Unsichere Staaten
Proteste gegen Abschiebungen von Roma
Die Demonstrationen gegen Abschiebungen von Roma in die als sicher eingestuften Westbalkan-Staaten wurden beendet - vorerst. Der Unmut hält an, weitere Aktionen wurden bereits angekündigt. Zentralrat und Stiftung zeigen Verständnis.
Dienstag, 24.05.2016, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 26.05.2016, 21:35 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Von Abschiebung bedrohte Roma aus den Westbalkan-Staaten wollen in Berlin weiter für ein Bleiberecht demonstrieren. Nachdem die Besetzung des Denkmals für die in der NS-Zeit ermordeten Sinti und Roma durch die Polizei beendet wurde, kündigten Sprecher der Gruppe am Montag weitere Aktionen an. In der Nacht zuvor hatte die Polizei Unterstützer sowie etwa 30 Angehörige der Roma, darunter Frauen und Kinder, nach einer mehrstündigen Besetzung vom Denkmal weggetragen. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma kritisierte die Besetzung.
Die Besetzer vom Sonntag seien zu einer Unterkunft gebracht und versorgt worden, teilten Unterstützer am Montag mit. Einzelne Besetzer sollen dabei verletzt worden sein. Das Denkmal befindet sich zwischen Brandenburger Tor und Reichstagsgebäude innerhalb der sogenannten Bannmeile. Nach Unterstützerangaben handelt es sich insgesamt um etwa 20 Roma-Familien, die sich wegen fehlender Aufenthaltstitel seit wenigen Wochen in der Illegalität befänden. Sie stammen unter anderem aus Kiel und Hamburg.
Stiftung gegen Demo am Roma-Denkmal
Der Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Uwe Neumärker, verteidigte den Polizeieinsatz. Seine Stiftung betreut auch das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma. Es handele sich um einen „Ort des Gedenkens und der Trauer“, auf dessen Areal keine politischen Veranstaltungen geduldet würden, betonte Neumärker am Montag. Dies sei am Sonntagabend vom Stiftungskuratorium unter Vorsitz von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) noch einmal bekräftigt worden.
Zugleich zeigte sich Neumärker solidarisch mit den Forderungen nach einem Bleiberecht für Roma aus den Westbalkanstaaten. Die Westbalkanstaaten zu sicheren Herkunftsstaaten zu deklarieren sei ein Fehler gewesen. Zugleich verwies Neumärker darauf, dass den Besetzern von ihm und der Polizei Alternativstandorte in unmittelbarer Nähe des Denkmals und des Brandenburger Tors angeboten worden seien. Dies sei aber trotz mehrstündiger Verhandlungen am Sonntagabend nicht angenommen worden.
Jelpke: nächtlicher Polizeieinsatz „unmöglich“
Bei einer improvisierten Pressekonferenz am Montagvormittag vor dem Denkmal sicherte auch die Linken-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke den Demonstranten ihre Unterstützung zu. Den nächtlichen Polizeieinsatz kritisierte sie als „unmöglich“. Jelpke forderte faire individuelle Asylverfahren für die aus den Westbalkanstaaten stammenden Menschen. Dabei müsse die Verfolgungssituation, der Roma seit Jahren in diesen Staaten ausgesetzt seien, berücksichtigt werden. Deutschland habe eine historische Verantwortung und sollte deshalb Sinti und Roma ein Bleiberecht geben.
Die sechs Westbalkanstaaten Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Montenegro, Albanien und Kosovo gelten als sichere Herkunftsstaaten. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion im Bundestag waren Ende 2015 mehr als 17.000 Menschen aus diesen Staaten ohne Duldung in Deutschland und ausreisepflichtig.
Zentralrat zeigt Verständnis
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma kritisierte die Besetzung, zeigte aber auch Verständnis für die verzweifelte Lage der Betroffenen. „Das Mahnmal ist ein Ort des würdigen Gedenkens an die über 500.000 ermordeten Sinti und Roma im NS-besetzten Europa. Dieser Ort soll und darf nicht für politische Protestaktionen missbraucht werden“, so der Zentralratsvorsitzende Romani Rose. Jedoch müsse die verzweifelte Lage der Menschen endlich in der Politik Beachtung finden: „Die Familien werden in die Hoffnungslosigkeit ohne Chancen auf Bildung und menschenwürdiges Leben abgeschoben.“
Bereits am 8. April hatten anlässlich des internationalen Roma-Day zahlreichen Politiker und Künstler direkt vor dem Denkmal gegen die anhaltende Diskriminierung der Minderheit protestiert. (epd/mig) Aktuell Politik
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