
Wahn & Sinn
Volk ohne Raum
Das beherrschende Gefühl unserer Zeit scheint die Ohnmacht zu sein. Jedermann scheint geradezu davon besessen zu sein, ja doch nichts ändern zu können und gewissen Autoritäten ausgeliefert zu sein: Der Regierung, den Medien oder anderen.
Von Sven Bensmann Dienstag, 21.04.2015, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 22.04.2015, 21:53 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Wie Käpt’n Ahab und die vierzig Räuber suchen sich heute die Spießerfürsten einen rechtsfreien Resonanzraum, in dem sie über alles urteilen können, was nicht in ihr Weltbild passt: Inländer und Ausländer, Homos und Frauen, Linke und andere Demokraten. Und zwar weil Ihnen dieser Raum, so die herrschende Meinung, fehlt.
Wo sie also in der Gruppe marschieren können, geschützt von bewaffneten Hundertschaften, in einem Staat, der angeblich nur die anderen schützt, oder wo sie gleich selbst bewaffnet mit dem Sturmgewehr zur Messerstecherei kommen können, wo immer sie in Gangs gegen Unterlegene das Faustrecht durchsetzen können, da fühlen Sie sich stark. Sonst scheint das Mantra des ubiquitären Minderbepimmelten zu sein, was wir aus einem alten Hollywoodschinken gelernt haben: Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass und Hass führt zu unsäglichem Leid.
Es zeigt sich hier, dass in einer globalisierten Welt, in einem Land, dessen Regierung die Arbeit verweigert und geradezu geschockt ist, wenn andere Regierungen plötzlich Politik machen, wo alles immer nur alternativlos ist, die Ohnmacht zum beherrschenden Gefühl geworden ist.
Diese Ohnmacht fordert ihre Opfer: Der Ohnmächtige kann nur durch Gewalt seine Ohnmacht überwinden, im Hinterhalt. So sind sich Pegida und IS in ihrem Bestreben, diesen Ohnmächtigen durch die Potenz der Gewalt gegen andere eine Stimme zu geben, gar nicht unähnlich: Sie sind Ausdruck von Hilflosigkeit, davon, Opfer zu sein – in einer abstrakten Form, die nur durch konkrete Gewaltausübung verdrängt wird.
Und wie im Falle Käpt’n Ahabs stürzen sie dabei sich selbst und andere ins Verderben, auf der Jagd nach ihrem Weißen Wal: einem Kalifat, einem ausländerfreien Dresden – oder vielleicht auch nur nach ein paar IQ-Punkten oberhalb von Weißbrot. Der Drohnenkrieg hat im Nahen Osten bereits begonnen, und für den gemeinen Dresdener schafft sich Deutschland überhaupt gleich selbst ab.
Dennoch sitzt er also heute da in seiner Selbstherrlichkeit, der Tröglitzer Pegidist mit Benzinkanister bräsig in seinem Fernsehsessel, und der Djihadist an der AK auf einem Pick-up, wie auf seinem Thron: Heute ein König.
Ein König des Nichts im Nirgendwo, ohne Heimat, ohne Zukunft. Dies sind die Früchte seines Zorns.
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