Rezension zum Wochenende

Heike Trojnars „Wie ein Esel mit Holz“

Eine Frau erträgt alles, ein Esel trägt jede Menge Holz… Wo der Zusammenhang ist? Lesen Sie den Roman von Heike Trojnar! Eine Geschichte einer Pontos-Griechin, die mit Hoffnung auf ein besseres Leben als Gastarbeiterin nach Deutschland kommt.

Von Freitag, 17.04.2015, 8:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 19.04.2015, 11:04 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Heike Trojnar erzählt die Geschichte einer Pontos-Griechin, die mit Hoffnung auf ein besseres Leben als Gastarbeiterin nach Deutschland kommt. Ihre Vorfahren waren von der Schwarzmeerküste nach Nordgriechenland gekommen. Es ist der Autorin gelungen, das Besondere am individuellen Schicksal der jungen Kyra bildhaft darzustellen. Den Leser erwartet ein biografischer Roman: eine Kindheit in Armut in Griechenland, ein trauriges Gastarbeiterleben in Hannover und tatsächlich ein Happy End.

Kyra lebt mit ihren Eltern und den vier Geschwistern in sehr einfachen, armen und dörflichen Verhältnissen. Sie müssen alle hart arbeiten und insbesondere die Töchter werden streng traditionell erzogen. Der Kontakt zu Jungs ist ihnen streng untersagt. Aberglaube, die Natur und die dörflichen Gewohnheiten bestimmen den Alltag. Kyra wünscht sich, zur Schule gehen zu dürfen. Die Kinder bekommen zwar eine Schulbildung, jedoch müssen sie wie alle Familienmitglieder als Erntehelfer, Näher oder Weber mit zum Lebensunterhalt beitragen. Manchmal fällt dann die Schule aus.

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Die Autorin, die auch als Sozialarbeiterin tätig ist, hat die Protagonistin über eine Bekannte in ihrer Heimatstadt Stuttgart kennen gelernt und war von ihrer Lebensgeschichte so sehr angetan, dass sie beschlossen hat, einen Roman zu schreiben. Zum Schutz der Beteiligten hat sie die Namen geändert, aber Eckdaten und Chronologie der Ereignisse beibehalten und ein wenig verändert. Die Geschichte von Kyra ist eine Ode einer ganz besonderen Persönlichkeit. Kyra ist weder gebildet, noch bekannt oder jemand, für die sich die Massen interessieren. Angetan war die Heike Trojnar von solch ärmlichen Verhältnissen mitten in Europa. Zum Beispiel ist Kyra in einem Lehmhaus aufgewachsen, das der Vater selber gebaut hatte. Die Autorin sagt hierzu: „Mich hat die Kindheit fasziniert, dieses einfache Leben, diese Armut, die niedrige Schulbildung. Historisch ist das für mich wie Württemberg im 19. Jahrhundert. Eine einzige Ärztin im Dorf… Diese Frau hat all das im 20. Jahrhundert in Europa erlebt. Das kann ich mir kaum vorstellen.“

Kyra muss alltägliche Gewalt vom Vater, vom Bruder und später vom Ehemann ertragen. Sie gibt nicht auf, kämpft für ihre Freiheit, erst für die eigene, später für ihre Kinder. Körperlich kräftig, ist sie schon als Kind fleißig und hat Durchsetzungskraft. Auf 170 Seiten beschreibt Heike Trojnar das Leben der Griechin in ihrer Heimat. Dann folgen weitere einhundert Seiten über ihren Alltag in Hannover. Während der erste Teil ruhig und mit vielen Details beschrieben wird, überschlagen sich die Ereignisse im zweiten Teil. Der Leser rennt, leidet und hofft mit Kyra, die direkt von ihrem vertrauten Dorf in eine ihr fremde Stadt kommt. Die Gastarbeiterin ist gutmütig, naiv und ungebildet. Das macht ihr das Leben nicht gerade einfach. Sie fühlt sich in der Fremde allein, hilflos und ist emotional von ihrer Familie abhängig, auch wenn diese ihr nicht gut tut. Mit dem Ehemann, den sie in Deutschland kennen lernt, hat auch nicht gerade viel Glück. Die Sehnsucht nach der Heimat quält sie, gleichzeitig gibt ihr die Chance auf eine bessere Zukunft hierzulande Hoffnung.

Heike Trojnar hatte Bilder vor Augen, wenn ihr die griechische Gastarbeiterin aus ihrem Leben erzählte. Diese Bilder haben die Autorin tief bewegt: Sie empfand Mitleid für ihre Situation, aber auch Wut über solch ein hartes Schicksal und später dann Bewunderung für die Kraft, mit der Kyra all das Geschehene bewältigt. So viel Kraft wie ein Arbeitstier, „wie ein Esel, der Brennholz geschleppt hat“, das waren die Worte von Kyra.

Dieser biografische Roman transportiert genau diese Kraft der Gastarbeiterinnnen und verleiht ihnen eine Stimme. Es ist schön, dass solche einfachen Geschichten, die das Leben schrieb, in Romanform eine Heimat finden, denn den meisten Gastarbeiterinnen ist dies nicht gelungen. Viele sind zwar zurückgekehrt, aber irgendwie blieb ein Teil in Deutschland. Andere sind hier geblieben und alt geworden, aber nie wirklich angekommen, da die Sehnsucht nach der ursprünglichen Heimat größer war. Ein wunderschöner Roman mit großer Liebe zum Detail. Aktuell Rezension

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