Schnelle Hilfe in Not
Gipfel in Istanbul eröffnet
Kriege, Hunger, Klimawandel: Die Staatengemeinschaft soll in Istanbul ein neues Bekenntnis ablegen, das Überleben von Menschen in akuter Not zu sichern. Doch Hilfswerke kritisieren, dass Verstöße gegen das Völkerrecht nicht gestoppt werden.
Dienstag, 24.05.2016, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 24.05.2016, 17:43 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Mit Appellen für wirksamere und raschere Nothilfe in Krisensituationen hat am Montag in Istanbul der erste „Humanitäre Weltgipfel“ begonnen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief zu einem neuen Konsens über humanitäre Hilfen und Prinzipien auf. Vor mehreren Tausend Delegierten beklagte sie Verstöße gegen das Völkerrecht. So würden etwa in Bürgerkriegsländern wie Syrien und Jemen Gesundheitszentren zerstört. Als Ursachen von Krisen nannte sie Kriege, Hunger und Klimawandel.
Zugleich forderte die deutsche Regierungschefin bessere Systeme für reibungslosere Hilfeleistungen. „Es muss gelingen, dass Hilfe dort ankommt, wo sie gebraucht wird“, betonte sie. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan forderte mehr Unterstützung für die Versorgung von fast drei Millionen Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak. Kein anderes Land habe mehr Flüchtlinge aufgenommen als die Türkei, sagte der Gastgeber des Gipfels. Doch die internationale Gemeinschaft beteilige sich nur mit geringen Summen an den Kosten. Erdoğan sprach sich dafür aus, Kriegsverbrecher zu bestrafen.
Gipfel Feigenblatt für gute Absichten
Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen forderten, stärker die Ursachen für Krisen in den Blick zu nehmen. „Der Gipfel ist zu einem Feigenblatt für gute Absichten geworden“, kritisierte die Nothilfeorganisation „Ärzte ohne Grenzen“, die dem Gipfel demonstrativ fernblieb. Systematische Verletzungen des Völkerrechts würden ignoriert. Amnesty International erklärte, massenhafte Verletzungen des Völkerrechts seien die Ursache für die Flüchtlingskrise. „‚Es sei absurd, höhere humanitäre Hilfen zu erwarten, während nichts gegen die Bombardierung von Feldlazaretten und Zivilisten unternommen wird“, sagte Generalsekretär Salil Shetty.
Deutschland unterstützt nach Merkels Worten den Vorschlag, den UN-Nothilfefonds auf eine Milliarde US-Dollar anzuheben. Derzeit umfasst sein jährliches Budget etwa 450 Millionen Dollar. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte angekündigt, Deutschland werde seinen Beitrag um zehn Millionen Euro auf 50 Millionen Euro (56 Millionen Dollar) anheben. Zwar ist das zweitätige Treffen in Istanbul nicht als Geberkonferenz geplant. Dennoch baten Merkel und Steinmeier die internationale Gemeinschaft um mehr Verlässlichkeit: „Jeder fehlende Euro bedeutet, dass ein Kind oder Erwachsener nicht satt wird oder kein Dach über dem Kopf hat“, sagte Steinmeier. Deutschland sei mit 1,3 Milliarden Euro in diesem Jahr der drittgrößte Geber humanitäre Hilfe.
Ban Ki Moon appelliert an Politiker
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Politiker dazu auf, sich viel stärker als bisher auf die Beendigung alter Konflikte und die Vermeidung neuer Kriege zu konzentrieren. Rund 80 Prozent der mehr als 125 Millionen Menschen, die humanitäre Hilfe bräuchten, seien Opfer von Konflikten und Gewalt. Die restlichen 20 Prozent litten unter den Folgen von Naturkatastrophen. Zugleich mahnte er mehr Großzügigkeit der Staatengemeinschaft an. Jedes Jahr steige der Bedarf der Hilfsorganisationen, die Zuwendungen gingen aber zurück. Allein für das vergangene Jahr beklagten die UN eine Finanzierungsloch von zehn Milliarden US-Dollar.
Die EU-Kommission äußerte die Erwartung, „das humanitäre Handeln für die kommenden Jahre zu stärken und neu zu gestalten“. Besonders begrüßt wurde das Projekt „Grand Bargain“, das zu einer wirksameren Nutzung von Hilfsgeldern beitragen und so Engpässe in der humanitären Hilfe ausgleichen helfen soll. Zugleich kündigte die EU-Kommission eine Finanzspritze von fünf Millionen Euro für ein Bildungsprogramm für Kinder und junge Leute in Krisengebieten an.
3,5 Millionen Flüchtlingskinder gehen nicht zur Schule
Mindestens 3,5 Millionen Flüchtlingskinder weltweit gehen nach Angaben der Hilfsorganisation Save the Children nicht zur Schule. Damit steige die Gefahr, dass die Minderjährigen Opfer von Missbrauch, Ausbeutung und Zwangsverheiratung werden, warnte die Organisation. Im Grundschulalter habe jedes zweite Flüchtlingskind keinen Unterricht. Bei älteren Jungen und Mädchen seien es sogar 75 Prozent.
In Deutschland gelte das Schulbesuchsrecht für Flüchtlinge ab dem ersten Tag – unabhängig vom Aufenthaltsstatus, betonte die Organisation. Um die Kinder und Jugendlichen zu betreuen, müssten hierzulande rund 20.000 neue Lehrer eingestellt werden. (epd/mig) Aktuell Politik
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