Ein Vers, 70 Wörter
Wie viel Islam steckt in Deutschland?
Kaum hat Bundeskanzlerin Merkel wiederholt, dass der Islam zu Deutschland gehört, wird Kritik laut. CSU Politiker pochen, Deutschland sei christlich-jüdisch geprägt und nicht islamisch. Kaveh Ahangar ist ganz anderer Meinung. Schon die deutsche Sprache belege eine islamische Prägung.
Von Kaveh Ahangar Freitag, 03.07.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 07.07.2015, 15:50 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Es kommt immer wieder die Frage auf, ob der Islam und Muslime zu Deutschland gehören. Wenn man sich eingehender mit Geschichte beschäftigt, merkt man schnell, dass sich Ost und West immer schon gegenseitig befruchtet haben. In den Worten von Goethe: „Wer sich selbst und andere kennt/Wird auch hier erkennen: Orient und Okzident/Sind nicht mehr zu trennen.“ Allerdings ist anscheinend vielen Leuten entgangen, dass der Westen seit seiner Geburt bis hin zur Moderne vom sog. „Nahen und Mittleren Osten“ lernte. Die Islamische Welt z.B. hat Europa vom „Mittelalter“ bis zur Aufklärung in Sachen Wissenschaft, Technologie, Kunst und Kultur stark beeinflusst.
Nehmen wir beispielsweise die Sprache, die ja bekanntlich eine wichtige Voraussetzung für abstraktes Denken darstellt: Der Kontinent, der sich Europa nennt ist mythologisch gesehen die Tochter einer phönizischen Prinzessin. Zeus verliebte sich in sie und entführte Europa in Gestalt eines Stiers auf seinem Rücken nach Kreta. Dort verwandelte er sich wieder zurück und „bescherte“ Europa drei Kinder. Die erste europäische Schrift (griechisch), die sich aus der phönizischen entwickelte, ist genauso wie das Judentum, Christentum und der Islam aus dem Orient entsprungen. Die Aneignung des Fremden geschah manchmal gewaltsam wie bei Zeus, oft aber auch durch den Drang, Neues dazuzulernen. Seit den letzten 500 Jahren sind die europäischen Sprachen vor allem von arabischen und persischen Wörtern beeinflusst worden. Vielen Islamhassern scheint wohl nicht klar zu sein, dass ihr Wortschatz maßgeblich von Muslimen geprägt und weitergegeben wurde:
Zwischen 350 und 500 Wörter, die wir heute im Deutschen benutzen stammen aus dem Arabischen und über 200 aus dem Persischen. Die Grundlage dafür wurde gelegt durch die arabische Expansion im Mittelmeer (die Araber herrschten fast 800 Jahre lang in Südspanien), durch Handelsbeziehungen, die Kreuzzüge und die Jahrhunderte alte Beschäftigung von europäischen Übersetzern, Universalgelehrten, Handwerkern, Bürokraten und Wissenschaftlern mit orientalischem Wissen.
Hier einige Lehnwörter, die aus dem Arabischen über Umwege (v.a. via Spanien, Italien und Frankreich) ins Deutsche eingeflossen sind: Admiral, Arsenal, Algebra, Algorithmus, Alkohol, Atlas, Benzin, Chemie, Elixier, Giraffe, Gitarre, Haschisch, Havarie, Jacke, Kabel, Kajal, Kaliber, Kaffee, Kiffen, Lack, Mafia, Magazin, Marzipan, Maske, Matratze, Massage, Mokka, Mütze, Nadir, Natrium, Orange, Rabatt, Rasse, Razzia, Schachmatt, Safari, Satin, Sirup, Soda, Sofa, Talisman, Tarif, Tasse, Watte, Zenit, Ziffer, Zucker usw.
Aus dem Persischen kommen z.B. Aprikose, Artischocke, Aubergine, Bronze, Droge, Jargon, Jasmin, Karawane, Kaviar, Kiosk, Limone, Magie, Mumie, Narkose, Paradies, Pascha, Pfirsich, Pistazie, Pyjama, Risiko, Rose, Safran, Schakal, Schal, Scheck, Schikane, Spinat, Tapete, Teppich, Tiger, Tulpe etc.
Die deutsche, englische, französische, spanische und italienische Alltags- und Fachsprache ist also voll von arabischen und persischen Worten und Begriffen. Ohne dass wir uns darüber im Klaren sind, ist unser Wortschatz nur so gespickt von Arabismen und Iranismen.
Ein Vers, 70 Wörter
Die MATRATZE auf der du schläfst, die KARAFFE aus der du trinkst und die GITARRE auf der du spielst. Der ALKOHOL, der dich berauscht, der morgendliche KAFFEE, der so gut riecht und die TASSE aus der du schlürfst. Die weiße weiche ZUCKER-WATTE, deine angeblich noch so überlegene RASSE und selbst die Begriffsgeschichte von Worten wie JACKE, TARIF oder GIRAFFE sind alle – auch wenn du es nicht glauben willst – arabischen Ursprungs!
Genauso wie die RAZZIA, die Wurzeln der MAFIA und des ADMIRALS und selbst des Waffen-ARSENALS. Vokabeln wie KALIBER, ATLAS oder KABEL kommen aus dem Orient wie der hohe Turm zu BABEL. In Phönizien raubte Zeus damals EUROPA an der Küste. Verkleidet als ein Stier. Getarnt mit MASKE und MÜTZE. Bist du immer noch so skeptisch? Du bist mit deim‘ Latein noch lange nicht am Ende? Ach was, gib endlich auf. Dein deutscher Stolz ist SCHACHMATT.
Literaturtipps: Jamshid Ibrahim: Kulturgeschichtliche Wortforschung: persisches Lehngut in europäischen Sprachen, Wiesbaden 1991; Raja Tazi: Arabismen im Deutschen: lexikalische Transferenzen vom Arabischen ins Deutsche, Berlin 1998; Nabil Osman Kleines Lexikon deutscher Wörter arabischer Herkunft, München 2010
Wenn nicht, wird es Zeit, dass ich dich orientiere: Denn dein JARGON ist so persisch wie das Essen auf dem Tisch: SPINAT mit gebratener AUBERGINE. Selbst deine PFIRSICH-SODA-LIMONADE und MARZIPAN-Schokolade, dein ORANGEN-SIRUP und die Medaille aus BRONZE. Das Wort für ARTISCHOCKE oder LACK-Fleck auf dem TEPPICH sind entweder arabische oder persische Worte. Die PASCHA-SAFARI-KARAWANE, die MUMIE und die SCHAKALE. Die TULPE, der JASMIN, teurer KAVIAR und der KAJAL-Stift. Der ausgestopfte TIGER, die TAPETE an der Wand, das BENZIN im Auto und das MAGAZIN in deinem Schrank. Sie wanderten nach Deutschland wie die Vorfahren von SARRAZIN.
Worte wie HAVARIE, NATRIUM oder ASSASSIN. Sogar die ZIFFERN im ALGEBRA-Unterricht, der Computer-ALGORITHMUS und RABATT auf die MASSAGE. Deine tägliche NARKOSE: der HASCHISCH den du KIFFST. Die Zigaretten ausm‘ KIOSK und der SCHAL den du trägst, der PYJAMA mit dem du schläfst, während der Mond dich im ZENIT verzückt. Die dicken SCHECKS von denen du nächtelang träumst und auch der MAGISCHE TALISMAN sind Geschenke aus dem bombardierten PARADIES Afghanistans. Das Imperium SCHIKANIERT das sogenannte Morgenland mit ferngesteuerten Bomben für die großen Millionen. Profit: ihr ELIXIER.
Und du – sitzt jetzt betäubt auf deinem SOFA, lässt dich stundenlang berieseln von der giftigen CHEMIE medialer RISIKO-DROGEN. Warum zeigst du zur Abwechslung nicht mal ein wenig Dankbarkeit? Schenke den Menschen der Länder, die deine Sprache bereichern anstatt kultureller Arroganz, Kriege und Drohnen lieber ROSEN für den Frieden der Familien der Toten. Feuilleton Leitartikel Meinung
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500 Wörter fantastisch. Das ist kein großer Einfluss. Die deutsche Sprache hat 500.000 Wörter! Das Kernsubstrat des Deutschen sind germanische Dialekte und das Lateinische. Das sind unsere Wurzeln. Wie man beim Studium der Wörter oben feststellen wird, handelt es sich bei diesen sprachlichen Einflüssen fast überwiegend um solche aus der Welt der materiellen Güter. Denn was an geistigen Dingen von den Arabern übernommen wurde, wurde entweder sofort übersetzt oder man übernahm die griechischen Quellen aus dem Orient, ohne sich weiter um das Arabische zu kümmern.
„Der Kontinent, der sich Europa nennt ist mythologisch gesehen die Tochter einer phönizischen Prinzessin. Zeus verliebte sich in sie…“
Nun gehören bereits politheistische Mythen zum „Islam“ nur damit man Argumente hat, dass „der Islam“ zu Deutschland gehört? Das ist ja schön konstruiert.
Eine religiöse Lehre mit Absolutheitsanspruch steht im Selbstverständnis der gläubigen Religionsanhänger über aller Kultur. Als Kulturgut werden die beiden größten Weltreligionen zwar gerne aus rhetorischen Gründen zu verkaufen versucht. Sobald aber Zeus ein Bestandteil des Islams (oder auch Kant, Hume oder Epikur ein Bestandteil des Christentums) wird, ist doch recht gut durchschaubar, dass da jemand nicht versteht, was eine Religion mit Absolutheitsanspruch ist.
Das empfinde ich wirklich als lustig, wenn jemand versucht den Islam über den Arabismus Matratze nach Europa zu holen.
Hinweis:
Jim al-Kahlil: Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur
von Dietrich_Stahlbaum Pro @ 2014-12-25 – 21:21:31
Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur
→ http://zeitfragen-info-blog.blog.de/2014/12/25/jim-al-kahlili-haus-weisheit-arabischen-wissenschaften-fundament-unserer-kultur-19893259/
@“CSUler“:
genau, und wer braucht heute schon Mathematik, oder Bewässerungssysteme, Medizin… und auf die kulturellen Einflüsse (z.B. von Thomas von Aquin, der sich deutlich mit arabischem Wissen auseinandersetzt), kann ja heute auch getrost verzichtet werden, die haben unsere Kultur ja nicht geprägt…
Hinweis: der Autor bezeichnet sich als Rapper, dass da auf bestimmten Wörtern herumgeritten wird und nicht der große Rundumschlag auf alle Kulturgebiete gesucht wird, liegt irgendwie nahe (das da nochmal drauf hingewiesen werden muss!?)
@Ochljuff Der Titel „wie viel Islam steckt in Deutschland“ ist unsinnig und das wissen Sie ganz genau. Der Islam hat mit Giraffen, Mathematik und Giraffen per se nichts zu tun. Deutschland ist kein islamisches Land. Darum ist genauso angebracht, zu polemisieren.
Fest steht: Alles, was nach 1300 aus dem Orient kam, ist ziemlich bedeutungslos. 700 Jahre sind eine lange Zeit. Die arabische Philosophie, das arabische Wissenschaftssystem und die islamische Rechtslehre haben Europa seitdem fast gar nicht beeinflusst. Wenn es Errungenschaften gab, wurden sie weiterentwickelt. Mit Europa ist es wie mit den Griechen und dem Orient: Die Griechen haben viel übernommen und alles besser gemacht. Fest steht, dass man über die Araber Griechisches wiederentdeckt hat. Das hat aber nichts mit Islamrezeption zu tun.
Mit Verlaub, „Narkose ist aus altgriechisch νάρκωσις, nárkōsis entlehnt und seit dem 18. Jahrhundert im Deutschen nachweisbar. Verwandte Wörter im Griechischen sind das Verb ναρκάειν, narkáein, „betäuben“, „erstarren“ und das Substantiv νάρκη, nárkē, „die Lähmung“, „Schläfrigkeit“.“
Und dann wurde noch ein für Deutschland ganz wichtiger Begriff vergessen. „Der Ausdruck Arier (Sanskrit आर्य ārya,[1] avestisch airiia-, altpersisch ariya-;[2] Farsi آریایی âriyâyi, von einer indogermanischen Wurzel *ar- mit unsicherer Bedeutungsansetzung[3]) ist eine Selbstbezeichnung von Sprechern indoiranischer Sprachen. “
Quellen Wikipädia
Gehen wir noch weiter zurück zu unserem römischen Erbe, dann finden wir, daß ein Großteil des lateinischen Wortschatzes semitischen Ursprungs ist. Besonders auffällig sind hier einige Wörter mit großer Ähnlichkeit, wie lat. taurus = arab. ṯaur (thaur) „Stier“, lat. furnus = arab. furn „Backofen“, lat. cattus /-a = arab. qiṭṭ /-a „Katze“. In seinem Buch „Das arabische Latein“ führt der 2012 verstorbene Libyer Ali Fahmi Khuschaim eine große Zahl lateinischer Wörter auf semitische, bzw. arabische, Ursprünge zurück, wie selbst den Namen der Stadt Rom. Neuere genetische Untersuchungen haben erwiesen, daß die Etrusker, die nördlichen Nachbarn Roms, die im römischen Volk aufgegangen sind, aus Kleinasien stammten.
Dieses orientalische Erbe hat jedoch nichts mit der islamischen Religion zu tun. Die maltesische Sprache ist aus einem maghrebinisch-arabischen Dialekt entstanden, aber ihre Sprecher sind keine Muslime, sondern römisch-katholische Christen. Gemeinsamkeiten in einzelnen Wörtern und ganzen Sprachen stellen noch kein ausreichendes Argument gegen vermeintlich trennende Unterschiede in der Religion mit deren Werten und Kultur dar.
Wenn wir nach islamischem Erbe und Einfluß suchen, sollten wir vielleicht eher daran denken, daß der berühmte Thomas von Aquin in seiner christlich-scholastischen Theologie einiges von der islamischen theologischen Systematik übernommen hat.
Diejenigen Deutschen, die sich heute auf das „jüdisch-christliche“ Erbe berufen, scheinen zu übersehen, daß ihre christlichen Vorfahren die Träger eben jenes jüdischen Erbes jahrhundertlang als „Christus-Mörder“ diskriminierten und verfolgten und später als die Angehörigen einer „fremden“ und minderwertigen Rasse. Jetzt auf einmal berufen sie sich auf den jüdischen Teil dieses Erbes, um sich gegen Islam zu positionieren.
Vor allem auf Grund des gemeinsamen Textes des Alten Testaments der Bibel meinen sie, mit dem Judentum größere Gemeinsamkeiten zu haben als mit dem Islam. Die zehn Gebote und all die anderen jüdisch-christlichen religiösen Werte sind auch im Koran enthalten, auch wenn sie dort nicht wie in der Bibel, sondern anders formuliert sind. Tatsächlich sind die Gemeinsamkeiten des Christentums mit dem Islam größer als diejenigen mit dem Judentum, insbesondere auf Grund der Tatsache, daß die Juden Jesus Christus überhaupt nicht anerkennen, die Muslime ihn zwar nicht als Gottessohn und Teil einer göttlichen Dreieinigkeit, jedoch als einen bedeutenden Propheten und „ein Wort von Gott“ und „Geist von Ihm“ (vgl. Sure 4, 171) anerkennen und ehren. Über die Christen sagt der Koran: „Du wirst ganz gewiß finden, daß diejenigen Men¬schen, die den Gläubigen (d. h. den Muslimen) am heftigsten Feindschaft zeigen, die Juden und diejenigen sind, die (Allah etwas) beigesellen. Und du wirst ganz gewiß finden, daß diejenigen, die den Gläubigen in Freundschaft am nächsten stehen, diejenigen sind, die sagen: ‚Wir sind Christen.‘ Dies, weil es unter ihnen Priester und Mönche gibt und weil sie sich nicht hochmütig verhalten“ (Sure 5, 82). Jene, die sich unter Mißbrauch des „jüdisch-christliche Erbes“ gegen den Islam wenden, scheinen auch zu ignorieren, daß in Palästina die dortigen Christen genauso unter der zionistischen Besatzung zu leiden haben wie die Muslime; beide sitzen im selben Boot, und die religiös-nationalistischen extremistischen jüdischen Siedler kümmert dieses „jüdisch-christliche Erbe“ überhaupt nicht, wenn sie bspw. Brandanschläge auf christliche Kirchen und Klöster verüben.
Die Überschrift lautet:
Wieviel Islam steckt in Deutschland?
Jetzt weiß ich, wieviel arabische und persische Wörter meinen Wortschatz bereichert haben. Was hat das mit dem Islam zu tun? Soll ich denken arabisch = islamisch? Doch nicht ernsthaft.
Im Übrigen wäre interessant, was die arabische oder persische Sprache beeinflusst hat ….
Der Autor hat eines zumindest korrekt widergegeben – der Westen hat von den Wissenschafltern des nahen Ostenst auch profitiert.
Allerdings ist die Bezeichnung „islamische welt“ ziemlich anmassend, denn es waren bei weitem nicht alle dort lebenden Menschen Muslime.
@Ochljuff – und eswaren aus auch größtenteils Juden die sich mit der Medizin befassten. Wenn man sich die Geleherten dieser Zeit anschaut waren die Araber nur in den Fächern aktiv die der Glaubenslehre und dem Koran nicht im Wege standen (z.B. Mathematilk) , denn das wäre ihr Todesurteil gewesen.
Und es waren auch sehr viele Juden unter den Menschen die das Wissen in den Westen trugen, weil sie von den Muslimen vertrieben wurden. So z.B. siedelten viele nach Spanien über.