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Das Abraham Geiger Kolleg © Von Wolfgang Pehlemann Wiesbaden Germany. Original uploader was Wolfgang Pehlemann at de.wikipedia - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6969376

Rabbiner-Kolleg

Jüdisch-Muslimische Dialoge sind „heikler als politische Diskussionen“

Der Rausschmiss Armin Langers am jüdischen Abraham-Geiger-Kolleg sorgt für Diskussionen. Offiziell hat sein Ausschluss nichts mit seinem Engagement für einen jüdisch-muslimischen Dialog zu tun. In internen Mails, die dem MiGAZIN vorligen, rät das Kolleg dem Studenten aber vom Dialog "unbedingt ab".

Von Mittwoch, 06.04.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 11.04.2016, 17:31 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Eigentlich ist Armin Langer ein Student, wie man sich ihn für eine theologische Ausbildung nur wünschen kann. Er ist sozial engagiert und aktiv im interreligiösen Dialog. Speziell der jüdisch-muslimische Austausch ist für ihn eine Herzensangelegenheit. Im Dezember 2013 gründete er die Salaam-Shalom-Initiative für ein friedliches Zusammenleben von Juden und Muslimen.

Sein Engagement ist bekannt weit über Berlin hinaus. Er ist gern gesehener Gast auf Podien und in Medien – seine Pointen sind spitz, seine Kritik scharf. Das kommt in der Breite gut an, beim Potsdamer Abraham-Geiger-Kolleg dagegen weniger.

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Jüdisch-muslimisches Engagement nicht erwünscht

Die Kolleg-Leitung stört sich an Langers Einlassungen offenbar so sehr, dass er zuletzt sogar von der Rabbinerprüfung ausgeschlossen wurde. Ausschlaggeben sei ein kritischer Gastkommentar in der Tageszeitung (taz) gewesen. Darin hatte Langer den Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, in scharfem Ton kritisiert für seine Forderungen nach einer Begrenzung der Flüchtlingszahlen. Nach aufkommender Kritik teilte die Kolleg-Leitung mit, dass der Ausschluss mit Langers Engagement für den jüdisch-muslimischen Dialog nichts zu tun habe und auch nicht als Kritik daran verstanden werden dürfe.

Wie aus Kolleg-internen Mails (liegen dem MiGAZIN vor) allerdings zu entnehmen ist, war Langers Engagement im Bereich des jüdisch-mulimischen Dialogs der Kolleg-Leitung aber seit Längerem ein Dorn im Auge. Schon im März 2015 machte die Kolleg Leitung dem Rabbinatskandidaten in einer Mail klar, dass seine Einlassungen nicht erwünscht sind.

„Das fällt aufs Kolleg zurück“

Die Deutsche Welle hatte Armin Langer angefragt für einen Radio-Talk zum Thema „Dialog der Kulturen“. Der Student bat daraufhin die Kolleg-Leitung um Erlaubnis, um an der Sendung teilnehmen zu dürfen. Zuvor wurde Langer dazu verpflichtet, „alle Presseanträge“ die er bekommt, der Kolleg-Leitung vorzulegen und eine „Genehmigung“ einzuholen. Statt dem erhofften ‚OK‘ sprach Kolleg-Sprecher Hartmut Bomhoff in seiner Antwortmail eine deutliche Warnung aus.

Er riet dem Studenten von einer Teilnahme „unbedingt ab“. „Fragen des religiösen Dialogs zwischen Muslimen und Juden sind noch heikler als politische Diskussionen“, so der Kolleg-Sprecher in seiner Mail an den Studenten. Selbst wenn Langer im Radio deutlich mache, dass er weder Experte noch Repräsentant sei, „Du wirst auf diese Rolle festgelegt – und das fällt aufs Kolleg zurück“, schreibt Bomhoff. In einer anderen Mail von ihm an Langer heißt es: Das Kolleg lege „Wert darauf, ihre Außendarstellung selbst zu steuern.“

Kolleg weicht Fragen aus

Auf Fragen des MiGAZIN, ob das Kolleg seinen Studenten die Teilnahme an Diskussionsrunden über den muslimisch-jüdischen Dialog generell untersagt, ging das vom Bildungs- und Innenministerium geförderte Kolleg nicht ein. Stattdessen wurde das MiGAZIN auf zahlreiche Kooperationen, Veranstaltungen und Dokumente verwiesen, in denen auch der Dialog mit Muslimen Gegenstand waren beziehungsweise sind, darunter auch eine Kooperation mit dem Institut für Islamische Theologie in Osnabrück.

Eine Teilnahme Langers an der Radio-Sendung sei Bomhoff damals deshalb „heikel“ erschienen, weil der Student zuvor schon mit Gastbeiträgen in Zeitungen Debatten ausgelöst und sich als „Rabbinatskandidat am Anfang seiner Ausbildung doch stark beschädigt“ habe. Als Beispiel nennt Bomhoff ein Essay von Langer aus September 2014 im Tagesspiegel mit dem Titel: „Die Muslime sind die neuen Juden“.

Uçar: Dialog ist alternativlos

Auch Professor Bülent Uçar vom Institut für Islamische Theologie in Osnabrück bezeichnet den Dialog zwischen religiösen Menschen in Fragen des Glaubens als „schwierig und heikel“, da sich Religionen „immer um die Frage der Wahrheit fokussieren“. Bekanntermaßen bestünden dort „diametral entgegengesetzte Auffassungen und Glaubensüberzeugungen“. Seinen Studenten würde Uçar vom Dialog aber nicht abraten. Im Gegenteil. Dazu gebe es „keine Alternative“.

Kolleg-Leitung: Halte Dich aus diesen Dingen heraus

Der Drang des Kollegs, seine Studenten zu kontrollieren, wirft auch in anderen Kontexten Fragen auf. Als Armin Langer von österreichischen Wissenschaftlern angefragt wurde, ob er die Umwandlung des Geburtshauses von Adolf Hitler zu einem „Haus der Verantwortung“ mit einem Statement unterstützen möchte, blockte die Kolleg-Leitung ebenfalls ab. „Was ist denn bitteschön Deine Verbindung zu Österreichs Umgang mit Adolf Hitler? Bitte halte Dich doch aus diesen Dingen heraus“, antwortet ihm Bomhoff per Mail – wohl unwissend, dass Langers Vater Österreicher ist und seine halbe Familie dort lebt.

Zurück bleibt Armin Langer mit großen Fragezeichen. „Was ist mit der Meinungsfreiheit?“, möchte er wissen. Das Kolleg weigere sich bis heute, „eine offizielle, schriftliche Erklärung zu verfassen, in der es zu meinem Rausschmiss Stellung bezieht“. Er habe nichts in der Hand, auf das er sich stützen könne. „Nichts, wo ich nachlesen kann, was meinen Rauswurf begründet“, sagte er dem MiGAZIN. Gesellschaft Leitartikel

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  1. Volker K. sagt:

    Wäre ich die Kollegsleitung, hätte ich diesen Studenten ebenfalls zurückgepfiffen. Welches seriöse Kolleg möchte seine Außendarstellung gerne einem Studenten überlassen, der mit seiner persönlichen Meinung in der Öffentlichkeit steht, es aber nicht schafft eindeutig seine Statements als die einer Privatperson darzustellen, sondern automatisch, – ob nun gewollt oder ungewollt den Eindruck erweckt er spräche für dieses Kollleg. Das scheint ja wohl eideutigder Fall gewesen zu sein. Die Offenlegung interner Mails spricht wohl auch eine deutliche Sprache. Ich empfinde dieses Verhalten als dreist und absolut nicht tragbar. Nun muß er eben die Konsequenzen tragen und nicht noch nachtreten in dem er interne Mails verbreitet. Der einzige Fehler des Kollegs war wohl die zu sate Reaktion. Hier hätte sie viel früher tätig warden müssen.

  2. Ute Diri-Dost sagt:

    Das Kolleg verweist auf eine Kooperation mit dem Institut für Islamisch Theologie in Osnabrück….

  3. Ute Diri-Dost sagt:

    Ist das Institut eine Meinungsmacher oder lehrt es Theologie?Gibt es eine Kollektivmeinung im Institut,welches freies Denken und Handeln auf Grund des Lehrstoffes und der daraus gewonnenen Erkenntnisse nicht zulässt?

  4. Leila M. sagt:

    Volker K.’s Argumente kann ich nachvollziehen, sie schweben mir auch im Kopf herum. Offenbar ist der Student sehr in die Öffentlichkeit vorgesprescht, das muss aber nicht heißen, dass er auch tatsächlich die Kompetenzen oder das Wissen hat, um solche Diskussionen zu führen. Möglicherweise waren inhaltlich fehlerhafte Argumente oder Wissenslücken der Grund für das Zurückpfeifen?

    Allerdings bleibt selbst dann Frage zurück, warum das Kolleg in den genannten Momenten nicht die Initiative ergriffen und selbst einen Repräsentanten vorgeschickt hat, um anstatt des Studenten zu sprechen? Ich stimme Prof. Bülent Uçar zu, dass interreligöse Dialoge oft sehr sensibel und schwierig, dennoch aber unvermeidbar sind. Spätestens jetzt sollte es zu einer öffentlichen Stellungsnahme des Kollegs kommen, sonst wird der Eindruck bleiben, dass solche Dialoge grundsätzlich nicht erwünscht sind.

  5. Magistrat sagt:

    Wie bitte? Seit wann rechtfertigt soziales und gesellschaftliches Engagement einen solchen Rausschmiss aus einer theologischen Institution, die staatlich (also mit Steuergeldern auch von Muslimen und Christen) gefördert wird? Ein solches Gebaren ist für abgeschottete Parallelgesellschaften typisch, die andere Meinungen nicht dulden, darf aber nicht toleriert werden wenn es um die Ausbildung an einem renommierten Institut geht! Ich könnte die Reaktion verstehen, wenn Herr Langer gegen religiöse Dogmen oder theologische Konzepte aufbegehrt hätte. Aber allein wegen seines absolut lobenswerten und zwischen Muslimen und Juden dringend nötigen Dialogs in einer Zeit der politischen Spannungen ist mehr als bedenklich. Oder widerspricht etwa der friedliche Dialog dem Konzept der Rabbinerausbildung? Wohl kaum. Ansonsten sollte wohl nicht mehr so einseitig sondern etwas beiter gefächert Hasspredigern ein Riegel vorgeschoben werden.

  6. Volker K. sagt:

    Wenn ich das von außen bewerte, so wie jeder andere, einschließlich des Redakteurs dieses Artikels, dann wird schnell nur noch das gesehen was man nun wirklich sehen möchte. Ich kann mir gut vorstellen daß die Leitung des Kollegs sich äußerst schwer damit getan hat diese Entscheidung zu treffen und damit Herrn Langers auszuschließen. Überstrahl wir das ganze mit dem Dialog zwischen jüdichen und islamischen Auffassungen. Für manch einen ist das gleichbedeutend mit dem Erlangen einer Immunität.
    Davon will ich mich mal lösen: der Verlauf dieses „Falles“ zeichnet doch eine deutliche Sprache. Langers wurde vom Kolleg angewiesen als angehender Rabbi auf seine Wortwahl und die Form seiner Auftritte zu achten. Langers hielt sich offensichtlich nicht daran und bezeichnete sogar den Präsidenten des Zentralrats der Juden als Rassisten. Und nun offenbart dieser Herr einem (oder mehreren?) Redakteur auch noch den internen und vertraulichen Mailverkehr an. Ich kann es der Kollegsleitung nicht verdenken, daß sie das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem ehemaligen Studenten für nachhaltig gestört ansieht. Und genau das ist der Grund warum man diesem Studenten eine gewisse Bedenkzeit eingeräumt hat. Das Kolleg bot ihm an sich in 12 Monaten erneut zu bewerben. Diese Option ist nun wohl von ihm selbst und im vollen Bewußtsein seines Handelns zunichte gemacht worden. Anstatt die Zeit zu nutzen und sich mit der Verantwortung als zukünftiger Rabbi zu beschäftigen, wählte er den Schlagabtausch über die Medien. Das ist seine Entscheidung und die muß man respektieren. Genau so muß man dann auch die Entscheidung des Kollegs repektieren. Denn es gibt schon einen Unterschied zwischen der freien Meinungsäußerung eines religiösen Privatmannes und seinem sozialen Engagement und dem Medienkrieg eines Anwärters als geistlicher Repräsentant des Judentums. Ich sag es einmal so wie ich es für mich empfinde: Dieser engagierte junge Mann neigt offensichtlich dazu seine Meinung auch in Form einer medialen Schlammschlacht zu vertreten und hat auch keine Hemmungen Internas auszuplaudern um seine Kritiker, – in diesem Falle wohl seine Ausbildungsstätte – zu dikreditieren. Ich persönlich würde ihn noch nicht einmal in der Poststelle eines Unternehmens beschäftigen, da er offensichtlich nicht die Charakterzüge besitzt die man als Vorraussetzung für eine derartige Tätigkeit verlangen kann. Aber dann auch noch Rabbiner? Also bitteschön, bleiben wir doch auf dem Teppich!

  7. Dorothee Lottmann-Kaeseler sagt:

    Wenn man sich für einen „theologischen“ Beruf entscheidet, kann man nicht freiweg wie ein Student öffentlich argumentieren, wie es z.B.ein Journalist kann.
    Auch angehende Richter z.B. müssen diese Vorsicht wahren – oder sie warten
    etliche Jahre ab, ehe sie sich verpflichten. Und wenn man in DEUTSCHLAND
    – mit unserer „Geschichte“ – lebt und bleiben will , ist noch viel größere Achtsamkeit erforderlich.