Ditib-Imame im Spagat
Vorbeter zwischen deutschen und türkischen Interessen
Imame aus der Türkei müssen ein Studium und Berufserfahrung vorweisen sowie Tests bestehen und Deutschkurse besuchen, ehe sie nach Deutschalnd entsandt werden. Dennoch stehen sie in der Kritik, integrationsfeindlich zu sein. Das weist die Ditib zurück. "Die Imame machen gute Arbeit."
Von Andreas Gorzewski Mittwoch, 04.05.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 11.05.2016, 9:14 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
„In welchem Jahrhundert begann die von Martin Luther angestoßene Reformation?“, heißt es in einem Test der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet für türkische Imame, die in deutschen Moscheen arbeiten wollen. Der Test bietet vier mögliche Antworten.
Wer als Imam in eine der knapp 900 Moscheen der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) in Deutschland kommt, soll nicht nur Gebete und Korankurse leiten. Er soll auch Kontakte zu Kirchen, Polizei und Schulen pflegen können. Doch damit tun sich viele Imame noch schwer. Die meisten von ihnen sind türkische Beamte, ausgewählt und bezahlt vom türkischen Staat. Das wird immer wieder kritisiert, zum Beispiel von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, der die Finanzierung von Moscheen und die Entsendung von Imamen aus dem Ausland beenden will.
Ditib: Imame fachlich kompetent und gut ausgebildet
Vor allem die mangelnden Deutschkenntnisse der Religionsbeauftragten stehen am Pranger. Damit verbunden ist der Verdacht, dass integrationsfeindliche Inhalte gepredigt werden könnten. Zusätzlich ist die enge Bindung der Ditib an die staatliche türkische Religionsbehörde Diyanet vielen Politikern ein Dorn im Auge. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir bezeichnete die Ditib als „verlängerten Arm des türkischen Staates“.
Die Ditib betont dagegen, dass die Moscheevereine in Deutschland von sich aus die Theologen aus Istanbul und Anatolien anforderten. Der Verband habe von jeher „im Rahmen des Grundgesetzes“ gehandelt und ein gemäßigtes Islamverständnis vertreten. Dies sei möglich durch fachlich kompetente und gut ausgebildete Theologen, erklärt die Ditib-Zentrale in Köln.
Nur die Besten dürfen kommen
Ein Verbot von ausländischen Religionsbediensteten in Deutschland lehnt der Ditib-Abteilungsleiter für Außenbeziehungen, Zekeriya Altuğ, strikt ab. Dies untergrabe die vom Grundgesetz garantierten Rechte der Religionsgemeinschaften. Er verteidigt den Einsatz der Vorbeter. „Unsere Gemeinden vertrauen ihren Imamen. Die Imame machen gute Arbeit“, sagt der promovierte Physiker.
Wer sich in der Türkei für den meist fünfjährigen Dienst im Ausland bewirbt, muss ein Studium und Berufserfahrung vorweisen sowie Tests wie den oben erwähnten bestehen. Außerdem entscheiden Vertreter der türkischen Ministerien für Bildung, Kultur, Finanzen und Äußeres mit über die Eignung. Die Imame sollen neben religiösen Dienstleistungen auch die kulturellen Verbindungen zur Türkei pflegen. Gleichzeitig sollen sie die Gemeindemitglieder in Deutschland bei der Bewältigung von Alltagsproblemen unterstützen.
Fünf Monate Deutschkurs sind Pflicht
Die Ditib ist der größte Moscheeverband. Andere Organisationen wie der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und die Islamische Gemeinschaft Milli Görüş (IGMG) müssen ihre Vorbeter aus eigenen Mitteln bezahlen. Sie bilden einen Teil ihres religiösen Personals in privaten Einrichtungen in Deutschland oder der Türkei aus.
Ditib-Imame, die sich auf einen Einsatz zwischen Konstanz und Flensburg vorbereiten, müssen fünf Monate lang Deutschkurse des Goethe-Instituts besuchen, erläutert Altuğ. „Dass das nicht alle Informationslücken schließt, ist auch uns bewusst“, sagt er. Viele Imame sprechen auch nach Jahren in der Bundesrepublik nur gebrochen Deutsch. Deshalb fördert die Ditib muslimische Studierende an deutschen Universitäten.
Eigenfinanzierung kann sich Ditib nicht leisten
Zusätzlich hilft sie türkischstämmigen Abiturienten in Deutschland, die in der Türkei islamische Theologie studieren. 28 Absolventen dieses Programms sind laut Altuğ bereits in Ditib-Moscheen tätig. Noch in diesem Jahr sollen 32 hinzukommen. Sie sind keine türkischen Beamten, werden Altuğ zufolge aber dennoch von der Religionsbehörde in Ankara bezahlt. „Eine Eigenfinanzierung der Imame kann sich die Ditib finanziell nicht leisten. Die Gehälter der Imame sind die einzige finanzielle Unterstützung aus dem Ausland.“
Nach der jüngsten Auswahlrunde für Auslandsimame erklärte die türkische Religionsbehörde, dass 200 Bewerber die Prüfungen bestanden hätten. Sie sollen auf türkeistämmige Gemeinden in Europa, Nordamerika und Australien verteilt werden. Ein Großteil von ihnen wird ausscheidende Vorbeter in Deutschland ersetzen. (epd/mig) Leitartikel Politik
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Symbol der Abschottung Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete sofort stoppen!
- Umbruch in Syrien Was bedeutet der Sturz Assads – auch für Geflüchtete…
- Studie AfD ist Gefahr für jüdisches Leben
- Abschiebedebatte Ministerin rät Syrern von Heimreisen ab: können…
- Debatte über Rückkehr Bamf verhängt Entscheidungsstopp für Asylverfahren…
- „Wir wissen nicht, wohin“ Familie verliert ihr in der Nazizeit gekauftes Haus