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Symbolfoto © Ian Sane @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Studie

Assimilationsdruck macht Jugendliche radikal

Wie kann es sein, dass junge Menschen sich dem Terrorismus hingeben, Attentate planen im Namen des Islam und sie ausführen? Einer jetzt veröffentlichte Studie nach sind Assimilationsdruck, Islamophobie oder fehlende Anerkennung wesentliche Faktoren.

Freitag, 18.12.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Eine kleine Zahl von Immigranten wendet sich gegen die westliche Gesellschaft, in der sie leben. Wie kann es sein, dass es junge Menschen gibt, die etwa im demokratischen Frankreich oder Belgien aufgewachsen, oft sogar geboren sind, sich dann aber als Kämpfer an dem so genannten „Heiligen Krieg“ beteiligen, Attentate planen und ausführen? Welche Faktoren führen dazu, dass diese Menschen zu Terroristen werden? Eine Befragungsstudie unter Beteiligung der Jacobs University aus Bremen hat jüngst die psychologischen Prozesse untersucht, die einer Radikalisierung vorausgehen.

Einer der Schlüsselfaktoren für das Abgleiten von muslimischen Immigranten in die Radikalität sei die Frage der kulturellen Zugehörigkeit, so die Autoren der Studie. Besonders gefährdet seien diejenigen, die kulturell heimatlos seien, die sich weder mit der vorherrschenden Kultur ihrer Herkunftsländer noch mit der ihrer Ankunftsländer identifizieren. Dieser Prozess der Marginalisierung verschärfe sich, je mehr diese Personen ausgegrenzt werden, sich diskriminiert fühlen und den Verlust von persönlicher Bedeutung erfahren. Radikale Gruppen seien für diesen Personenkreis attraktiv, weil sie nach dem Freund-Feind-Schema ein klares Zugehörigkeitsgefühl vermitteln.

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Wer auf Integration setzt, will teilhaben

Die Studie mit dem Titel „The Struggle to Belong: Immigrant Marginalization and Risk for Homegrown Radicalization“ (Der Kampf um Zugehörigkeit: Die Marginalisierung von Immigranten und das Risiko einer hausgemachten Radikalisierung) basiert auf der Befragung von 464 Muslimen, davon 204 in Deutschland, die zwischen Dezember 2013 bis Juni 2014 durchgeführt wurde. Die Befragung wandte sich gezielt an junge, gut gebildete Muslime. Etwa die Hälfte der Befragten waren Studierende.

Unterschieden wird in der Studie zwischen vier Strategien der „Akkulturation“, der Begegnung mit der neuen Kultur, die Immigranten anwenden. Zum einen ist da die Assimilation, die vollständige Anpassung unter Aufgabe der Heimatkultur. Ihr gegenüber steht die Marginalisierung, die fehlende Teilhabe an der Aufnahmekultur ohne an der Heimatkultur festzuhalten. Die Separation hingegen vermeidet jeden Kontakt mit der Aufnahmekultur und verlässt sich auf die Heimatkultur. Wer auf die Integration setzt, will teilhaben an der neuen Kultur ohne die alte aufzugeben.

Assimilationsdruck

89 Prozent der Befragten gaben an, sie fühlten sich als Teil von Deutschland. Gleichzeitig herrschte der Eindruck vor, dass die Deutschen von ihnen eine Assimilierung erwarten, die die Immigranten aber mehrheitlich ablehnen. 77 Prozent stimmten der Aussage zu, in Deutschland gebe es ein nicht unerhebliches Ausmaß an Islamophobie. Wobei weniger als zehn Prozent selbst Opfer von Diskriminierung aufgrund ihrer Religion oder Kultur geworden sind. Auffällig ist: Je stärker die Teilnehmer sich diskriminiert fühlten, desto weniger waren sie bereit, die Werte ihrer Herkunftsländer zugunsten der in ihrer neuen Heimat vorherrschenden zurückzustellen.

„Unsere Studie belegt: Je mehr die Immigranten sich respektiert fühlen, desto weniger anfällig sind sie für eine Radikalisierung“, sagt Dr. Marieke van Egmond, Co-Autorin der Studie und Psychologin. Klaus Boehnke, Professor für Social Science Methodology, ergänzt: „Wir sollten uns in Deutschland darauf konzentrieren, Integration nicht nur in einem formalen Sinne zu verbessern, also etwa den Sprachunterricht oder die kulturelle Bildung, sondern wir sollten Respekt für andere Lebensweisen zum Ausdruck zu bringen. Insbesondere mangelnde Anerkennung für die Lebensleistung von jungen Immigranten ist kontraproduktiv. Es wurden ganz überwiegend Muslime mit einem erfolgreichen Bildungswerdegang befragt. Denen mangelt es nicht an formaler Integration, sondern an Anerkennung. Dies wirft sie zurück auf Lebenssichten, die in der Herkunftskultur ihrer Eltern eigentlich gar nicht mehr favorisiert werden, etwa der Überzeugung, man müsse sich am Dschihad beteiligen.“ (eb) Gesellschaft Leitartikel Studien

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  1. Lisalindt sagt:

    „Insbesondere mangelnde Anerkennung für die Lebensleistung von jungen Immigranten ist kontraproduktiv.“

    Könnte man mir bitte erklären, worin die“ Lebensleistung“ eines jungen Menschen liegt ? Die kann man doch frühestens im Alter er- und anerkennen.

    Ein Link zur Studie (wenn vorhanden) wäre auch gut.

  2. Muslima sagt:

    „Die Untersuchung mit dem Titel „The Struggle to Belong: Immigrant Marginalization and Risk for Homegrown Radicalization“ („Der Kampf um Zugehörigkeit: Die Marginalisierung von Immigranten und das Risiko einer hausgemachten Radikalisierung“) erscheint laut Boehnke demnächst in der Zeitschrift „Behavioral Science & Policy“.“
    Siehe
    http://www.fr-online.de/wissenschaft/studie-ueber-muslime–respekt-schuetzt-vor-radikalisierung-,1472788,32938542.html

  3. realist sagt:

    lisalindt , so was nennt sich menschenwürde .

    es muss nicht sein das man menschen tagtäglich ins gesicht pi…t und sich dann wundert das sie nicht die größten fans sind .

  4. Matthias sagt:

    Wenn die Deutschen die Einwanderer so schlecht behandeln, frage ich mich, warum wir ein begehrtes Einwanderungsland sind. Mangelnde Anerkennung führt zu Dschihad? Ist das ernsthaft gemeint?

    Dummheit führt zum Dschihad. Ich weigere mich ernsthaft zu glauben, dass der Assimilationsdruck unserer deutschen Gesellschaft junge Menschen in den Wahnsinn treibt. Die fehlende Bildung tut es! Aber ja, fordert man von Migranten mehr Bildungsbereitschaft, übt man ja schon wieder Druck aus.

    Eine Lösung zeigt mir der Artikel nicht

  5. TaiFei sagt:

    @Matthias
    Im Text steht aber “ Es wurden ganz überwiegend Muslime mit einem erfolgreichen Bildungswerdegang befragt. Denen mangelt es nicht an formaler Integration, sondern an Anerkennung“ Natürlich kann man immer noch mangelnde Bildung unterstellen, in dem Fall ist die Schuld aber dann eher beim dt. Bildungssystem zu suchen.

  6. Matthias sagt:

    @TaiFei
    Fehlende Anerkennung von gebildeten Einwanderern kann ich nachvollziehen. Ich stelle eher darauf ab, dass bei den Dschihadisten ein Bildungsproblem besteht, genauso wie bei anderen radikalen Gruppierungen. In der NPD wird man auch nicht gerade die Gebildetsten finden.

    Die Schuld im deutschen Bildungssystem zu suchen ist für mich nicht sinnvoll. Eltern geben immer noch den Weg der Schullaufbahn vor. Aber ich möchte auch keine Bildungsdiskussion anstoßen, da es auch viele Menschen gibt, die glauben für die Bildung ist das staatliche Bildungswesen zuständig. Im ERgebnis wollte ich „nur“ aussagen, dass nicht der Anpassungsdruck zu Radikalisierung führt, sondern mangelnde Bildung.

  7. posteo.de sagt:

    Wenn fast nur junge Muslime befragt wurden, ist die Studie nicht aussagekräftig, denn es fehlt eine entsprechende Vergleichsgruppe.
    Eine ideale Vergleichsgruppe zu den überwiegend sunnitischen Jugendlichen wären Aleviten, die als Türkischstämmige in ihren Namen, Alltagsgewohnheiten und sozialen Ausgangsbedingungen (Gastarbeiterkinder) von den türkischstämmigen Sunniten für die Mehrheitsgesellschaft nicht unterscheidbar sind.

  8. kosmopolit sagt:

    Zum Thema Anerkennung
    Folgende Sätze stammen vom Historiker Walter Laqueur, geboren 1921 in Breslau und gilt als Vater der Terrorismusforschung. Er hat mit seinem umstrittenen Essay 2006 „Die letzten Tage von Europa“ für Aufsehen gesorgt. Darin sagt er Europa einen Abstieg aus eigenem Versagen in die politische Bedeutungslosigkeit voraus. Etwa die Hälfte der muslimischen Einwanderer in Europa hat erklärt, dass eine Integration in die jeweiligen europäischen Gesellschaften für sie nicht in Frage komme, da sie in krassem Widerspruch zu den Geboten ihrer Religion und Tradition stehe. Weiter führt er aus; Diese Radikalität kommt dabei gar nicht aus tiefer, fundamentalistischer Religiosität. Die Radikalsten sind nicht die frömmsten Gläubigen. Sie sind vielmehr eine Generation der Verbitterung, denn anders als andere Gruppen haben sie es zu nichts gebracht. Ihre Ideologie ist eine Mixtur aus religiösen und nationalistischen Elementen, kombiniert mit einer enormen Menge von Verschwörungstheorien und die zweite und dritte Generation der Einwanderer sind tendenziell radikaler als ihre Eltern. Seine abschließende Frage: Wie weit werden die europäischen Gesellschaften gehen, um einer schnell wachsenden Minderheit Platz zu bieten, die nicht nur vor großen Schwierigkeiten bei der sozialen und kulturellen Integration steht, sondern sich ihr in beträchtlichem Ausmaß widersetzt?
    Fazit: Heute, 2015, kann man sagen, wie recht er hat. Europa ist auf dem besten Weg sich abzuschaffen. Der Orient hält Einzug in Europa, mit seinen kulturellen Verwerfungen um so mehr, sollte der Familiennachzug geregelt werden, das einem demographischen Dschihad gleich kommt.
    Jedenfalls kann man die osteuropäischen Staaten verstehen, die sehen, was im Westen, bezüglich dem Islam, so abläuft. Leider ist nicht zu hoffen, dass die politische/religiöse Elite aus der Geschichte lernen würde. Schließlich besteht jene Elite zumeist aus Menschen, die einerseits über zu geringe Qualifikationen und andererseits nicht das richtige Profil verfügen, um die Interessen des Volkes umzusetzen, dessen Aufgabe es ja wäre. Ob das Frau Merkel stört?

  9. Han Yen sagt:

    Selten so einen Unsinn gelesen, was meinen Verdacht bestätigt, dass die deutsche Migrationsforschung nur den Zweck hat, Munition für politische Interessen zu liefern.

    Assimilationsdruck hat noch nie jemanden zum Terroristen gemacht. Weder in Deutschland, Frankreich, UK noch in den Niederlanden gibt es so etwas wie Assimilationsdruck. Was es gibt, es gibt Ausgrenzungspolitiken seitens der Kommunen, Vermieter, Arbeitgeberseite, Gewerkschaften und dem Lehrkörper. Ausgrenzungspolitik ist genau das Gegenteil von Assimilationsdruck ausüben.

    Niemand fordert andere kulturelle Lebensweisen anzuerkennen, das bilden sich weiße Medien einfach nur ein. Andere „kulturelle Lebensweisen“ sind bereits anerkannt, und zwar vom Zollamt und von den Unterhaltungsmärkten. Übrigens konsumieren die Migranten einen Mix aus Unterhaltungsmärkten aus den USA, BRD und dem Auswanderungsland.

    Die Kultur der Zuwanderer ist bereits ausreichend anerkannt vom Zollamt. Auf wissenschaftliche Güter wird nur ein verminderter Zoll erhoben aus den Auswanderungsländern.
    Für Bücher, Karten und Videospiele gibt es Übersetzungsfonds.

    So etwas wie eine kulturelle Lebensweise unter Zuwanderern gibt es nicht, die Grunderfahrung in Europa ist, dass man zum Schwarzen gemacht wird, zum Zigeuner gemacht wird oder zum Polaken gemacht wird. Diesen Prozeß nennt man Ethnisierung.

    Die einzigen Gruppen bei denen man von der Anerkennung ihrer kulturellen Lebensweise sprechen kann sind nationale Minderheiten wie Sorben, Dänen und Friesen. Das ist aber bereits lange geschehen. Schulen und Kindergärten sind autonom.

    Bildung wird niemals das Problem der Zuwanderer lösen, weil nämlich der Bildung vorgeschaltet, die Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt alle Bildungsbeflissenheit von vorn herein verhindert. Das hat einen ganz einfachen Grund, die Kommunen wollen Besserverdienende in den Schuleinzugsbezirken halten, um ihre Kommunalfinanzen im Plus zu halten, deswegen drängen sie systematisch Zuwanderer ab, damit die Mittelschichtskinder nicht mit Migranten-Kinder zusammen lernen müssen. Das geht mit den Mitteln der Sanierungspolitik. Vermieter fürchten sich um die Vermietbarkeit ihrer Wohnungen, wenn die nicht-weiße Mieter-Quote zu hoch ist, daher bekommen sie auch so schwer eine Wohnung in einem Schuleinzugsbezirk mit einer qualitativ guten Schule.

    Der Wohnungsbestand in der BRD befindet sich zu zwei Drittel im Streubesitz. Daher ist es nicht so einfach, der Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt Herr zu werden, um die Diskriminierung in den Bildungsinstitutionen in den Griff zu bekommen.

    Migrations- und Integrationspolitik ist eigentlich ein Problem der politischen Ökonomie. Die Pädagogen haben illegitimerweise aus sehr eigennützigen Gründen, den Themenbereich pädagogisiert. Selbstverständlich haben sie aber eigentlich keine Lösungskompetenz, sondern sind ständig damit beschäftigt neue Branding für ihre Karriere-Interessen zu erfinden: Interkulturelle Pädagogik, Multikulturelle Pädagogik, Integrationspädagogik, Inklusionspädagogik, Pädagogik der Vielfalt, anti-rassistische Pädagogik. Migrations- und Integrationspolitik ist keine ABM Maßnahme für weiße, deutsche Frauen.

    Die einzigen transnationalen Gruppen die für eine staatliche Anerkennung in Frage kommen sind Weltanschauungsgemeinschaften und Glaubensgemeinschaften. Zuwanderer wollen aber in der Mehrheit weder Weltanschauungs- noch Glaubensgemeinschaften anerkennen, denn dann müßten sie auch die katholische Kirche anerkennen. Was meinen sie, wie viele Diktatoren ihr Vermögen bei der Vatikan Bank angelegt haben, und wie viel Geldwäsche über den Vatikan läuft. Der Vatikan weigert sich seit Jahren Bank Bilanzen transparent zu machen.

    Außerdem arbeitet der Vatikan der Pharma Industrie zu, um komplette Staaten von AIDS Medikamenten abhängig zu machen durch seine Ablehnung von Kondomen.

    Die aus Kinderarbeit stammenden Grabsteine auf den katholischen Friedhöfen ist eine Schande. Die Katholiken sind für ihre Kirchenoberhäupter zur Verantwortung zu ziehen.

    Außerdem haben wir eine offene Flanke gegenüber us-amerikanischen Evangelikalen, die hier unseren Staat unterwandern wollen. Es sind gar nicht die Salafisten, die am gefährlichsten sind. Fragen sie einmal einen Religionswissenschaftler, was die Evangelikalen hier so treiben. Sie streben ganz offen öffentliche Ämter an.

    Außerdem ist die Rolle des Vatikans im Kalten Krieg immer noch nicht ganz aufgearbeitet, so dass man sie zwingen sollte, ihre Archive zu öffnen.

    Auch den Islam brauchen wir nicht anzuerkennen, weil das bereits durch das Vereinsrecht und das Gemeinnützigkeitsrecht geschehen ist. Der Islam war schon immer dezentral organisiert gewesen ohne die starren hierarchischen Strukturen, die man von Protestanten und Katholiken kennt. Die Großkirchen haben durch ihre Hierarchien jahrhundertelang die Demokratie und die Aufklärung bekämpft. Ein dezentraler Islam ist wesentlich besser für die Demokratie, weil es dann mehr Häretiker gibt. Christen sind per se demokratie-feindlich, das hat die Geschichte immer wieder bewiesen.

  10. Gerda von der Weide sagt:

    Aber lieber Han Yen eigentlich bestätigst du ja mit deiner Meinung das was du als Unsinn bezeichnest. Genervt bist du doch nur von der Begrifflichkeit. Du hättest lieber Assimilationsdruck durch Ausgrenzungspolitik ausgetauscht. So habe ich dich verstanden.