„Onkel“ Mustafa
Die Welt aus den Augen der ersten Generation
Interview mit Mustafa „amca“ („Onkel“ Mustafa) an einem Sonntagnachmittag bei Kaffee & Kuchen. Mustafa Solmaz (geb. 01.06.1948) ist ein sog. Gastarbeiter der ersten Generation in Deutschland. Er kam im Juni 1971 nach Berlin und arbeitete ein Jahr bei Siemens und anschließend 24 Jahre lang in einer Firma für Fahrstuhlbau. Fünf Monate nach seiner Ankunft holte er seine Ehefrau Perihan im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland.
Von Gülçimen Güven Freitag, 20.11.2009, 8:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 1:11 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
MiGAZIN: Wie haben Sie sich entschlossen nach Deutschland zu kommen? Wie lange wollten Sie bleiben?
Mustafa Solmaz: Ich war jung und lebte in einem Vorort von Konya. Wenn man jung ist, hat man keine Angst und man denkt auch nicht nach, sondern handelt. Überall wurden Arbeiter angeworben und so meldete auch ich mich. Ich wollte nach Deutschland und Geld verdienen. Wann ich zurückkehren wollte, wusste ich noch nicht, aber in jedem Fall wollte ich widerkommen, denn ich ließ Frau, Kind, Familie und viele geliebte Menschen zurück.
MiGAZIN: Wie haben Sie sich auf Deutschland vorbereitet? Könnten Sie uns den ersten Tag in Deutschland beschreiben? Hatten Sie eine Ausbildung, wie war Ihr Gesundheitszustand bevor Sie nach Deutschland kamen?
Solmaz: Ich hatte die Grundschule besucht und ich war bei bester Gesundheit. Man konnte sich nicht auf Deutschland vorbereiten. Man bewarb sich als Arbeiter, wurde zur Untersuchung nach Istanbul bestellt und dann erfuhr man, ob man von dort aus weiterflog oder zurück in sein Dorf ging. Diese ärztliche Untersuchung entschied über die Deutschlandtauglichkeit. Es war wie auf dem Pferdemarkt, denn sogar meine Zähne wurden auf ihren Zustand hin untersucht. Ich erhielt ein Gesundheitszeugnis und erfuhr, dass ich nach Berlin kommen würde. Neugierig war ich sehr auf Deutschland und auch auf die deutsche Sprache.
Als das Flugzeug auf dem Flughafen Tempelhof landete, war die Aufregung groß. Ja, damals landeten die Flugzeuge auf dem Flughafen Tempelhof. Jeder erhielt nach dem Ausstieg ein Begrüßungsgeld in Höhe von 20 DM und in kleinen Gruppen wurden wir mit dem Taxi in Heime gefahren. Wir wurden erwartet und fühlten uns sehr wichtig. Ich kam in ein Heim am Halleschen Tor und die Freundschaften, die ich dort schloss, halten bis heute noch.
MiGAZIN: Was waren Ihre Erwartungen? Träume?
Solmaz: Ich wollte so schnell wie möglich viel Geld verdienen und von diesem Geld in der Türkei Grund und Boden kaufen.
MiGAZIN: Wie viel Geld wollten Sie verdienen?
Solmaz: *Auf diese Frage bekomme ich nur ein Kopfschütteln, dass man nicht über Geld spricht.*
MiGAZIN: Gab es Treffpunkte oder Moscheen, wo gesellschaftliches Leben stattfand?
Solmaz: Nach 1974 wurden Moscheen eröffnet und ich besuchte diese. Türkische Männercafes gab es vereinzelt, aber da ich Glücksspiele nicht mag, ging ich nie in ein solches Cafe. Ich profitierte von denen, die vor mir schon als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen waren, denn diese hatten schon ein Fundament gelegt.
MiGAZIN: Hatten Sie Kontakt zu Deutschen? Freunde?
Solmaz: Ich wollte keine Freundschaften mit Deutschen schließen und habe es auch nicht getan. Man arbeitete zusammen und war dort Kollege und nach Feierabend hatte man nichts mehr miteinander zu tun. In der Fabrik wurde man direkt als „Gastarbeiter“ angesprochen, Namen waren unbedeutend. Gesellschaft
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