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Pro Asyl

Erster Fall aus EU-Türkei-Flüchtlingspakt vor Menschenrechtsgericht

Ein Syrer soll aus Griechenland in die Türkei abgeschoben werden – obwohl er dort vom IS bedroht wurde. Anwälte haben jetzt dagegen einen Eilantrag vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingereicht - der erste im Kontext des EU-Türkei-Paktes.

Montag, 06.06.2016, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 31.07.2017, 10:26 Uhr Lesedauer: 1 Minuten  |  

Erstmals ist nach Angaben von Anwälten der Fall eines vom EU-Türkei-Pakt betroffenen syrischen Flüchtlings vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gelandet. Drei Anwältinnen von Pro Asyl sowie ein lokaler griechischer Anwalt reichten am Donnerstagabend einen Eilantrag vor dem Straßburger Gericht ein, wie Pro Asyl am Freitag in Frankfurt am Main mitteilte. Damit solle die drohende Abschiebung des Mannes aus Griechenland in die Türkei verhindert werden.

Der Mann hatte nach Darstellung von Pro Asyl in seiner Heimat in der Ölindustrie gearbeitet, bevor er aus dem Bürgerkriegsland floh. Ende März hätten ihn Mitglieder des sogenannten Islamischen Staates (IS) in Istanbul aufgesucht und aufgefordert, sofort nach Syrien zurückzukehren und dort für den IS in der Ölförderung zu arbeiten. Der Schutzsuchende, der auch aufgrund seiner Homosexualität gefährdet sei, floh laut Pro Asyl daraufhin nach Griechenland, wo er Ende März ankam. Von dort drohe nun die Abschiebung in die Türkei.

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Aushebelung des Rechtsstaats

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Pro Asyl wirft der Europäischen Union vor, im Rahmen des am 18. März geschlossenen EU-Türkei-Abkommens Schutzsuchende unter Aushebelung des Rechtsstaats in die Türkei abschieben zu wollen. Mehr als 3.000 Menschen seien faktisch ohne Möglichkeit, den Rechtsweg zu beschreiten, unter menschenunwürdigen Umständen in Griechenland in Haft.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist eine Einrichtung des Europarats. Der Europarat ist eine internationale Organisation, die nichts mit der EU zu tun hat. Allerdings sind alle EU-Staaten Mitglieder des Europarats, aber auch die Türkei. (epd/mig) Aktuell Politik

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  1. Magistrat sagt:

    Der EGMR wird leider seiner eigentlichen Funktion als Gerichtshof nicht gerecht. Er ist und bleibt ein politisches Organ. Und das verschafft ihm leider niemals Gehör in problematischen Staaten…

  2. Matthias sagt:

    Nein, lieber Magistrat. Der EGMR hat in zahlreichen Urteilen zur EMRK das deutsche Aufenthaltsrcht maßgeblich geprägt.

    Das neue Ausweisungsrecht – Juristen verstehen die für Behörden erhöhten Anforderungen an eine Ausweisung – ist direkter Ausfluss der EGMR – Rechtsprechung.

  3. Magistrat sagt:

    Nein, lieber Matthias, das ist leider nicht ganz korrekt. Das Deutsche Asylverfahrens-, unterbringungs- oder Anerkennungsrecht ist maßgeblich europäisch, genauer: unionsrechtlich geprägt und geht auf mehrere EU-Richtlinien zurück, die in deutsches Recht umgesetzt worden sind (bzw sein sollten). Die EGMR-Rechtsprechung mag auf das EU-Gesetzgebungsverfahren von Einfluss gewesen sei. Sie erging aber überwiegen in Bezug auf Griechenland, Belgien oder Italien und kann daher gar nicht ‚direkt‘ für Deutschland verbindlich sein – unter Juristen sprechen wir von ‚inter partes-Wirkung‘. Sie kann allenfalls mittelbar einwirken – bzw. unter Juristen: „ausstrahlen“ – was aber angesichts der besseren auch verfassungsrechtlichen Zustände in Deutschland nicht zwingend erforderlich ist. Unmittelbar geprägt bzw determiniert, wie Juristen es bezeichnen, ist das deutsche Recht nur durch die EU-Richtlinien zum Asylrecht und diverse EU-Verordnungen.

    Das alles ändert nichts daran, dass der EGMR gemeinhin als politisches Instrument wahrgenommen wird und dadurch leider seine eigentliche Funktion als oberste Menschenrechtsinstanz eingebüßt hat. Wer sich ein wenig mit der Rechtsprechung auskennt, der weiß auch um die tlw inkonsequente und erschreckend uneinheitliche Judikatur.

  4. Matthias sagt:

    Naja, einig werden wir uns nicht. Das Ausweisungsrecht wurde maßgeblichste vom 8 EMRK geprägt, ebenso Entscheidungen nach 25 Abs. 5.

    Ohne die einschlägige Rechtsprechung hätte die Novellierung des Ausweisungsrecht nicht stattgefunden.

    Hinsichtlich Asylrecht haben Sie Recht, das war aber von mir nicht gemeint

  5. Magistrat sagt:

    „Ohne die einschlägige Rechtsprechung hätte die Novellierung des Ausweisungsrecht nicht stattgefunden.“

    Da haben Sie mit Sicherheit Recht. Auch hier hat die EGMR-Rechtsprechung in der Rückführungs-RL Niederschlag gefunden, das stimmt schon.

    Nur war mein Ausgangskommentar weniger auf die – fraglos bedeutende – Rechtsfortbildung des EGMR gerichtet, sondern vielmehr auf seine wenig überzeugende Rechtsprechung in Bezug zu den im obigen Text betroffenen Staaten. Leider wird zu oft mit zweierlei Maß gemessen, was gerade bei der EMRK Schade ist, soll sie doch die unterschiedlichsten Rechtstraditionen unter dem gemeinsamen Nenner fundamentaler Menschenrechte vereinen. Diese Brisanz nutzten die Staatenrichter bedauerlicherweise zu oft (von wenigen Ausnahmen abgesehen) unter eigenwilliger Interpretation des Beurteilungsspielraums aus.