Verrohung der Gesellschaft

Zahl der Angriffe gegen Flüchtlinge nimmt weiter zu

Übergriffe auf Flüchtlinge und Asylunterkünfte haben in diesem Jahr weiter zugenommen. Auch Flüchtlingshelfer, Politiker und Journalisten werden immer wieder Opfer von Straftaten. Politiker warnen vor einer sinkenden Hemmschwelle.

Montag, 30.05.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 02.06.2016, 15:56 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warnt angesichts der steigenden Zahl von Übergriffen auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte vor einer „Teilverrohung“ der Gesellschaft. Nach dem starken Anstieg im vergangenen Jahr habe sich die Situation in den ersten Monaten 2016 noch verschlimmert, sagte de Maizière den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Samstagsausgaben). Seit Jahresbeginn habe es mehr als 1.100 Übergriffe auf Flüchtlinge oder ihre Unterkünfte gegeben. Auch Flüchtlingshelfer, Politiker und Journalisten werden immer wieder zu Opfern.

Nach einer Statistik des Bundeskriminalamts (BKA) gab es seit Jahresbeginn 245 Straftaten gegen Flüchtlingshelfer, Politiker und Journalisten, darunter 13 Gewalttaten. 186 Taten waren rechtsextremistisch motiviert, wie die Funke-Zeitungen (Sonntags-/Montagsausgaben) unter Berufung auf eine interne BKA-Studie berichteten. Amts- und Mandatsträger wie Bürgermeister oder Abgeordnete wurden dem Bericht zufolge in 107 Fällen Opfer von Straftaten Rechtsextremer (insgesamt 141 Angriffe), Hilfsorganisationen und freiwillige Helfer 54 mal (insgesamt 61 Fälle), Medienvertreter 25 mal (insgesamt 43 Fälle). Delikte gegen diese Gruppen werden ebenso wie Angriffe gegen Flüchtlinge außerhalb der Unterkünfte erst seit diesem Jahr ausgewiesen.

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Innenminister De Maizière sprach von einer „Teilverrohung unserer Gesellschaft“. Die Hemmschwelle, jemanden zu beleidigen, sinke, dabei habe der Anstieg der Flüchtlingszahlen „wie ein Beschleuniger“ gewirkt.

Auch der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) warnte, es greife ein „Klima der Verrohung“ um sich. Immer selbstbewusster und auch öffentlich würden menschenfeindliche Parolen diskutiert, sagte Thierse auf dem Katholikentag in Leipzig. Mehr denn je gelte es, „die Gebote der Mitmenschlichkeit und der Solidarität zu verteidigen“.

De Maizière verwies darauf, dass etwa die Hälfte der Tatverdächtigen bei Gewaltattacken auf Flüchtlingsheime zuvor nicht polizeilich in Erscheinung getreten war. Viele kämen aus der näheren Umgebung von Flüchtlingsunterkünften. „Wenn unbescholtene Bürger plötzlich Gewalt anwenden, gibt das umso mehr Anlass zur Sorge“, sagte er den Funke-Zeitungen.

Der Innenminister beklagte in dem Zusammenhang auch anonyme Hasskommentare im Internet und forderte eine Debatte über den Umgang damit. „Anonymität in der Kommunikation – gerade im Internet – ist kein Fortschritt für die demokratische Kultur“, sagte der CDU-Politiker. Dagegen wies der Grünen-Politiker Konstantin von Notz ein „Vermummungsverbot für Nutzer des Internets“ zurück. Er forderte die Bundesregierung auf, effektiv gegen Hass-Parolen im Netz vorzugehen. (epd/mig) Gesellschaft Leitartikel

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