Manifest der Vielfalt
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Manifest der Vielfalt

Die Kinder von heute sind die Zukunft von morgen

Canan Ulufer, musste nach der Grundschule wie viele Gastarbeiterkinder auf die Hauptschule. Die Lehrer trauten ihr nicht zu, auf das Gymnasium zu gehen. In der Kolumne "Manifest für Vielfalt" fordert sie eine weltoffene und vorurteilsfreie Gesellschaft.

Von Canan Ulufer Donnerstag, 07.05.2015, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 07.05.2015, 17:07 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Als älteste Tochter einer Gastarbeiterfamilie wuchs ich in Hamburg auf. Ich musste aufgrund der institutionellen Diskriminierung, die in den 80er Jahren leider üblich war, nach der Grundschule wie viele Gastarbeiterkinder auf die Hauptschule. Die Lehrer trauten Kindern wie uns nicht zu, auf das Gymnasium zu gehen. Im Kindergarten waren es die Gastarbeiterkinder, die zur Adventszeit als letzte eine Tür öffnen durften.

Auf den Straßen wurden wir mit negativ konnotierten Stigmatisierungen wie „Kanaken“ und „Türkenkinder“ wüst beschimpft. Diese Erfahrungen und Erlebnisse haben dazu geführt, dass ich bereits sehr früh unterschiedlichen Diskriminierungen und Diffamierungen ausgesetzt war. Diese Erfahrungen haben mich motiviert, meinen Weg zu gehen.

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Wenn Menschen miteinander in Kontakt treten, prallen manchmal Welten aufeinander. Es kommt vor, dass unterschiedliche Lebensentwürfe, Weltanschauungen, Kulturen, Religionen und Nationalitäten dem Gegenüber das Gefühl der Unsicherheit vermitteln. Es besteht die Notwendigkeit, die eigene Wahrnehmung gegenüber anderen Menschen zu stärken.

Daher ist ein fundiertes Wissen über unsere Mitmenschen und ein ausgeprägtes Empathieverhalten hinsichtlich der Interkulturalität und Interreligiosität meiner Meinung nach unabdingbar. Seit Jahrhunderten leben Menschen unterschiedlicher Religionen miteinander, doch noch nie zuvor war die Diskussion über die Religion so bedeutend und ausschlaggebend wie heute. Ein wichtiger Bestandteil dieser Diskussion ist der Generalverdacht muslimischen Migranten gegenüber.

Diese Verallgemeinerung ist Gift für die erfolgreiche Integration der Menschen mit Migrationshintergrund. Dabei wird allzu oft vergessen, dass bereits über drei Millionen Menschen islamischen Glaubens auf eine friedliche Art und Weise in Deutschland leben und arbeiten. Einige Familien sind seit über 50 Jahren hier, ohne dass von ihnen Konflikte und gewaltsame Attacken ausgehen.

Deshalb ist es für mich von enormer Bedeutung, ein Teil der hiesigen Gesellschaft zu sein und ich möchte meinen Beitrag leisten und alles dafür tun, damit aus dem Nebeneinander ein Miteinander und Füreinander entsteht. Ich bin bemüht, dies in meinem Beruf als Sozialpädagogin, Politikerin und als integrative Frau und Brückenbauerin umzusetzen, damit das Wir-Gefühl in unserer Gesellschaft uns im Alltag, im Beruf und im Privaten zusammen bringt.

Ich wäre heute nicht der Mensch, der ich bin, wenn meine Familie mich nicht unterstützt hätte. Wie hinter jedem Erfolg, gibt es die unsichtbaren Helden, die mit ihrer bedingungslosen Liebe, ihrem starken Mitgefühl und weitreichenden Engagement unseren Weg ebnen. Denn unsere Eltern und Familienangehörige wissen aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, am gesellschaftlichen Leben zu partizipieren, um ein Teil der hiesigen Gesellschaft zu sein.

Es liegt womöglich daran, dass ich mich für Vielfalt nicht nur stark mache, sondern auch in meiner multiethnischen, multilingualen und multireligiösen Familie tagtäglich Vielfalt lebe. Ich stamme aus einer Familie, in der das Miteinander von unterschiedlichen Weltanschauungen, Religionen, Kulturen und Lebensentwürfen eine Selbstverständlichkeit darstellt und uns die Chance gibt, den Anderen in seiner Einzigartigkeit wahrzunehmen.

Der kulturelle Reichtum des Landes kann erst dann zu einem Gewinn werden, wenn man das Bewusstsein gewonnen hat, wie man die Energie und Kompetenzen dieser Reichhaltigkeit nutzen kann. Reagiert man allerdings nicht und sieht die Ansprüche der augenblicklichen Zeit nicht, so darf man sich nicht wundern, warum es Individuen in der Bundesrepublik gibt, die sich schon in jungen Jahren aufgegeben haben und sich von der urdeutschen Mehrheitsgesellschaft ausgeschlossen fühlen.

Für die positive Entwicklung und wichtige Konkurrenzfähig des Staates sind alle Mitglieder und Bürger bedeutend, demgemäß sollte niemand von ihnen vernachlässigt oder bereits von vornherein ausgeschlossen werden,“ denn die Kinder von heute sind die Zukunft morgen.“ Diesen Appell kann man nur durch Chancengleichheit im Land, mit einer vitalen Demokratie und gleichen Rechte für alle verwirklichen.

Vor diesem Hintergrund ist es unabdingbar, dass wir als plurale Gesellschaft die Andersartigkeit für unser Miteinander und für unsere gemeinsamen Ziele als eine grundlegende Bereicherung sehen. Wir müssen uns die Chance geben, unabhängig von Nationalität, Religion und Weltanschauung, uns weitestgehend ohne Ressentiments zu begegnen. Denn im „Wir“ sind wir stark! Aktuell Meinung

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