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23.000 Tote und Vermisste seit dem Jahr 2000 © The Migrants Files

Kein Weg in die EU

Wie Europa Flüchtlinge auf das Mittelmeer drängt

Die europäischen Staaten sind verantwortlich dafür, dass es keine legalen Fluchtwege nach Europa gibt. Deshalb müssen Menschen auf die gefährlichen Routen über das Mittelmeer ausweichen. Jonas Seufert gibt einen Überblick über mehrfach verschlossene EU-Türen.

Von Jonas Seufert Freitag, 24.04.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 29.04.2015, 17:24 Uhr Lesedauer: 7 Minuten  |  

Bis zu 700 Menschen sind am Wochenende im Mittelmeer ertrunken, so schätzt die UN. Damit würde die Zahl der Toten allein im Jahr 2015 auf 1500 steigen. Politiker*innen in Europa und auch der UN-Sicherheitsrat haben die Schuldigen schnell ausgemacht: Das skrupellose Schlepperwesen, das scheinbar nicht davor zurückschreckt, Schutzsuchende zu Hunderten auf seeuntüchtige Kähne zu pferchen.

Diese Schleuser*innen gibt es, ohne Frage. Und es ist verwerflich, dass sie aus der Notsituation von Geflüchteten horrende Profite schlagen. Doch übersehen De Maizière, Hollande und Co. eines bei ihrer Analyse: Die europäischen Staaten sind verantwortlich dafür, dass es keine legalen Fluchtwege nach Europa gibt. Deshalb müssen Menschen auf die gefährlichen Routen über das Mittelmeer ausweichen.

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Schengen: der Start der Abschottung

Mit dem Beginn des Schengen- Abkommens 1985 beginnt auch die Geschichte des Aufbaus der „Festung Europa“. Die Grundidee: Freizügigkeit nach innen, Absicherung nach außen. So wurde der Grenzschutz an den Außengrenzen verstärkt, Visabestimmungen verschärft. Ziel war die Kontrolle über möglichst alle Migrationswege: über Land, Wasser und Luft.

Frontex in der Kritik

Ein Ausdruck dieser politischen Haltung ist die europäische Grenzschutzagentur Frontex. Gegründet im Jahr 2004 mit einem Etat von wenigen Millionen Euro wird sie im Jahr 2015 mit über 114 Mio. Euro von den EU- Ländern ausgestattet. Entgegen häufiger Annahmen ist Frontex selbst keine Grenzpolizei, koordiniert aber sehr wohl die Arbeit der Grenzpolizeien der EU- Mitgliedstaaten. Seit Dezember 2013 steht der Agentur dafür das satellitengestützte Überwachungssystem Eurosur zur Verfügung, das in Echtzeit Bilder von menschlichen Bewegungen im Mittelmeerraum und in Osteuropa liefert. Offiziell soll das Programm die Sicherheit der Geflüchteten gewährleisten und die Seenotrettung unterstützen. Durch das System kann aber zum Beispiel das Ablegen der Boote an der afrikanischen Nordküste verhindert bzw. Boote auf offene See zurückgedrängt werden.

Solche „Push-Backs“ hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben, immer wieder ist auch der Name Frontex gefallen. Dokumentiert sind Vorfälle in der griechischen Ägäis und vor der Küste Italiens, aber auch auf dem Landweg in Bulgarien oder Spanien. Nach der europäischen Menschenrechtskonvention hat jede Person das Recht, einen Asylantrag zu stellen. Im Jahr 2012 erklärte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte deshalb Push-Backs für unrechtmäßig. Trotzdem finden sie nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen weiter statt.

Von „Mare Nostrum” zu „Triton”

Infolge der gestiegenen Todeszahlen von Geflüchteten auf hoher See hat die italienische Küstenwache vergangenes Jahr das Seenotrettungsprogramm „Mare Nostrum“ ins Leben gerufen. 140 000 Menschen sind dadurch nach Angaben des European Council on Refugees and Exiles in einem Jahr gerettet worden. Mehrfach hat die italienische Regierung die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, sich an den Kosten und der Durchführung zu beteiligen, vergebens: Auch auf Drängen von Innenminister De Maizière wurde das Programm eingestellt und im Herbst 2014 durch die Operation Triton unter der Leitung von Frontex ersetzt. Nicht nur ist der Einsatzbereich der Patrouillenboote auf dem Mittelmeer geringer, auch dient sie vornehmlich der Abwehr von Flüchtlingen und nicht der Seenotrettung, wie Frontex-Chef Gil Arias-Fernandez im Interview bestätigt.

Zäune an den Grenzen

Nicht nur auf dem Mittelmeer, auch an Land hat die EU effektive Mechanismen zur Abwehr von Geflüchteten entwickelt. Meterhohe und mehrstufige Zäune sichern die Grenzen der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla zu Marokko und die griechische Landgrenze zur Türkei. Beides sind beliebte Fluchtrouten nach Europa. Berichte über Push-Backs gibt es auch hier. Erst im Februar letzten Jahres sind 15 Menschen an der Grenze zu Ceuta ums Leben gekommen, da die spanische Polizei Gummigeschosse und Tränengas gegen die Geflüchteten einsetzte.

Die Auslagerung der Grenze

Doch die EU scheint nicht nur auf die Abwehr an der Grenze selbst zu setzen, sondern bezieht Nachbarstaaten in ihre Migrationspolitik mit ein. In Libyen sperren die Behörden Geflüchtete regelmäßig in Gefängnisse – finanziert von der EU. Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass auch in der Ukraine solche Einrichtungen existieren, in die Asylsuchende ohne Anklage für bis zu ein Jahr eingesperrt werden. Ihr einziges „Vergehen“: Das Durchqueren der Ukraine auf dem Weg in die EU. In diesen Tagen auch so kein ungefährliches Unterfangen. Leitartikel Meinung Politik

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  1. Matthias sagt:

    Mir gefällt die Art und Weise wie der Artikel aufgebaut ist und inhaltlich sind viele Punkte gut recherchiert. Aber was ist hier der Alternativvorschlag?

    Grenzkontrollen abbauen?
    Botschaftsasyle einführen?

    Überwiegen die Vorteile der Asylzentren nicht evtl die Nachteile? Ist es nicht mehr eine Frage des Wie im Vergleich zum ob?

    Ein EU-Flüchtlingskommissar müsste eben gute und nachvollziehbare Regelungen einführen. Mit entsprechenden Rechtsmitteln. Aber es ist ja auch in solchen Fällen denkbar, dass offensichlich unbegründete Anträge kurzfristig abgelehnt werden und die ausführlich zu prüfenden Asylverfahren ins Bundesgebiet (oder anderen Mitgliedsstaat) gebracht werden.

    Aber wie man im Anschluss verhindert, dass abgelehnte Bewerber nicht doch in Boote steigen?

    Argumente wie Kein Mensch ist illegal bringen auch nicht weiter, das düfrte jedem klar sein, dass die EU Politik sich nicht in diese Richtung bewegen lässt.

  2. Haralds sagt:

    Ich finde den Artikel, gelinde ausgedrückt, nicht gelungen zumal der Beitrag mit der Feststellung beginnt, dass Europa schuld daran ist, dass es keine legalen Fluchtwege nach Europa gibt. Das steht aber am Ende der Kette. Die EU ist vor allem seinen Bürgern gegenüber in der Pflicht und hat die innere Sicherheit zu gewährleisten. Und schon wird es schwierig. Niemand in einer Notsituation darf zurückgewiesen werden. Aber nun sollte es auch gutwilligen Menschen klar geworden sein, dass nicht nur Kriegsflüchtlinge herkommen sondern auch Armutsflüchtlinge und auch Kriminelle und Abenteurer. Seit Jahren schon jammert die Industrie, wir würden jedes Jahr 400.000 Zuwanderer brauchen um unseren Lebensstandard halten zu können. Und? Die Leute sind da und haben trotzdem keinen Job. Sie hören die „Refugees welcome“-Rufe einer nicht kleinen Minderheit und glauben den Lügen, dass Europa reich ist. Sie treffen auf eine unbekannte Kultur und ein großer Teil der Flüchtlinge ist weder in der Lage noch Willens sich an unsere Regeln zu halten. Die einheimische Bevölkerung sorgt durch Steuerzahlungen für die Flüchtlinge und sieht nicht, dass diese jemals etwas zurückgeben können. Zudem wollen und müssen die Massen an Zuwanderern menschenwürdig untergebracht werden, was sich in höheren Mieten niederschlägt. Nicht jeder, der hier ankommt, ist eine „Fachkraft“. und Europa hat auf dem Sektor, auf denen Ungelernte ihren Lohn verdienen, einfach nicht genug zu bieten. Der Ansatz muss darin liegen, dass Die Flüchtlinge selbst Ordnung schaffen in ihren Ländern. Zeit war genug. Nicht an allem Ungemach in Afrika ist Europa schuld. Was ist mit den Milliarden an Entwicklungshilfe geworden? Wie können die islamischen Staaten gezwungen werden, sich der muslimischen Flüchtlinge anzunehmen? Saudi-Arabien, Katar & Co. sind tatsächlich reich und sollten endlich auch in die Verantwortung genommen werden. Ich arbeite hart für meinen bescheidenen Wohlstand. Ich möchte, wie die meisten anderen Menschen, ein ruhiges und friedliches Leben und empfinde Zuwanderung tatsächlich als Bereicherung, wenn die Zuwanderer nach einiger Zeit zum allgemeinen Wohlstand beitragen. Ein Großteil wird das nicht leisten. Diese Menschen müssen aber trotzdem versorgt werden. Es reicht nicht, an den Symptomen herumdoktern weil das langfristig enorme Probleme bringt. Auf dem Mittelmeer darf niemand mehr sterben, also dürfen solche Seelenverkäufer gar nicht mehr auslaufen können.