Bibliothek © Isa Lange/Uni Hildesheim

Studie

Schulbücher bilden Migranten oft als Opfer ab

Heute hat jeder dritte Schüler unter 15 Jahren einen Migrationshintergrund. Diese Lebensrealität bilden Schulbücher aber nicht ab. Dort werden Migrant und Vielfalt meist als "Problem" dargestellt. Das sind Befunde einer aktuellen Schulbuch-Studie.

Mittwoch, 18.03.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Deutsche Schulbücher bilden die gesellschaftliche Realität einer Studie zufolge oft einseitig ab. Migration werde vor allem als Problem dargestellt, heißt es in einer wissenschaftlichen Untersuchung von Schulbüchern aus fünf Bundesländern, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Dass Vielfalt als Normalfall dargestellt werde, sei eher die Ausnahme, sagte die Leiterin der Studie, Inga Niehaus. Mehrere Schulbuchverlage riefen zu Geduld auf. Sie sehen sich „auf einem guten Weg“.

Nach der Studie stellen die untersuchten Schulbücher Migration und Vielfalt meist nur als Problem und Herausforderung dar „für eine weiterhin überwiegend als homogen vorgestellte Gesellschaft“. Was unter der Integration von Ausländern zu verstehen sei, bleibe oft im Vagen. Migranten werden „wiederholt als passiv Betroffene oder Opfer dargestellt“.

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In Schulbüchern haben Deutsche keinen Migrationshintergrund
Zudem erscheinen Migranten in den Büchern demnach oft als Menschen, von denen „eine Anpassungsleistung an die deutsche Gesellschaft“ gefordert werde. Zudem werde nicht präzise formuliert und Begriffe wie „Ausländer“, „Fremde“ oder „Migranten“ nicht voneinander abgegrenzt oder synonym verwendet. „Als ‚Deutsche‘ werden in fast allen Schulbüchern Menschen verstanden, die keine Migrationsgeschichte haben“, heißt es in der Studie.

Viele Arbeitsaufträge in den Büchern würden aus der Perspektive der Dominanzgesellschaft gestellt, erklärte Niehaus. So stelle ein Schulbuch aus Bayern die Frage: „Welche Erfahrungen hast du mit Ausländern gemacht?“. Ein anderes Buch frage, ob die multikulturelle Gesellschaft Fluch oder Segen sei. „Für die Schülerinnen und Schüler von heute ist sie die Realität“, bekräftigte Niehaus.

Özoğuz: Schulbücher müssen Vielfalt abbilden
Die Autoren der Studie empfehlen Verlagen, Autoren und Lehrern daher, gesellschaftliche Vielfalt als normal darzustellen und verallgemeinernde Bezeichnungen wie „die Türken“ oder „die Deutschen“ zu vermeiden. Auch sollten die Potenziale und Chancen von Migration häufiger Thema sein und verschiedene Perspektiven eingenommen werden. Wünschenswert sei zudem, mehr Menschen mit Migrationshintergrund an der Erstellung von Schulbüchern zu beteiligen.

Download: Die „Schulbuchstudie Migration und Integration“ kann auf den Internet-Seiten der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung kostenlos heruntergeladen werden

Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz (SPD), sagte, die Vielfalt in Deutschland sei in den vergangenen Jahren „doch sehr gewachsen“. Inzwischen habe jeder dritte unter 15-Jährige eine Einwanderungsbiografie. Dies müsse auf eine gute Art und Weise in den Schulbüchern abgebildet werden. „Klischees oder gar diskriminierende Darstellungen haben in Schulbüchern nichts zu suchen“, sagte Özoğuz.

Verlage auf gutem Weg
Schulbücher seien ein Abbild der Gesellschaft, sagte der Leiter des Ernst-Klett-Verlags, Ilas Körner-Wellershaus. Damit Veränderungen in die Bücher einfließen könnten, müsse sich jedoch zunächst die Gesellschaft wandeln. „In diesem Wandel befinden wir uns gerade“, sagte Körner-Wellershaus. Jedoch dürften Schulbücher auch keine Meinungen vorgeben, sondern müssten eine Meinungsvielfalt abbilden.

Der Geschäftsführer der Westermann-Verlagsgruppe, Peter Schell, sagte, Schulbücher bräuchten eine gewisse Zeit, um zu entstehen. Beim Gebrauch einzelner Begriffe müssen man sicher sensibler werden. Insgesamt seien die Verlage jedoch auf einem guten Weg.

Das Georg-Eckert-Institut und die Universität Hildesheim haben für die Studie 65 Schulbücher der Sekundarstufe eins aus Bayern, Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen untersucht. Schwerpunkte waren Bücher der Fächer Geschichte, Geografie und Sozialkunde aus den Jahren 2003 bis 2014. In Auftrag gegeben hatte die Studie Özuguz‘ Vorgängerin Maria Böhmer (CDU). (epd/mig) Leitartikel Politik Studien

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  1. Holsteinerin sagt:

    Solange zwischen Biodeutschen (ob mit Binnenmigrationshintergrund oder nicht) und Migranten eklatante Unterschiede bestehen, ist es geradezu schädlich für die Integration, diese Unterschiede nicht beim Namen zu nennen.
    Im Übrigen kann man nicht einerseits sozialistisch sein und andererseits für Vielfalt. Wie soll das gehen? Eine Gesellschaft in der alle gleich sein sollen, kann keine besondere „Vielfalt“ aufweisen.

  2. Johan sagt:

    „Zudem erscheinen Migranten in den Büchern demnach oft als Menschen, von denen “eine Anpassungsleistung an die deutsche Gesellschaft” gefordert werde.“

    Normal, oder? Ich kann das Problem daran nicht erkennen, da ja auch jeder Deutsche dies von sich selbst abverlangt, wenn er auswandert. Es ist zu vernachlässigen ob das den Migranten gefällt oder nicht, da man bei dem Thema kein Mitspracherecht hat, denn natürlich will jeder möglichst ohne Leistung aufgenommen werden.

    Wenn man die Frage, warum man nach Deutschland ausgewandert ist, nur mit wirtschaftlichen oder finanziellen Gründen beantworten kann und nicht wegen der Kultur, der Menschen, dem Land und dessen Werte etc., ja dann hatte man die falschen Gründe nach Deutschland auszuwandern. Man wandert nicht irgendwo aus um als Kulturbotschafter seines Herkunftslandes zu fungieren, sondern weil es einem woanders besser gefällt und sich für eine neue Kultur interessiert. Wer nach Deutschland ausgewandert ist und ständig seinem Herkunftsland hinterhertrauert hat meiner Meinung nach den Grund nicht verstanden warum er ausgewandert ist. bzw. er hatte den falschen. Bei Flüchtlingen ist es wiederum eine andere Sache, da diese meist keine Wahl hatten ob und wohin sie auswandern. Kein Deutscher muß sich den Türken, den Chinesen oder den Amerikanern anpassen. Wie würde das denn auch funktionieren? Ein Einwanderungsland ist kein Niemandsland und befreit von jeglicher Kultur und Traditionen und diese sollten von Einwanderern (soweit wie möglich) auch mitgetragen werden.

  3. Saadiya sagt:

    @Johan: „enn man die Frage, warum man nach Deutschland ausgewandert ist, nur mit wirtschaftlichen oder finanziellen Gründen beantworten kann und nicht wegen der Kultur, der Menschen, dem Land und dessen Werte etc., ja dann hatte man die falschen Gründe nach Deutschland auszuwandern. “

    Bei Ihrer Betrachtung vergessen Sie, dass es inzwischen auch „Migranten“ in Deutschland gibt, die bereits hier geboren wurden und daher nie eine eigene Entscheidung für oder gegen die eigene Auswanderung nach Deutschland getroffen haben. Sie verstehen sich nicht als Migranten, die sich anpassen müssten, sondern als selbstverständlicher Teil deutscher Lebensrealität.

  4. humanoid sagt:

    „Zudem erscheinen Migranten in den Büchern demnach oft als Menschen, von denen “eine Anpassungsleistung an die deutsche Gesellschaft” gefordert werde.”

    Normal, oder? “

    sicher doch nur konnte mir bisher noch keiner erklären was deutsche werte , deutsche leitkultur und integration bedeutet .

    weder gibt es einen gesellschaftlichen konsens noch eine gesetzliche definition !

    man kann nicht von menschen etwas verlangen wenn man selbst nicht weiss was das sein soll !

    im grunde ist die ganze geschichte über „integration “ nur ein voewand um leute zu diskriminieren ! und den eigenen chauvinismus zubedienen .

  5. humanoid sagt:

    @johann

    ich will nicht von den deutschen parallelgesellschaften in lateinamerika und afrika anfangen , die vom deutschen staat noch gefördert werden !

  6. Pingback: In vielen Schulbüchern ist Deutschland noch immer kein Einwanderungsland.