Asylpaket II
SPD tauscht Familiennachzug gegen Aufenthaltstitel für Azubis
Die Spitzen der großen Koalition haben sich nach langem Ringen auf das zweite Asylpaket geeinigt. Die SPD tauscht den Familiennachzug für Syrer ein gegen Aufenthaltstitel für Flüchtlinge in Ausbildung. Außerdem gibt es neue sichere Herkunftsstaaten.
Freitag, 29.01.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 03.02.2016, 16:59 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Nach wochenlangem Streit sind Union und SPD über das geplante Asylpaket einig. „Das Asylpaket II, das steht jetzt“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Donnerstag in Berlin. Beim umstrittenen Familiennachzug bleibt es bei der von der Union geforderten Aussetzung für zwei Jahre. Familienangehörige sollen aber vorrangig berücksichtigt werden, wenn wie angestrebt syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aus Jordanien, dem Libanon oder der Türkei über Kontingente nach Deutschland geholt werden.
Die Einschränkung des Familiennachzugs gilt nur für Flüchtlinge mit dem eingeschränkten subsidiärem Schutz. Erst seit 1. August 2015 dürfen sie überhaupt enge Angehörige nachholen. Diese Regelung soll nun für zwei Jahre ausgesetzt werden, nach Ablauf der Frist aber automatisch wieder in Kraft treten, wie Gabriel nach Beratungen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer erläuterte.
iNFO: Subsidiärer Schutz. Das deutsche Recht sieht drei verschiedene Kategorien für den Schutz von Flüchtlingen vor. Am seltensten wird der umfassende Schutz nach Art. 16 GG gewährt. Am häufigsten werden Asylsuchende in Deutschland nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt. Danach erhalten Schutzsuchende einen Aufenthaltsstatus für drei Jahre und dann eine Niederlassungserlaubnis. Diesen Schutzstatus erhält, wer aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt wird. Schließlich gibt es noch die Möglichkeit des subsidiären Schutzes. Er wird in der Regel gewährt, wenn nicht wegen der Diskriminierung einer ganzen Gruppe, im konkreten Fall aber dennoch Gefahr für Leib und Leben droht. Dies kann etwa im Fall von Krieg, einer verhängten Todesstrafe oder Folter der Fall sein. Diese Schutzberechtigte müssen ihren Status jährlich verlängern.
Tausch: Familiennachzug gegen Aufenthalt für Azubis
Die SPD wollte zunächst erreichen, das syrische Flüchtlinge von der Einschränkung des Familiennachzugs ganz ausgenommen werden. Das ist nun nicht mehr der Fall, weil durch eine Rückkehr zu den Einzelfallprüfungen auch sie unter Umständen nur subsidiären Schutz erhalten. Gabriel zufolge bekamen zuletzt rund 18 Prozent der Syrer diesen Status.
Die Union erklärte sich Gabriel zufolge im Gegenzug damit einverstanden, Flüchtlingen, die eine Ausbildung in Deutschland machen, einen sicheren Aufenthalt zu garantieren. Sie sollen darüber hinaus danach zwei Jahre in Deutschland arbeiten dürfen. Das sei schon lange eine Forderung der Unternehmen, sagte Bundeswirtschaftsminister Gabriel. Die Union hatte sich gegen eine solche Regelung bislang gesperrt.
Neue sichere Herkunftsstaaten: Algerien, Marokko und Tunesien
Union und SPD einigten sich dem SPD-Chef zufolge auch auf eine Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten. Ob das bereits Teil des zweiten Asylpakets oder später geregelt wird, sei noch unklar.
Parallel zu den Parteispitzen der Koalition trafen sich am Donnerstag in Berlin auch die Ministerpräsidenten zu einer Sonderkonferenz. Die Länder forderten vor allem mehr Engagement des Bundes bei der Integration von Flüchtlingen. Die SPD-Länder sprachen sich für ein Integrationsfördergesetz mit Maßnahmen im Bildungs-, Wohn- und Arbeitsbereich aus. Dafür rechnen sie nach Angaben der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) mit zusätzlichen Kosten von fünf bis sieben Milliarden Euro. Ebenso wie die Aufnahme von Flüchtlingen sei dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auch der Bund mittragen müsse, sagte Dreyer.
Reduzierung der Flüchtlingszahlen weiter Thema
Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, der Bremer Bürgermeister Carsten Sieling (SPD), betonte nach den Beratungen, der Bund müsse Länder und Kommunen stärker unterstützen. Zudem verwies er auf das Forderung nach einer Verfahrensbeschleunigung. Noch immer dauern die Asylverfahren länger als die drei Monate, die von der Koalition angestrebt sind. Das erschwere auch die Integration der Menschen, sagte Sieling.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) drang nach den Länder-Beratungen, an die sich am Abend ein Gespräch mit Kanzlerin Merkel anschließen sollte, erneut auf eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen. Die Herausforderungen seien ansonsten nicht zu bewältigen, sagte er. Andere CDU-Länderchefs machten ebenfalls deutlich, dass sie sich bei der Integration mehr vom Bund erwarten. Der Bund sei bisher noch nicht in der Lage, „uns zu sagen, wie weit er uns dabei unterstützen kann“, sagte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU).
Die Ministerpräsidentin des Saarlands, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), forderte, der Bund müsse zumindest in seinem Zuständigkeitsbereich, zu dem die Sprach- und Integrationskurse gehören, mehr Engagement zeigen. Dazu würde man sich die Vorschläge der SPD-Länderchefs ansehen, sagte sie. (epd/mig) Leitartikel Politik
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Symbol der Abschottung Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete sofort stoppen!
- Umbruch in Syrien Was bedeutet der Sturz Assads – auch für Geflüchtete…
- Neue Behörde Ukrainer sollen arbeiten oder zurück in die Heimat
- Debatte über Rückkehr Bamf verhängt Entscheidungsstopp für Asylverfahren…
- Kaum Auslandsüberweisungen Studie entlarvt Lüge zur Einführung von Bezahlkarten
- Jahresbericht Menschenrechtsinstitut kritisiert deutsche Migrationspolitik