25 Jahre Mauerfall
Migrantische Perspektiven von damals bis heute zum Hören
Am 9. November vor 25 Jahren fiel die Berliner Mauer. Gefeiert wird dieses historische Ereignis am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit. Dieser Tag veränderte aber auch die Lebensverläufe vieler Migranten – vier Porträts zum Hören:
Von Valentina Repetto Donnerstag, 02.10.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.10.2014, 21:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Julieta Barbeiro – sie kam mit 21 Jahren als Solidaritätsstudentin von Angola nach Ost-Berlin.
Julieta Barbeiro war 21 Jahre alt, als sie an einem frischen Septembertag 1987 in Ost Berlin ankam. Nach dem Abitur in Angola – damals sozialistischer Bruderstaat der DDR – kam sie als Solidaritätsstudentin nach Deutschland. Sechs Jahre hatte sie eingeplant, um Deutsch zu lernen und an der Uni zu studieren. Zwei Jahre später aber fiel die Mauer und mit ihr Julieta Barbeiros Pläne.
Musik: Falco „Jeanny“ (Julieta Barbeiros Lieblingslied als sie nach Deutschland zog)
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Emine Bostancı – ist als türkisches Gastarbeiterkind 1980 nach West–Berlin zu ihren Eltern gezogen.
Emine Bostanci war fünf Jahre alt, als ihre Eltern nach Deutschland zogen. Sieben Jahre lebte sie bei Verwandten in der Türkei, bis sie schließlich am 13. Juni 1980 in West Berlin ankam. Als sie 21 Jahre alt war, schon verheiratet und mit einem zweijährigen Sohn, fiel die Mauer. Daraufhin verlor sie ihren Job als Küchenhilfe. Was im ersten Moment negative Auswirkungen hatte, barg aber eine große Gelegenheit für Emines Zukunft. [audio:2_Emine_Bostanci_Audio.mp3|titles=Emine Bostancı – ist als türkisches Gastarbeiterkind 1980 nach West–Berlin zu ihren Eltern gezogen|artists=Valentina Repetto]
Musik: Edip Akbayram „Aldırma Gönül“ (Emines Lieblingssong als sie nach Deutschland zog)
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Phan Huy Thao – kam ein Monat nach Mauerfall als vietnamesischer Vertragsarbeiter nach Ost-Berlin.
Phan Huy Thao (50) ist einer der ca. 60.000 Vietnamesen, die im Zuge der „solidarischen Bruderhilfe“ in die DDR gezogen sind. Er kam als Vertragsarbeiter im Dezember 1989 in Ostberlin an. Nicht wissend, dass die Mauer schon gefallen war. Für die vietnamesischen Einwanderer blieb aber die Grenze zwischen Ost und West bis zum 01. Juli 1990. Erst als die Währungsunion in Kraft trat, durften sie nach Westberlin. Mittlerweile lebt Phan Huy Thao seit 25 Jahren in Berlin, er ist verheiratet und hat zwei deutsche Töchter.
Musik: „Run like hell“ von Pink Floyd. Die Songs aus dem Album „The Wall“ hörte Thao besonders gerne.
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Tamyo Leonard Mwaungulu – Ostberliner mit Migrationshintergrund.
Diese Portraitreihe ist in Kooperation mit der interaktiven Theaterperformance „We Are the Play“ von „Sisyphos, der Flugelefant“ unter der künstlerischen Leitung von Chang Nai Wen (sdfprojekte.de) entstanden. “We are the play“ ist Teil des English Theatre Berlin-Projekts „25 Jahre Mauerfall or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Ossis/Wessis“ – etberlin.de
Tamyo Leonard Mwaungulu ist 1971 in Rummelsburg geboren und in der damaligen DDR aufgewachsen. Seine Mutter kommt ursprünglich aus Finsterwalde in Brandenburg, sein Vater aus Malawi in Afrika. Er berichtet von seiner Zeit in der DDR Neubauschule, wie sein erster Tag im parfümierten Westen war, wie die rassistische Stimmung nach der Wende hockochte und was er davon hält als (Ur)berliner einen Migrationshintergrund zu haben. [audio:4_Tamyo_Leonard_Audio.mp3|titles=Tamyo Leonard Mwaungulu – Ostberliner mit Migrationshintergrund|artists=Valentina Repetto]
Musik: „Blueprint“ von Rainbirds (diesen Song hörte Tamyo zur Wendezeit hoch und runter) Feuilleton Leitartikel
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Der Ansatz mittels Storytelling sozialen Wandel herbei zu führen hat erfolgreiche Vorbilder. Zum Beispiel spielen Autobiographien von Afro-Amerikaner eine große Rolle in der schwarzen Bewußtseinsbildung, die u.a. zu Civil Rights Movement führte. Bei den US Historikern komplementieren die Slave Narratives die methodologischen Scheuklappen und erzählen eine „Geschichte von unten“, bei der die Handlungsmacht und das Bewußtsein und die Denkfähigkeit der Betroffenden nicht schon wegen des Berufsethos der intellektuellen Klasse ausgeblendet werden.
Storytelling hilft diasporischen Communities die Sprachlosigkeit und Vergessenskultur in den transnationalen Familien zu überwinden, und ein authentisches Kollektivsubjekt zu schaffen.
Anders als die kulturalistischen Rassisten sind transnationale Identitäten nicht etwa multikulturalistisch geprägt, sondern von Narrativen des Verrates, der Sprachlosigkeit, der Selbstfindung, Pragmatimus und der Nostalgie. Diese Themen sind universal und finden sich nicht nur bei Menschen mit Einwanderungshintergrund, sondern auch bei „weißen“ Binnenminoritäten z.B. den frankophonen Menschen in Quebec, die inmitten einer anglophonen Mehrheit ihr Leben fristen.
Die Politik, Medienmacher und die Erzieher schaffen eine ideologische Verschränkung von Rassismus, Sexismus ud Kulturalismus durch Falschdarstellung der tatsächlichen Lebenswelten.
Im Zeitalter von Skype ist es möglich geworden die Praktiken der Oral History zu etwa der Hälfte der Kosten durchzuführen, weil die Präsenz-Interviews weg fallen. Die Amerikaner experimentieren mit Second Life Interviews in der virtuellen Welt, um sogar an schwer erreichbare Personengruppen heran zu kommen ( undokumentierte Einwanderer, Heiratsmigrantinnen ). Das Audio Material läßt sich über iTunes und Smartphones und Internet Streaming zu Grenzkosten von Null verteilen.
Die Implementierung von Storytelling in Kindergarten, Schule, Berufsschulen, Universität und Arbeitsplatz trägt wirklich etwas bei zum Bewußtseinswandel. Anders als bei ethnographischen und soziologischen Forschungsmethodiken geben Praktiker der Oral History den zum Forschungsobjekt gemachten Gruppen etwas zurück.
Wie häufig erleben wir es, dass sich „weiße Deutsche“ in Refugee und Einwandererorganisationen einschleichen, um an Material für wissenschaftliche Abschlußarbeiten heran zu kommen. Diese Praxis zerstört die Initiative der Betroffenden, da sie zur Organisation und Debatte nichts beizutragen haben, und sind eine zusätzliche Belastung, die am Ende nur zu mehr Papier und unnützen Vorträgen vor anderen „weißen Deutschen“ führt – Kommunikationsformate der Minderheiten werden von solcher Forschungspraxis nicht bedient.