Bäng!
Die Linguistik des Friedens
Auch wenn die meisten Menschen der Welt die Sprache des Friedens sprechen, ist der Frieden längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Terror, Kriege weltweit, jede neu produzierte Waffe machen ihm Konkurrenz, stehen ihm im Weg.
Von Vykinta Ajami Donnerstag, 15.01.2015, 8:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 15.01.2015, 21:18 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Bäng! So wird es ausgeschrieben. Das Geräusch der Kriege und des Terrors. Eigentlich hat es keine Buchstaben. Es ist ein schwer definierbarer Laut. Ohrenbetäubend, gruselig. Es hat auch keinen Inhalt. Dennoch enthält es eine Botschaft. Und hat folgen. Meist Tödliche.
Was ist das für eine Kommunikation, wenn man Botschaften nicht in Worte, sondern in Kugel verpackt und losschickt? Eine Botschaft aus einem einzigen lauten Knall, der nicht mal Buchstaben hat, geschweige denn über höhere Linguistik verfügt.
Schüsse, Bomben, Munition sind keine Sprache und werden nie eine sein. Sie haben aber immer einen Deckmantel. Der der Religion ist der trendigste und der einfachste – es bedarf am wenigsten Argumente. Gott hat es mir befohlen. Basta.
Aber egal unter welchem Vorwand die Schüsse fallen, nichts kann die Linguistik des Bängs! ändern. Ein Knall bleibt immer ein Knall und spricht die Sprache des Todes. Und der Tod? Seine Sprache ist stiller, schneidender Schmerz, unendliche Trauer. Die Sprache des Todes sind Tränen.
Dieselbe Pseudosprache des Bängs! sprechen die Attentate von Paris, der 11. September in den USA, die NSU Morde in Deutschland, die Kriege in Syrien, Irak, Palästina, Ukraine, die Amokläufe in den Niederlanden und überall auf der Welt. Das ist die Sprache aller Kriege, aller Attentate. Das ist die Sprache der feigen und schwachen, die sich nicht anders zu artikulieren wissen als nur mit einem einzigen Laut.
Liebe Terroristen, liebe Waffenhersteller und Kriegemacher, liebe Wahnsinnige, könntet ihr bitte aufhören, in den inhaltlosen Tönen der Bängs! zu kommunizieren?
Nein? Hatte ich mir gedacht. Einige werden dadurch reich, einige berühmt, dritte hoffen in den Himmel zu kommen, andere wollen sich rächen, ein Zeichen setzen etc. etc. Die Liste der Motive ist lang.
Das Motiv des Friedens ist demgegenüber einfach und ziemlich einheitlich – der Frieden selbst. Dennoch ist es mit dem Frieden nicht so einfach, wie man sich wünschen würde, denn immer wieder wird irgendwo mit Waffen und Schüssen kommuniziert.
Die Sprache des Friedens gibt es glücklicherweise auch. Sie ist heute der Schulterschluss aller freiheit- und friedliebenden Menschen, unabhängig von Religion, Herkunft, Hautfarbe, Alter, Geschlecht. Es sind die Worte und die Symbolik der Mahnwachen gegen die Pariser Anschläge. Es sind auch Gegendemonstrationen gegen die „Pegida“ & Co in all ihren örtlichen Variationen. Es ist das Ausschalten der Lichter am Kölner Dom, am Brandenburger Tor und anderen Plätzen und Gebäuden. Das sind all die bewegenden Worte und Gesten, die Frieden, Freiheit und Vielfalt signalisieren. Mit meiner persönlichen Kulmination – der Kundgebung der Muslime gegen Hass und Terror in Berlin am Brandenburger Tor. Das war das Deutschland vieler Träume – Bundespräsident, Bundeskanzlerin, Minister, Muslime, Christen, Juden und alle anderen wie eine Faust und Hand in Hand, Schulter an Schulter für Freiheit und Frieden.
Die Sprache des Friedens soll laut, stark und wegweisend bleiben. Sie soll auch nicht nur symbolisch, auf der Bühne, bei Demonstrationen und auf den Kundgebungen vorgetragen, sondern im Alltag gelebt und vorgelebt werden.
Frieden im Alltag ist einfach und wenig aufwendig: Treffen andersdenkender, andersgläubiger Menschen auf eine Tasse Tee, das Anlächeln eines Mitmenschen, eine Spende an Kriegsopfer, Flüchtlinge. Das und viel mehr ist die Linguistik des Friedens. Oft sind das nur leise Laute oder gar lautlose Handlungen – all das, was mehr Inhalt als ein Bäng! hat. Aktuell Meinung
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Ein wunderbarer Artikel!
Die Sprache des Friedens ist immer noch die menschliche Sprache – weil sie es erlaubt, Konflikte auszutragen.
Emphatische Kundgebungen einerr Einheitspartei mit dem Ziel, Konflikte zu leugnen und zu unterdrücken, Übermacht zu demonstrieren, begleitet von Rangelein mit Gegnern und Polizeieinsätzen – wo etwas möchte Frau Ajami als „Linguistik des Friedens“ bezeichnen?
„Linguistik des Friedens“ bildet sich da heraus, wo man nicht bloß gegen den Gegner demonstriert, sondern mit dem Gegner spricht.