenn Menschen keine Wohnung bekommen wegen ihren ausländischen Namen oder das Arbeitsverhältnis einer schwangeren Frau nicht verlängert wird, sind das Verstöße gegen geltendes Recht. Benachteiligte haben es aber immer noch schwer, ihre Gleichstellung durchzusetzen.

Von Bettina Markmeyer Mittwoch, 10.08.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 15.08.2016, 15:48 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Recht haben und Recht bekommen ist bekanntlich nicht das gleiche. So ist es auch beim Diskriminierungsschutz in Deutschland. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, forderte daher am Dienstag in Berlin, es müsse den Betroffenen „deutlich leichter gemacht werden, gegen Diskriminierung vorzugehen“. Damit machte sich Lüders zehn Jahre nach dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) für eine Reform des Gesetzes stark.

Viele Benachteiligte zögerten immer noch, ihre Rechte wahrzunehmen. Dabei hat einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle von 2015 zufolge jeder Dritte in den zurückliegenden zwei Jahren Diskriminierung erlebt. Lüders berief sich auf Empfehlungen von Wissenschaftlern, die im Auftrag ihrer Stelle untersucht haben, inwieweit das AGG Menschen hilft, ihre Rechte durchzusetzen.

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Hohe gesetzliche Hürden

Eine hohe Hürde ist danach die kurze Frist von zwei Monaten, in der Betroffene ihre Ansprüche geltend machen müssen. Sie sollte Lüders zufolge auf sechs Monate verlängert werden. Viele Menschen zögerten, ihre Diskriminierung öffentlich zu machen, sagte sie – insbesondere wenn es um den eigenen Arbeitsplatz gehe.

Der Auswertung zufolge fehlt es auch an Unterstützung für jene, die sich nach erfolglosen Einigungsversuchen zu einer Klage entschließen. Deshalb verlangt die Antidiskriminierungsstelle, dass einschlägige Verbände Klägern vor Gericht beistehen dürfen. Außerdem sollten sie ein Verbandsklagerecht erhalten, damit sie selbst Diskriminierungsfälle aufgreifen können.

Klagewelle ausgeblieben

Das AGG ist am 18. August 2006 in Kraft getreten. Es soll Benachteiligungen wegen des Geschlechts, Alters, der ethnischen Herkunft, der Religion, Weltanschauung oder sexuellen Identität eines Menschen verhindern oder beseitigen. Schwerpunkt ist der Schutz vor Diskriminierungen bei der Jobsuche und am Arbeitsplatz. An die Antidiskriminierungsstelle des Bundes haben sich seitdem 15.000 Menschen gewendet. 1.400 Gerichtsverfahren sind dokumentiert, die meisten (90 Prozent) im Arbeitsrecht.

Die Verabschiedung des Gesetzes durch die damalige große Koalition sei trotz der noch offenen Baustellen ein „Meilenstein“ gewesen, bilanzierte Lüders. Die von der Wirtschaft heraufbeschworene Klagewelle sei nicht eingetreten. Es habe sich vielmehr das Bewusstsein für Diskriminierungen geschärft. Man müsse sich allerdings auf eine Zunahme an Beschwerden durch Flüchtlinge und Migranten einstellen, prognostizierte Lüders.

DGB, Linke und Grüne für Reform

Als Beispiel nannte sie die Absage eines Praktikumsplatzes. Eine Spedition hatte einem jungen Flüchtling zur Begründung gesagt, nach jüngsten Terroranschlägen wolle sie doch keine Flüchtlinge beschäftigen. Nach den Silvester-Übergriffen am Kölner Hauptbahnhof hatten zu Jahresanfang Zutrittsverbote für Flüchtlinge zu Clubs in Freiburg und zu Schwimmbädern für Debatten gesorgt.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Linksfraktion und die Grünen, die einen Gesetzesantrag zur Reform des AGG vorgelegt haben, schlossen sich den Forderungen der Antidiskriminierungsstelle an. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack erklärte, das Gesetz habe das Land vorangebracht. Man wisse heute, was unter Diskriminierung in der Arbeitswelt zu verstehen sei.

Kritik kam hingegen von den Arbeitgeberverbänden. Die Forderungen gehörten in den Papierkorb, erklärte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter. Vielfalt und Toleranz seien längst in die Unternehmen eingezogen und ließen sich nicht gesetzlich verordnen. (epd/mig) Leitartikel Politik

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  1. ich sagt:

    Früher sagten Vermieter direkt, sie wollen keine Ausländer im Haus. Heute sagen sie die Wohnung sei bereits vergeben oder sie rufen wegen einem Besichtigungstermin zurück. Diskriminiert wird man immer noch, nur sorgen die Leute dafür das sie möglichst nicht per Gericht gezwungen werden können jemanden zu akzeptieren, den sie nicht wollen.
    Möchte ich in einer Wohnung wohnen die ich nur bekommen habe weil das Gericht sie mir wegen einer unüberlegten Äußerung des Vermieters beschafft hat?
    Den Brunnen abzudecken wenn das Kind rein gefallen ist, ist keine Lösung.
    Man muss aufhören über Personengruppen negative Ansichten zu verbreiten. Wenn das Negative immer in den Vordergrund geschoben wird, wird auch eine Verschärfung des Gesetzes nichts an der Diskriminierung ändern. Es werden nur weitere unverfängliche Ausreden genutzt um unliebsame Mitbürger auszugrenzen.

  2. surviver sagt:

    Bei Wohnungen von Privaten Vermieter n kann man möglicherweise nicht gegen vorgehen.
    Wie ist das denn bei Wohnungsbaugesellschaften?
    Eine russische Frau suchte einen Nachfolgemieter für ihre bereits gekündigte und zwei mal frisch renovierte Nichtraucher-Wohnung.
    Der Nachfolgemieter wollte die Wohnung haben mit kompletter Ausstattung.
    Die Ablöse für die Möbel sollte 1.000,-€ betragen.
    Beide waren zusammen bei der Wohnungsbaugesellschaft vorstellig.
    Der Nachfolgemieter türkischer Abstammung wurde trotz Deutscher Staatsbürgerschaft und Festanstellung ohne eine Begründung abgelehnt.
    Kann man dagegen vorgehen?

  3. Türke sagt:

    Ich arbeite in einem großem Unternehmen, das jährlich Milliarden Euro umsetzt. Wenn ich von der Personalabteilung diskriminiert werde, z.B. wenn es den intransparenten Beförderungsprozess betrifft, kann ich zur AGG Gleichstellungsbeauftragten gehen und meine Ausgrenzungserfahrung ihr mitteilen. Das Problem ist aber, dass die diese Person, die Personalleitung selbst ist, weil das AGG nicht vorschreibt, dass es sich dabei um eine unabhängige dritte Person handeln muss. Das AGG bleibt ein Papiertiger.

  4. Han Yen sagt:

    Im Wohnungsmarkt haben sie keine Chance mit dem AGG, weil sehr viele Wohnungen in der BRD im Streubesitz sind. Die Eigentumsförderung und die Kettenschenkungen tun ihr übriges, um die Lage für sichtbare Minoritäten zu verschärfen. Dazu kommen auch noch die Immobilien Spekulanten.

    Hilfreich wäre ein neuer Typ Wohnungbaugenossenschaft, um Öko-Siedlungen in den Metropolen und Öko-Dörfer im Umland zu bauen. In UK gibt es die Black and Minority Ethnic Housing Association aus deren Fehler man lernen kann. In der BRD kennen wir das Mietshäuser Syndikat, das mit Direktkrediten Hausgemeinschaften fördert.

    Die technischen Neuerungen ermöglichen es nun Fablab Solar-Häuser für 40 000 € zu erhalten. Die neuen 3D Haus Drucker ermöglichen müllarme Konstruktion von Häusersiedlungen. Was man braucht ist Erbbaurechte für Grundstücke, den die Kommunen und Großkirchen haben. Die chinesische Firma WinSun baut ihnen 10 Häuser mit dem 3D Drucker an einem Tag.

    Für die A-Gruppen Arme, Alte, Alleinerziehende, Ausländer und Alkoholiker wären Unterkünfte in den typengemischten Wohngebieten, wo Gewerbe erlaubt ist das Beste. Zwei chronisch Kranke im Quartier und ein Apotheker muss niemals mehr über die kaufmännische Seite seines Einzelhandels sich den Kopf zerbrechen. Alte und Alleinerziehende können im Prinzip haushaltsnahe Dienstleistungen über Haushaltskooperativen austauschen, dafür gibt es steuerliche Freibeträge. Ausländer (und translokale Deutsche) könnten ebenfalls haushaltsnahe Dienstleistungen wie Vorlesestunden von den Alten beziehen. In Zeiten der Open Source virtuellen Welten geht das komplett online. Die Alten und Alleinerziehenden könnten auch mittels eines Ausbildungsfernkurses die Buchhaltung für die ausländischen Geschäftsinhaber erledigen. Alkoholiker sollten von Hauskirchen betreut werden. Open Source Software Dienstleistungen für Buchhaltung, Marketing, VoiceIP und Web/Mobile Marketing kann die Universität übernehmen, indem man einen studentischen Arbeitsmarkt schafft.

    Die Quartiere können mit Social Network Portalen ausgerüstet werden von Residents HQ, um Informationen zu Flohmärkte, Stadtteil Feste, Fremdsprachen-Kino, Freifunk, kostenlose Babysachen zu verteilen.

    Die Quartiere könnten einen Umsonstladen, einen Repair Shop, eine Makerspace Library, Waschsalon, Fahrradwerkstatt, Werkzeugverleih und eigene Reihengaragen für das Carsharing/Bikesharing erhalten. Die Baukosten sind durch 3D Drucker in den Keller gegangen.

    Die Altersheime für Alte mit Weltsprachen Kenntnisse Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Chinesisch kann man mit Studentenhäusern nahe der Universität ansiedeln. Über Open Source virtuellen Welten können sie ihre Enkel mit Vorlesestunden und Rollenspielen betreuen.

    Ich denke, die Kommunen und die Großkirchen sollten Erbbaurechte für typengemischte Grundstücke einem Community Land Trust übergeben, damit die Unterkünfte immer an A-Gruppen zuerst vermietet werden und sie ein Vorkaufsrecht für die Altersvorsorge erhalten. Anstatt die rassistische Norm der sozialen Mischung mit ausgedachten Ausländerquoten, sollte man die soziale Mischung durch Miyazawas Input-Output Matrix vorschreiben. Damit kann man bei Vorliegen der Sparneigung, Konsumneigung und Berufsgruppe die Einkommensverteilung und die fiskalischen Gewinne vorhersagen.

    Teure typengemischte Wohnhäuser wie das Essener Unperfekthaus oder neue Wohnmodelle wie Co-Living sollten nur mit Continuous Workout Mortgages gebaut werden dürfen, wo die Verträge auf makroökonomische Indizes Rücksicht nehmen. So vermeiden wir unangenehme Überraschungen wie beider Suprime Krise als die Bau-Kredite faul wurden. Die statistischen Ämter müssen dann die Indizes-Erstellung übernehmen. In der BRD gibt es keinen ordentlichen Immobilien-Index. Jeder macht was er will.

    Sinnvoll wäre es für bezahlbaren Wohnraum Namens-Aktienbesitz besser zu stellen gegenüber Kommanditanteilen. Aktien für den sozialen Wonhungsbau sind zu hoch besteuert, deswegen setzen sich Aktiengesellschaften nicht gegenüber geschlossenden und offenen Immobilien Fonds durch. Um den Wohnraum-Bedarf für A-Gruppen sicherzustellen brauchen wir eine Steuererleichterung für Namensaktien, dann können die Ämter die Bedürftigkeit nachprüfen und die Steuervorteile gewähren.

    Transaktionskostenarme Aktienmärkte kann man inzwischen mit Smart Contracts nachbilden,die auf dem Bitcoin Protokoll beruhen. Ethereum ist eine Programmier Plattform dafür, Ether ist die zugehörige Kryptowährung. Besonders Großbanken interessieren sich für Ethreum und Smart Contracts. Das EU Recht erlaubt den Mitgliedsstaaten den Einsatz von Kryptowährungen und Kryptocash.

    Alles eigentlich kein Problem im Grunde wäre nicht das politische Problem mit dem Filz zwischen der Stadtverwaltung, den Bau-Konzernen und den Banken in den Kommunen. Architekturverbände, Großkirchen und Gewerkschaften brauchen politische Schützenhilfe von minoritären Glaubensgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften.

  5. Ochljuff sagt:

    @ich: Sie haben sicherlich Recht, nur manchmal ist es gut, überhaupt eine (bezahlbare) Wohnung zu bekommen. Das Mietverhältnis, dass per AGG ggf. eingefordert werden kann, ist ja normalerweise keines zu einem „Klein-„Vermieter mit nur wenigen Wohnungen (für die das AGG grundsätzlich ja über spezielle Regelungen auch nicht so angewandt wird) sondern z.B. zu großen Baukonzernen, die ggf. diskriminierend Wohnungen vergeben. Hier müssen sich Mieter*innen eh auf Rechtsstreitigkeiten einstellen (Mieterbund) – andere Mietwohnungen mit fairen Vermietenden sind sicherlich schöner, aber eben nicht immer verfügbar.

    Insofern wäre Ihr Vorschlag die Ideallösung, aber auf dem Weg dorthin bleibt ein verbessertes AGG sicherlich eine Notwendigkeit.