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Eine Kirche in Frankfurt © friedenspanzer @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Mehr Toleranz für Andersgläubige

Gerichtspräsident mahnt: An Öffnung der Kirchen führt kein Weg vorbei

Arbeitsrechtler rät den Kirchen, die Loyalitätsanforderungen an ihre Beschäftigen abzustufen. Auch andersgläubige und nichtreligiöse Menschen sollten in kirchlichen Einrichtungen arbeiten können. Das sei nicht nur eine juristische Frage.

Freitag, 06.03.2015, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 08.03.2015, 13:51 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

In einer religiös vielfältigen Gesellschaft müssen die christlichen Kirchen nach Auffassung des Gerichtspräsidenten Wilhelm Mestwerdt künftig auch Andersgläubige oder Menschen ohne Konfession beschäftigen. Rechtlich seien sie nach höchstrichterlichen Urteilen vom Herbst vergangenen Jahres dazu zwar nicht verpflichtet, dennoch gehe an einer „Öffnung der Kirchen kein Weg vorbei“, sagte der Präsident des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen am Dienstag auf einer Tagung zum kirchlichen Arbeitsrecht in Eichstätt. Der Richter am Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bekräftigte: „Kirche muss in der Mitte unserer Gesellschaft stehen. Sonst gerät sie aufs Abstellgleis.“

Er bezog sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Oktober 2014. Danach dürfen katholische Arbeitgeber Mitarbeitern, die nach einer Scheidung wieder heiraten, kündigen. Karlsruhe hatte die Kündigung eines Chefarztes in einer katholischen Klinik nach dessen Wiederverheiratung für rechtens erklärt.

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Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt vom September 2014 darf eine gläubige Muslima als Krankenschwester in einem kirchlichen Krankenhaus kein Kopftuch tragen. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen ist hier höher zu bewerten als die Religionsfreiheit der Krankenschwester, entschied das BAG. In weiteren Entscheidungen erklärten Gerichte die Kündigung von Beschäftigten nach ihren Kirchenaustritten für rechtens. „Mit diesen Urteilen ist die Messe juristisch erst einmal gelesen“, stellte Mestwerdt fest. Er riet aber den Kirchen, sich nicht auf ihrer rechtlich starken Position auszuruhen.

So erwartet der Richter etwa, dass kirchliche Kindertagesstätten, die von vielen Kindern muslimischen Glaubens besucht werden, Muslimas als Erzieherinnen anstellen. Es sei auch ein „Ausdruck der Nächstenliebe, Andersgläubigen eine Berufsperspektive zu bieten“. Die christlichen Kirchen und ihre Wohlfahrtseinrichtungen sind mit rund 1,3 Millionen Beschäftigen nach dem Staat der größte Arbeitgeber in Deutschland.

Für Mestwerdt ist es „eine Frage der Gerechtigkeit, allen Menschen adäquate Lebens- und Teilhabemöglichkeiten zu gewähren“. Im Übrigen komme die Kirche schon aufgrund der niedrigen Mitgliederzahlen in vielen Regionen Deutschlands nicht umhin, qualifizierte Fachkräfte auch unter andersgläubigen oder nichtreligiösen Bewerbern auszuwählen. Andernfalls müssten sie sich mittelfristig mangels Personals aus Feldern der Sozialarbeit zurückziehen.

Mestwerdt riet den Kirchen, die Loyalitätsanforderungen an ihre Beschäftigten je nach Tätigkeit abzustufen. „Bei Mitarbeitenden in Leitung, Verkündigung, Seelsorge und Unterrichtung ist die formelle Kirchenzugehörigkeit meines Erachtens als berufliche Anforderung unabdingbar“, sagte der Jurist. In anderen Tätigkeitsfeldern sollte die Kirche mehr Toleranz zeigen. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft

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