Islam-Experte
Muslimischer Wohlfahrtsverband muss sich von unten entwickeln
Bisher wird Bildung, Jugendarbeit, Betreuung von Senioren oder Flüchtlingshilfe in den rund 2.600 Moscheegemeinden fast ausschließlich ehrenamtlich geleistet. Das muss sich ändern, sind Islam-Experten überzeugt - und zwar schnell.
Von Martina Schwager Freitag, 18.12.2015, 8:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 10.01.2016, 23:51 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der Osnabrücker Islamexperte Rauf Ceylan hat die Moscheegemeinden in Deutschland aufgefordert, professionelle Strukturen in der Sozialarbeit aufzubauen. „Wir dürfen nicht warten, bis die Bedingungen für die Gründung eines muslimischen Wohlfahrtsverbandes geklärt sind“, sagte Ceylan dem Evangelischen Pressedienst.
Vor allem angesichts der starken Zuwanderung von Muslimen müsse schnell reagiert werden, sagte Ceylan. Ohne professionelle Strukturen seien Flüchtlingshilfe und Integrationsarbeit kaum zu leisten. Caritas oder Diakonie hätten eine gewachsene Struktur und viel Know-how im Hintergrund und seien hoch willkommen. „Wenn ein Ehrenamtlicher aus einer Moscheegemeinde in einem Erstaufnahmelager anklopft, ist man dort zurecht erst mal skeptisch.“
Bisher würden frühkindliche Bildung, Jugendarbeit, Betreuung von Senioren oder Flüchtlingshilfe in den rund 2.600 Moscheegemeinden fast ausschließlich ehrenamtlich geleistet. Ein Konzept, theologische und arbeitsrechtliche Grundlagen für einen muslimischen Wohlfahrtsverband zu entwickeln, sei aufwendig. „Das wird noch Jahre dauern“, sagte Ceylan. Deshalb müssten parallel zu Diskussionen auf politischer Ebene bereits jetzt vor Ort Fakten geschaffen werden.
Eigens gegründete Vereine könnten Sozialpädagogen einstellen, die Konzepte und Projekte etwa in der Jugendarbeit entwickeln, erläuterte Ceylan. Mit konkreten Projekten könnten sich Gemeinden um die Anerkennung als Jugendhilfeträger bemühen und Gelder einwerben. „Man kann nicht von oben sagen: Wir sind jetzt ein Wohlfahrtsverband. Eine solche Organisation muss von unten entstehen.“
Ceylan und der Islamwissenschaftler Michael Kiefer zeigen in ihrem neuen Buch „Muslimische Wohlfahrtspflege in Deutschland“ Wege zu einem Wohlfahrtsverband auf. Muslimische Verbände fordern diesen seit Monaten. Auch Vertreter der Bundesregierung hatten sich auf einer Islamkonferenz im November dafür ausgesprochen.
Einen großen Bedarf gebe es vor allem in der Altenhilfe, der Jugendhilfe und bei den Kindertagesstätten, sagte Ceylan. Darüber hinaus müsse kritisch geprüft werden, ob es sinnvoll sei, alle Bereiche abzudecken. Andere Wohlfahrtsverbände seien schon sehr weit in der kultursensiblen Pflege und kooperierten gut mit den muslimischen Verbänden.
Die Universität Osnabrück werde demnächst als erste in Deutschland den Studiengang „Muslimische Sozialarbeit“ anbieten. In drei bis vier Jahren könnten die ersten Absolventen in muslimischen Organisationen dann als Streetworker, in der Salafismus-Prävention oder als Sozialarbeiter in Gefängnissen arbeiten. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft
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