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Foto: e³°°° auf flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Wahre Begebenheit

Wie deutsche Gesetze Frauen in Schein- und Zwangsehen treiben

Scheinehen und Zwangsehen sind zwei Übel. Sie sind immer wieder Thema in der Öffentlichkeit – meist forciert vom Gesetzgeber, der Politik. Wie die Geschichte von Julia zeigt, sind es aber gerade deutsche Gesetze, die Frauen in Schein- und Zwangsehen treiben.

Von Julia Rose Freitag, 04.12.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 09.12.2015, 16:12 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Als 18-jährige junge Studentin bin ich nach Deutschland eingereist. Ich war voller Hoffnung auf ein neues Leben. Ich habe mich gut integriert, Freundschaften geschlossen, Abschlüsse gemacht und galt als „Mustermigrantin“. Vermutlich war ich eine der verhassten „Wirtschaftsflüchtlinge“, gegen die „Pegida“, Angela Merkel und Der Spiegel Konsens finden.

Natürlich wurde ich nie so behandelt. Denn ich hatte einen deutschen Freund. Er wurde schnell zu einer Art Vermittler zwischen mir und dem Rest der Gesellschaft. Je mehr er mir aber „Deutschland“ erklärte, desto mehr isolierte ich mich. Ich merkte zunehmend, dass meine beruflichen und akademischen Erfolge weniger mit meinen Mühen als mit ihm zusammen hingen. Mein Chef etwa sagte in Anwesenheit von Arbeitskollegen einmal zu mir: „Dein Deutsch ist so gut, du hast bestimmt einen deutschen Freund, wahr?“ Nein, natürlich hatte es nichts mit den vielen Stunden in der Bibliothek und den zahlreichen Büchern zu tun, die ich für die Uni oder aus eigenem Interesse lies. Es musste an meinem deutschen Freund liegen.

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Der deutsche Freund wurde irgendwann mein deutscher Mann. Wir waren jung, Anfang 20, und wir lebten schon seit ein paar Jahren zusammen, unsere Familien kannten sich, die meisten interkulturellen Konflikte waren schon überwunden. Dass es nicht geklappt hat, hängt vermutlich damit zusammen, dass wir voreilig waren. Im Fall von binationalen Paaren entwickelt sich zudem eine Art Beziehungsmuster, das allmählich eine innere Hierarchie zwischen den Partnern aufbaut.

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Nicht alle, aber manche binationale Paare finden in der Ehe einen Ausweg aus den tausend Einwanderungseinschränkungen und bürokratischen Vorgängen – dies war zumindest bei uns der Fall. Als Freunde durften wir beispielsweise nicht zusammen in die USA reisen, denn für mich galten komplizierte Visabestimmungen; als Freunde durften wir unseren Haushalt nur mit bescheidenen Mitteln finanzieren, denn ich als Nicht-EU-Ausländerin durfte eine gewisse wöchentliche Arbeitszeit nicht überschreiten oder Sozialleistungen beziehen. Wir dachten, anstatt mit all diesen Einschränkungen leben zu müssen, könnten wir uns einfach das Ja-Wort geben und unser Leben etwas erleichtern – nichts Unübliches unter Paaren, ob mit oder ohne Binationalität.

Wenn ich unsere Geschichte erzähle, fühle ich mich verpflichtet zu betonen, dass es sich um keine Scheinehe gehandelt hat. Denn viele nicht-europäische Migranten stehen bei einer Eheschließung mit einem Deutschen unter diesem Verdacht. Die damalige Naivität hatte mich verhindert zu bemerken, dass dieser Gedanke wahrscheinlich in den meisten Köpfen auf unserer Hochzeit schwirrte. Einer der Gäste wollte sich unbedingt mit Bräutigam und Braut mit einer roten Clownsnase fotografieren lassen, was mir damals als irgendeiner seiner tausend Scherze vorkam.

Als es zwischen meinem ehemaligen Partner und mir aus war und wir unsere Ehe für gescheitert erklären mussten, spürte ich erneut die genaue Bedeutung des Begriffes ‚Ausländerin‘. Abgesehen von der emotionalen Belastung, die mit der Trennung und Scheidung einhergingen, musste ich diesmal einen extra bürokratischen Last tragen. Als Nicht-EU-Familienangehörige ließ sich zum Beispiel mein Status nicht auf ein „Studentenvisum“ herunterstufen. Ich war also in einer Situation, in der ich nicht mal mein einstiges Leben wiederherstellen konnte. Beratungsstellen konnten mir nicht weiterhelfen und an den starken gesellschaftlichen Druck kann ich mich genau erinnern.

Dies führte dazu, dass mein Ex-Mann und ich offiziell Ehepartner blieben, bis ich mit meinem Studium fertig wurde. Wir wurden also in gewisser Weise in die Scheinehe getrieben. Dies hatte verheerende Auswirkungen auf unsere noch bis dahin gesunde Beziehung und wir versanken in einen Teufelskreis von Kodependenz und emotionaler Instabilität. Aus der Ehe blieb am Ende nicht einmal mehr eine Freundschaft.

Es ist nicht meine Absicht, dem deutschen Staat Schuld daran in die Schuhe zu schieben, aber deutsche Einwanderungspolitik sowie weit verbreitete Stereotypen über binationale Paare tragen zu sozialer Isolation von migrantischen Frauen bei, die mit deutschen Männern verheiratet sind – vor und nach der Ehe.

Wenn ich heute darauf zurückblicke, vermute ich, dass vieles hätte auch genauso passieren können, wäre ich eine deutsche Staatsbürgerin gewesen. Nichtsdestotrotz scheint meine Geschichte die der vielen Frauen zu widerspiegeln, die keinen deutschen Pass besitzen, egal wie gut sie in die deutsche Gesellschaft integriert sind. Dass die zivilrechtlichen Lebensbedingungen einer Migrantin von der Figur ihres deutschen Mannes oder ihrem Familienstand abgeleitet werden, ist nicht nur problematisch und emotional belastend, sondern eine systematische Praxis, die aus einem patriarchalen und nationalistischen Gedankengut stammt.

Für viele verheiratete Migranten bleibt ein Leben in Deutschland ohne ihre deutschen Lebenspartner unvorstellbar und unerträglich. Nicht-EU-Ausländer werden systematisch ausgeschlossen aus dem Arbeitsmarkt, Bildungssystem und damit auch aus der Gesellschaft.

Dabei muss Liebe ein individuelles Recht sein, unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Wenn an das Ende der Liebe Sanktionen und juristische Einschränkungen geknüpft werden, werden Scheinehen gewissermaßen erzwungen. Ich hatte das Glück, dass mein Partner mich nicht missbrauchte. Das ist nicht in jeder Beziehung so. So kommt es vor, dass Gesetze Menschen dazu zwingen, sich mit kaputten Eheverhältnissen zu arrangieren.

Da stellt sich folgende Frage: Spielt es eine Rolle, ob Menschen mit einem drohenden Übel zur Schließung einer Ehe gezwungen werden, oder ob sie mit einem drohenden Übel zur Aufrechterhaltung einer Ehe gezwungen werden? Auch deshalb werden mir Deutschland und seine Behörden immer in Erinnerung bleiben. Leitartikel Meinung

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  1. Felix Helmbrecht sagt:

    Liebe Frau Rose,
    es zeigt sich, wie wichtig kompetente Beratung ist. Natürlich zwingt das deutsche Recht nicht in Scheinehen (für die Visapolitik der USA ist nicht die BRD verantwortlich) oder zum Verbleib in einer gescheiterten Ehe. § 31 AufenthG ermöglicht gerade in dieser Fallkonstellation ein eigenständiges nacheheliches Aufenthaltsrecht, im ersten Jahr sogar ohne eigenständige Lebensunterhaltssicherung! Also: die Verantwortung für Lebensentscheidungen trifft jeden selbst. LG Felix

  2. Sami sagt:

    @ Helmbrecht

    Der von Ihnen aufgeführte Paragraph ermöglicht in dieser Konstellation eben kein eigenständiges Aufenthaltsrecht. Im Gesetz ist die Rede von „besonderer Härte“. Der Frau müsste bei einer Scheidung „eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange“ drohen im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland. Im Gesetz ist auch die Rede von Gewalt in der Ehe als möglicher Grund. Das alles liegt bei dieser Frau offenbar nicht vor. Was nu?

  3. Regina Neureich sagt:

    Ja, das durfte ich auch miterleben. Im ersten Land war keine Heirat möglich, da Asylbewerber dort nicht heiraten konnten. Eine registrierte Partnerschaft war schon möglich, eine Aufenthaltserlaubnis für den drittstaatlichen Partner einer freizügigen Europäerin war dennoch nicht drin, da im betreffenden Land die registrierte Partnerschaft einer Ehe nicht gleichwertig ist. Vor dem Gericht wartet man 8 Jahre auf einen Bescheid, nachdem man sämtliche Instanzen durchlaufen muss. Danach erst darf man sich dann beim Europäischen Gerichtshof beschweren. Teures Geld für die Gerichtskosten und für den Anwalt. Dann als Asylbewerber in ein anderes Land, dort wiederum gibt es keine registrierte Ehe zwischen verschiedengeschlechtlichen Partnern, also ist ein Aufenthalt zusammen dort auch wieder nicht möglich. Ok, dann eben Ehe, was solls. Von Behörde zu Behörde laufen, jede möchte andere Papiere. Einige Staatsdiener schicken einen absichtlich auf falsche Fährten, schlagen einem diese und jene Lösung vor, von der sie genau wissen, das es sie nicht gibt. Schlagen einem vor, „Sie können den Herren ja adoptieren!“ , oder, wenn man sagt, wieviel Geld man schon für diesen Papierkram rausgeworfen hat „tja, eine Hochzeit kostet eben“. Viele kennen Gesetze garnicht, lassen sich auch nicht von Beschlüssen des europäischen Gerichtshofes beirren „hier gelten die Gesetze dieses Landes“. Meldezettel, Ehefähigkeitszeugnisse (alles mit Postille oder sogar Verifikation durch die Botschaft des europäischen Landes im außereuropäischen Land, die jedoch alles tut, um eine Heirat zu verhindern). Für eine Hochzeit, die jetzt wirklich nur für die Papiere ist, da man dazu gezwungen wird – von Europa. „Siehst Du, es handelt sich hier also wirklich um eine Scheinehe, nur wegen der Aufenthaltspapiere“ heißt es dann vermutlich von Behördenseite. Ohne eine Ehe aber darf man nicht mit demjenigen, den man liebt, im selben Staat leben, man muss erst durch die langjährige Feuerprobe des Spießrutenlaufs durch sämtliche Behörden beweisen, dass man einen nicht-weißen, moslemischen Drittstaatsangehörigen wirklich lieben kann. Endlich findet man ein Standesamt, dem die Papiere ausreichen, so wie sie sind. Tja, aber kein Termin frei, entweder 4 Monate warten, oder aber viel Geld ausgeben für die Hochzeit. Vom letzen Geld kauft man ein neues Kleid (19.95 Euro). Für andere Sachen wie Feier oder Hochzeitsreise oder gar Trauringe gibt es keins mehr. Wird in die Zukunft verschoben, wenn man seine Schulden abgezahlt hat. Also schnell ins Standesamt rein und 3 Kreuze geschlagen, wenn die Zeremonie fertig ist. Alles hat 4 Jahre gedauert und die Europäerin 14000 Euro gekostet. Man hat diese 4 Jahre gebangt, gehofft, gebangt, gehofft, verzweifelt, geschrieen, mit Selbstmord gepielt. Jeden einzelnen Tag hat man mit seinem Partner damit verbracht, über das Thema Zusammenbleibenkönnen, Hochzeit, Aufenthaltspapiere etc. zu sprechen. Eigentlich müsste ja der Fakt, dass man trotzdem immer noch zusammen ist, genug Beweis sein dafür, dass es sich um keine Scheinehe handelt. Aber jetzt steht dann noch der Besuch der Ausländerpolizei ins Haus. Wenn sie kommt und die Zahnbürsten kontrollieren will, dann wird ihr die Tür vor ihrer Nase zugeschlagen, im besten Fall. Es gab vor langer Zeit einmal ein Grundgesetz, dass Menschen das Recht auf freie Wahl des Ehepartners und ungestörtes Familienleben gab. Habt Ihr davon schon einmal gehört? Ich habe jedenfalls gesehen, wieviel davon in der Praxis übrig ist. Wie krank ist man eigentlich hier in Europa? Wie sadistisch die Behörden? Wie rassistisch? Und es geht vielen Paaren so, hier im Europa der Menschenrechte. Einem Paar mit Kind wird seit Jahren die Aufenthaltsgenehmigung verweigert. Einem anderen sagt man, „macht erstmal ein Kind, dann sehen wir weiter“. Ich kann mittlerweile nur noch raten: Verliebt Euch nie in einen nicht-europäischen Partner. Bleibt bei weiß und christlich. (Ich hoffe, Ihr versteht meine Ironie). Nur so dürft Ihr in Europa ungestört Eure Liebe leben. Den Behördenmenschen, die hier mitlesen, kann ich nur bestätigen: ihr tut Eure Arbeit sehr gut. Europa muss weiß und christlich bleiben. Euer Staat braucht Geld, deshalb tut Ihr gut dran, über Leichen zu gehen und die Gesetze so auszulegen, wie Ihr persönlich es gutheißt. Das Grundgesetz muss nicht beachtet werden, ganz recht. Europa kann stolz auf Euch sein!

  4. Mike sagt:

    „Der von Ihnen aufgeführte Paragraph ermöglicht in dieser Konstellation eben kein eigenständiges Aufenthaltsrecht. Im Gesetz ist die Rede von „besonderer Härte“. Der Frau müsste bei einer Scheidung „eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange“ drohen im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland. Im Gesetz ist auch die Rede von Gewalt in der Ehe als möglicher Grund. Das alles liegt bei dieser Frau offenbar nicht vor. Was nu?“

    Wenn die eheliche Lebensgemeinschaft mind. drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat, wird die Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht -auch ohne besondere Härte- verlängert, § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Wie lange die eheliche Lebensgemeinschaft hier tatsächlixch bestand, konnte ich aus dem Artikel nicht erkennen.