Risiko der Ghettobildung
Bundesregierung will Flüchtlingen den Wohnsitz vorschreiben
Die Bundesregierung möchte anerkannten Flüchtlingen für eine bestimmte Zeit den Wohnsitz vorschreiben. Bundesinnenminister de Maizière verweist auf "Risiken einer Ghettobildung". Vorbild ist Wohnortzuweisungsgesetz für Spätaussiedler aus den 90ern. Kritik kommt von der Linkspartei.
Montag, 22.02.2016, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 23.02.2016, 17:29 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will anerkannten Flüchtlingen für eine bestimmte Zeit den Wohnsitz vorschreiben. Das sei „dringend geboten, um Ballungsräume von den Risiken einer Ghettobildung zu entlasten», sagte de Maizière der Welt am Sonntag. Bundesbauministerin Barbara Hendricks vom Koalitionspartner SPD signalisierte Zustimmung, Lob kam auch vom Städte- und Gemeindebund. Die Linke kritisierte den Plan.
Die Bundesregierung hatte bereits im Januar angekündigt prüfen zu wollen, ob Wohnsitzauflagen für anerkannte und subsidiär geschützte Flüchtlinge ausgedehnt werden sollten. Solche Beschränkungen gibt es derzeit nur für Asylbewerber im Verfahren und Geduldete, solange sie nicht selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Anerkannte Flüchtlinge dürfen sich frei bewegen. Das verlangt unter anderem die Genfer Flüchtlingskonvention.
Vorbild: Wohnortzuweisungsgesetz für Spätaussiedler
Medienberichten zufolge hat das Innenministerium bereits Eckpunkte für eine Neuregelung im Aufenthaltsgesetz erarbeitet. Über die Verteilung von Flüchtlingen auf bestimmte Wohnorte sollen demnach die Bundesländer entscheiden. Vorbild sei das frühere Wohnortzuweisungsgesetz für Spätaussiedler, schrieb das Blatt. Dies hatte in den 90er-Jahren alle neu zugewanderten Spätaussiedler für einen festgelegten Zeitraum an einen zugewiesenen Wohnort gebunden. Das befristete Gesetz lief Ende 2009 aus.
Bauministerin Hendricks (SPD) sagte: „Eine Wohnortzuweisung für einen gewissen Zeitraum kann ein sinnvolles, ergänzendes Instrument sein, wenn es richtig ausgestaltet ist.“ Dabei sollte die Situation auf dem Wohnungsmarkt der jeweiligen Bundesländer eine wichtige Rolle spielen. De Maizière müsse jetzt einen „rechtlich tragfähigen Vorschlag“ für eine gesetzliche Regelung auf den Tisch legen.
Zustimmung kam auch aus der Unionsfraktion. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Thomas Strobl (CDU) sagte: „Integration funktioniert nicht, wenn sich Ghettos bilden.“ Große Städte dürften nicht überfordert werden. „Ausnahmen kann es nur geben, wenn am Wunsch-Wohnort zwei Dinge vorhanden sind: ein existenzsichernder Arbeitsplatz und eine eigene Wohnung“, sagte der CDU-Vize dem Blatt.
Linke: Vorstoß „perfide“
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund nannte die Pläne einen wichtigen Ansatz, um den Kommunen Planungssicherheit zu verschaffen. Doch dürfe es nicht nur um eine „bloße Verschiebung in den ländlichen Raum“ gehen, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg: „Erforderlich ist ein Gesamtkonzept Integration.“ Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz (SPD), nannte es richtig, dass nicht alle Flüchtlinge in die Städte ziehen könnten. „Wenn wir dies verhindern wollen, muss es für diejenigen, die einer Wohnsitzauflage unterliegen würden, rechtzeitig Angebote für den Arbeitsmarkt geben.“
Die Linke kritisierte den Vorstoß de Maizières als „perfide“. Die innenpolitische Sprecherin ihrer Bundestagsfraktion, Ulla Jelpke, sagte der tageszeitung, er verstoße gegen Europa- und Völkerrecht. „Danach haben anerkannte Flüchtlinge das Recht auf Freizügigkeit, und das heißt, sie können ihren Arbeits- und Wohnort frei wählen.“ (epd/mig) Aktuell Politik
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