Terror in Paris
CSU schlägt Bogen zur Flüchtlingspolitik
CSU-Politiker fordern nach den Pariser Anschlägen eine Verschärfung der Flüchtlingspolitik. Von einem Generalverdacht gegen Flüchtlinge warnen indes die CDU, der Verfassungsschutz und Experten. Unterdessen brennt in Usedom eine Flüchtlingsunterkunft.
Montag, 16.11.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 19.11.2015, 17:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Nach den Terroranschlägen von Paris verschärft sich der Ton in der deutschen Flüchtlingsdebatte. Der CSU-Politiker Markus Söder sagte: „Paris ändert alles.“ Die Zeit unkontrollierter Zuwanderung und illegaler Einwanderung könne so nicht weitergehen. Auch CSU-Chef Horst Seehofer verlangte: „Wir müssen uns umgehend wieder Klarheit verschaffen, wer in unser Land kommt, wer durch unser Land fährt und wer sich hier aufhält.“ Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warnte hingegen, von den Anschlägen vorschnell einen „Bogen zur Debatte um das Thema Flüchtlinge“ zu schlagen.
Die stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Armin Laschet und Julia Klöckner mahnten ebenfalls zur Besonnenheit. „Die Tat in Paris ausgerechnet mit dem Asylschutz für diese IS-Opfer und der Zuwanderungsdebatte in Verbindung zu bringen, ist unverantwortlich“, sagte Laschet der Rheinischen Post. Klöckner sagte dem Boulevardblatt Bild, Flüchtlinge dürften jetzt nicht pauschal verurteilt werden: „Die Menschen, die zu uns kommen, fliehen gerade vor dem Terror, den wir in Paris gesehen haben.“
Gabriel: Flüchtlinge fliehen vor Terror
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel warnte davor, Menschen nun darunter leiden zu lassen, dass sie aus Regionen geflohen sind, „aus denen der Terror in die Welt getragen wurde. Auch vor ihnen stehen wir schützend“. Sie dürften nicht verantwortlich dafür gemacht werden, „dass Mörder in Frankreich vermeintlich im Namen einer Religion Menschen bedrohen“, sagte der Vizekanzler.
Der bayerische Finanzminister Söder sagte dagegen der Welt am Sonntag, Europa müsse sich besser schützen vor Feinden, die vor nichts zurückschrecken. „Nicht jeder Flüchtling ist ein IS-Terrorist“, sagte er. „Aber zu glauben, dass sich kein einziger Bürgerkrieger unter den Flüchtlingen befindet, ist naiv.“ Frankreich habe seine Grenzen geschlossen: „Das sollten wir uns auch vorbehalten. Viele Flüchtlinge sind nicht registriert, weil sie über die grüne Grenze gekommen sind. Es kann nicht sein, dass wir nicht wissen, wer nach Deutschland kommt und was diese Menschen hier machen.“ Der CSU-Vorsitzende Seehofer verlangte: „Es müssen wieder die Regeln des Rechts zur Geltung kommen, die leider seit vielen Wochen nicht mehr eingehalten werden.“
Verfassungsschutz: Warnung vor Generalverdacht
Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen warnte vor einem Generalverdacht gegen Flüchtlinge. Er sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Es ist möglich, dass mit den Flüchtlingen auch Terroristen kommen, aber wir halten das für weniger wahrscheinlich.“
Derweil befürchten Experten und Migrantenverbände einen Anstieg gegen Flüchtlinge und Muslime. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, etwa befürchtet, dass die Anschläge eine neue Welle der Islam-Feindlichkeit hervorrufen. „Im Moment herrscht in Deutschland wegen der Flüchtlingskrise sowieso eine sehr angespannte Situation und rechtspopulistische Gruppen wie ‚Pegida‘ oder die AfD werden das für sich ausnutzen“, warnte Sofuoglu in der Stuttgarter Zeitung.
Extremismusforscher: Nicht zerreißen zu lassen
Auch der Extremismusforscher Andreas Zick warnt vor einem Klima von Verdächtigungen und Diskriminierungen. Die Zivilgesellschaft dürfe sich „nicht zerreißen zu lassen und die Terrorangst in Verdächtigungen und Diskriminierungen von Gruppen münden lassen“, sagte der Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst. „Das ist Wasser auf die Mühlen des Terrors.“ Wahllose Verdächtigung und Verschwörungstheorien würden in Bedrohungslagen wenig helfen.
Unterdessen wurde bekannt, dass auf der Insel Usedom in der Nacht zum Sonntag eine geplante Unterkunft für Flüchtlinge ausgebrannt ist. Wie die Polizei in Neubrandenburg mitteilte, handelt es sich um ein zweigeschossiges ehemaliges Verwaltungsgebäude einer Metallbaufirma. In dem Gebäude waren vier Wohnungen eingerichtet worden. Dort sollten 15 Flüchtlinge einziehen. Das Gebäude ist jetzt laut Polizei nicht mehr bewohnbar. Zur Brandursache lagen zunächst keine Angaben vor. Die Kriminalpolizei nahm die Ermittlungen auf.
Bestürzung nach Terroranschlag
Die Terroranschläge in Paris haben weltweit und auch in Deutschland Entsetzen und Fassungslosigkeit ausgelöst. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich nach der Anschlagsserie am Freitagabend mit 127 Toten bestürzt und sprach von einem „Alptraum von Terror, Angst und Gewalt“, den die Menschen in Paris durchleiden müssten. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die Anschläge als abscheuliche Verbrechen. Christen wie Muslime reagierten mit Bestürzung.
Bei der Anschlagsserie, die am Freitagabend an mindestens sechs verschiedenen Orten in der französischen Hauptstadt stattfand, kamen nach Angaben von Präsident François Hollande 127 Menschen ums Leben. Außerdem habe es zahlreiche Verletzte gegeben, erklärte Hollande am Samstag. Unmittelbar nach den Anschlägen hatte er den Ausnahmezustand über das ganze Land verhängt. „Frankreich ist stark. Selbst wenn es verletzt wird, steht es immer wieder auf“, versicherte der Präsident. Die Identität der Täter blieb zunächst unklar. Zu den Anschlägen hatte sich im Internet die Terrororganisation „Islamischer Staat“ bekannt. (epd/mig) Leitartikel Politik
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Die Tatsache, daß immer wieder und vermehrt Flüchtlingsunterkünfte abbrennen, scheint mir nicht so sehr auf Unvermögen der Sicherheitsorgane und -Behörden zurückzuführen zu sein, sondern vor allem auch auf deren mangelnden Willen. Es dürfte jedem hinreichend bekannt sein, daß jede Flüchtlingsunterkunft derzeit ein potentielles Ziel für einen Brandanschlag darstellt. Warum werden diese dann nicht bewacht? Technisch müßte es durchaus möglich sein, sie ausreichend mit Videokameras und anderen Anlagen so zu bewachen, daß Polizei und Feuerwehr schnell vor Ort sein und die Täter leichter identifiziert werden können. Das wäre auch kostengünstiger, als die abgebrannten Unterkünfte nachher wieder neu zu errichten.