Junge Deutsche in vielen Kriegen
Vor IS-Rückkehrern haben wir Angst, vor rechtsextremen Ukraine-Rückkehrern nicht?
Seit sich Islamisten aus Deutschland der ISIS anschließen, stehen Medien und Politiker Kopf hierzulande. Dabei ist das Phänomen weder neu noch einmalig, wie ein Blick in die Ukraine oder in die jüngere Geschichte zeigt.
Von Anja Seuthe Freitag, 05.12.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 10.12.2014, 18:05 Uhr Lesedauer: 6 Minuten |
Deutsche Kämpfer an ausländischen Fronten machen Schlagzeilen. Und damit meine ich nicht die deutschen Bundeswehrsoldaten im Hindukusch, im Kosovo oder in Mali. Nein, ich meine die Kämpfer, die sich ohne Auftrag oder Wissen unserer Regierung auf den Weg machen, um irgendwo in der Welt als Freiwillige an Kampfhandlungen teilzunehmen.
Wie der deutsche Elitesoldat, der sich im Oktober 2014 mitsamt seiner Bundeswehr Gefechtsausrüstung auf den Weg machte in die Ukraine, um die dortigen prorussischen Separatisten zu unterstützen. Oder Alexej Relke , ebenfalls deutscher Staatsbürger, der als erster EU-Bürger in der Ukraine angeklagt wurde, weil er sich den Separatisten angeschlossen hatte.
Aber auch auf der ukrainischen Seite stehen deutsche Kämpfer. Das berüchtigte rechtsextreme Asow Bataillon kann sich über mangelnden Zulauf aus der EU nicht beklagen. Unter den Ausbildern der Freiwilligen sollen sich auch Deutsche befinden. Ein Ausbilder ist Schwede, Mikael Skillt, 37, ehemaliger Scharfschütze und Mitglied der Nationalgarde in Schweden. Als Motivation, warum er in der Ukraine ist, nennt er gegenüber The Telegraph das Leid und die Tapferkeit auf dem Maidan. Die hätten seine Kriegerseele geweckt. Er wolle mit seiner Erfahrung helfen.
Dass sein Bataillon Asow von Amnesty International beschuldigt wird, Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung zu begehen, scheint kein großes Thema zu sein. Das gleiche gilt allerdings auch für die prorussischen Separatisten. Beiden Seiten werden von Amnesty International Misshandlungen und Massenexekutionen vorgeworfen. Beide Seiten kehren nicht etwa vor der eigenen Haustür, sondern bauschen Vorkommnisse auf der Gegenseite auf, um sie möglichst eindrucksvoll in der Kriegspropaganda zu verwenden.
„Über Rückkehrer aus der Ukraine lesen wir dagegen nichts in der Presse. Was sagt uns das nun? Dass Islamisten gefährlicher sind als Rechtsextreme? Dass Massenerschießungen von syrischen Zivilisten anders zu werten sind, als Massenerschießungen von ukrainischen Zivilisten?“
Das selbe Vorgehen beobachten wir im Nahen Osten. Auch hier funktioniert die Propagandamaschinerie bestens. Bilder von Köpfungen wetteifern mit Bildern von zerbombten Kindern um die Gunst der jungen Männer, schreien förmlich „Hilf uns!“ Beide Seiten haben Zulauf. Europäische und auch deutsche Kämpfer schließen sich dem IS an, der Al-Nusra Front und auch der säkularen Freien Syrischen Armee. Um dann aufeinander zu schießen.
Die Medien stellen diese Entwicklung jedoch zu Unrecht als neu dar. So neu ist das nicht. Man denke nur an den Balkankrieg.
Anfang der Neunziger Jahre kämpften deutsche Freiwillige auf der Seite der rechtsextremen paramilitärischen Miliz „Kroatische Verteidigungskräfte“. Bekannt wurde diese Truppe unter anderem dafür, dass sie serbische Zivilisten folterte. Sie wurde bereits im Jahr 1991 verboten, aber de facto erst im Jahr 1993 endgültig von den kroatischen Streitkräften aufgelöst. Auf der bosnischen Seite standen zur gleichen Zeit muslimische Freiwillige aus der ganzen Welt.
In den Achtziger Jahren unterstützten linksextreme Freiwillige die Sandinisten in Nicaragua bei ihrem Kampf gegen den „amerikanischen Imperialismus“. Dass in den dortigen Revolutionstruppen schon Kinder mitkämpften, wurde ausgeblendet.
Ende der Dreissiger Jahre kämpften die Linksextremen Europas im spanischen Bürgerkrieg gegen General Franko. Mehr als 2000 Freiwillige aus Deutschland allein wurden gezählt. Derweil konnte sich auch General Franko nicht über mangelnde Unterstützung aus dem rechtsextremen Hitler-Deutschland beklagen. Auch Im amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) kämpften deutsche Freiwillige auf beiden Seiten mit. Ja, selbst während des griechischen Unabhängigkeitskrieges im Jahr 1821 kämpften deutsche Freiwillige.
Neu? Nein, neu ist die Entwicklung nicht. Und neu sind auch die Gründe nicht, warum es junge Männer freiwillig in den Krieg zieht. Im Unterschied zu Söldnern geht es diesen Kämpfern nicht um Geld. Stattdessen spielt Unzufriedenheit mit der eigenen Situation eine große Rolle. Unsere linksextremen „Revolutions-Touristen“ in Nicaragua waren größtenteils arbeitslos und/oder entstammten der linken autonomen Szene. Viele unserer deutschen IS-Kämpfer bezogen Hartz IV und/oder entstammten der islamistischen Szene. Die Rechtsradikalen in der Ukraine? Dazu gibt es meines Wissens noch keine Erhebungen. Vermutlich sieht es da ähnlich aus.
Arbeitslosigkeit und empfundene Chancenlosigkeit resultieren in Frust, in Schuldzuweisungen. Die Politik ist schuld. Insbesondere Überfremdung, Bankendiktatur, Rassismus. Je nach Couleur. Unter Gleichgesinnten bestätigt man sein Weltbild, schaukelt sich gegenseitig hoch, will „etwas tun“, anstatt einfach nur nutzlos rumzusitzen. Gerade junge Leute entwickeln einen gewissen Aktivismus, diskutieren in politischen Foren und gehen zu Demonstrationen. Aktuell gegen Asylbewerberheime, gegen das TTIP Abkommen, gegen Israel. Im Grunde sehen wir hier die politische Variante der radikalen Tierschützer, der radikalen Lebensschützer, der radikalen Kernkraftgegner. Alle zeichnen sich durch einen Tunnelblick aus. Leitartikel Meinung
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Nu mal langsam… Es sind zwei Fälle von deutschen Staatsbürgern genannt, die in der Ukraine kämpfen. Für den IS haben sich ja nun doch deutlich mehr Freiwillige aus Deutschland gemeldet. Insofern ist hier schon ein klarer quantitativer Unterschied auszumachen.
Was für ein Quatsch hier in geballter Form niedergeschrieben ist.
Inhaltlich:
In dem Artikel wird alles gleichgemacht – Proteste gegen Atomkraft oder TTIP mit Massenerschießungen. Es bleibt der Eindruck, dass sich nur Hartz-IV Empfänger*innen politisch engagieren – und dies wird als „schlecht“ empfunden, da es eben von Massenerschießungen über Demonstrationen gegen TTIP geht.
Die Gleichmacherei zwischen politischem Engagement für eine (vermeintlich) gute Sache, die in demokratischen Bestrebungen (wie Demonstrationen) mündet, und völkerrechtswidrigen Handlungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (wie Massenerschießungen) ist entschieden abzulehnen.
Sachlich:
Die Autorin wirft mit Falschaussagen um sich, hier nur als Beispiel:
„Wo Radikale einen Hoffnungsschimmer sehen, eine reale Chance, eine politische Utopie in die Wirklichkeit zu verwandeln. Historisch gesehen hat sich noch keine Utopie verwirklicht, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.“
Historisch gesehen ist dies vollkommener Unsinn. Außer, dass Utopie natürlich nur umgangssprachlich definiert wird (dass eine Utopie an sich etwas ist, was als nicht umsetzbar ist – dann aber kann ja jede Umsetzung einer Utopie nie stattgefunden haben; ein logischer Fehlschluss). Je nach Definition haben sich sehr viele Utopien umsetzen lassen, z.B. christlich-staatliche Visionen (schon mit der Christianisierung), Nationalsozialismus, Kommunismus etc.. Auch der „freie Markt“ ist eine gesellschaftliche Utopie. Solche Falschaussagen (im wissenschaftlichen Sinn) führen natürlich direkt zu Fehlschlüssen.
Auch das Wort „radikal“ scheint nicht überlegt genutzt zu werden und verdient noch einmal besonderer Aufmerksamkeit. „Radikale“ erscheinen der Autorin per se schlecht (ähnlich wie das Wort „Extremismus“ umgangssprachlich per se schlecht ist – weil ja von der allseits gewollten „Mitte“/Normativität des Ist-Zustands abgewichen wird). Wie ist es denn mit „radikalen“ Demokraten, z.B. im dt. Vormärz? Auch per se schlecht? Oder in der Weimarer Republik, bzw. der Revolution von 1918? In der Logik der Autorin müsste jetzt auf den Terror in der frz. Revolution verwiesen werden, in dessen Folge die Demokratie und „radikale“ Demokraten an sich auch vehement abgelehnt werden (/Dies ist eben auch eine Utopie gewesen, die sich nie durchsetzen konnte/Ironie aus).
Offensichtlich wird der Friedensnobelpreis meistens solchen Personen oder Organisationen verliehen, die seiner tatsächlich unwürdig sind. Die EU gehört auch zu dieser Gruppe.
Im Spanischen Bürgerkrieg kämpften auf beiden Seiten auch Deutsche mit, aber die Kämpfer auf der Seite der Franco-Gegner wurden im Nazi-Deutschland als „Rote Teufel“ bezeichnet. Heute werden in der BRD und anderen westlichen Ländern die „Islamisten“, die zum IS nach Syrien gehen, verteufelt. Wer am Ende Sieger bleibt und die Geschichte schreibt, entscheidet darüber, wer verteufelt wird und wer nicht, und wer die Guten und wer die Bösen sind.
Ich finde es scheußlich wie die Interbrigaden und linke Unterstüztung für die Sandinistas hier mit Nazikämpfern wie der Legion Kondor oder dem Asov-Battalion in der Ukraine in eins gesetzt werden.
Dazu spricht Anja Seuthe in bestem Verfassungsschutz-Slang durchgeden von Rechtsextremisten und Linksextremisten. Was solche Begrifflichkeiten mit dem Denken anrichten können, geht aus dem Artikel hervor. Auf einmal ist der Widerstand gegen den Faschismus gleichzusetzen mit diesem selbst. Ja, klar… alle Radikalen haben einen Tunnelblick. Dieser Artikel verdeutlicht den Tunnelblick einer „extremen Mitte.“
Das die Extremismustheorie eigentlich wissenschaftlich erledigt ist steht dann noch mal auf einem anderen Blatt. Das ist mit Abstand der schlechteste Artikel den ich je im Migazin lesen konnte. Ich hoffe es bleibt dabei.
Ich bin über den Artikel auch gelinde gesagt sprachlos, wenn nicht über die politische Haltung entsetzt.
Die desolaten jungen Männer (leider auch ein paar Mädels), die zur IS in der Krieg ziehen mit den Menschen, die im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Republik in den Interbrigaden gekämpft haben, in einem Atemzug zu nennen, ist beleidigend.
Sie wollen doch nicht allen Ernstes Ernst Hemmingway, Simone Weil, Ernst Busch, Marie Langer, Goldy Parin-Mattey und viele andere mehr, die ich schätze und denen ich für ihr Engagemat dankbar bin, mit den IS-Dschihadisten gleichsetzen.
In Spanien wurden junge Menschen, die sich den Internationalen Brigaden angeschlossen hatten, dann aber wieder zurück nach Hause wollten, als Deserteure liquidiert. Hemingway hat nach eigener Aussage in den beiden Weltkriegen 122 deutsche Soldaten getötet. Krieg ist Krieg, egal wo und unter welchen Vorzeichen er stattfindet. Es gibt keinen „sauberen“ Krieg. Es gibt höchstens Gründe für den Krieg, die dem einen oder anderen mehr oder weniger sinnvoll erscheinen.
Was ist denn mit Syrischen A-Syrern, die an Assad s Seite monatelang gekämpft und Menschen umgebracht haben?
Wieso hat denn man vor denen keine Angst?
Die einseitige Berichterstattung (Volksverblödung) zieht nicht mehr.