Bundesarbeitsgericht

Kopftuch am Arbeitsplatz

Eine Muslimin zieht vor's Gericht, weil sie als Krankenschwester in einem evangelischen Krankenhaus ein Kopftuch tragen wollte. Wo fängt kirchliches Selbstbestimmungsrecht eines Arbeitgebers an und wo hört die Religionsfreiheit eines Beschäftigten auf? Das Bundesarbeitsgericht entscheidet heute.

Mittwoch, 24.09.2014, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 24.09.2014, 17:54 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Für Arbeitgeber ist es ein „rotes Tuch“. Wenn Musliminnen am Arbeitsplatz ein islamisches Kopftuch tragen, fürchten Vorgesetzte immer wieder negative Folgen für die Arbeitsabläufe und Schäden für das Image des Unternehmens. Am kommenden Mittwoch entscheidet das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt, ob ein kirchlicher Arbeitgeber von einer muslimischen Krankenschwester das Ablegen ihres Kopftuches verlangen kann (AZ: 5 AZR 611/12).

Die Muslimin wollte nach Elternzeit und Krankheit wieder arbeiten gehen, diesmal allerdings nur mit Kopftuch. Die evangelischen Augusta-Kliniken in Bochum lehnten dies ab. Es kam zum Rechtsstreit. Dabei berief sich die Pflegerin auf die im Grundgesetz geschützte Religionsfreiheit und ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht. Das Krankenhaus hingegen verwies auf die Hygienevorschriften, die das Tragen privater Kleidung verbieten, sowie auf ihr ebenfalls im Grundgesetz garantiertes kirchliches Selbstbestimmungsrecht.

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Die Krankenschwester müsse sich gegenüber dem christlichen Bekenntnis neutral verhalten, betonte die Klinik. Andernfalls würde bei Patienten und Besucher der Eindruck entstehen, dass die Kirche ihre Glaubensgrundsätze und ihren Verkündungsauftrag nicht ernst nehme. Das BAG entscheidet in dem Kopftuchstreit nun erstmals darüber, inwieweit das kirchliche Selbstbestimmungsrecht eines Arbeitgebers Vorrang vor der Religionsfreiheit eines Beschäftigten hat.

Kopftuchdebatte nicht das erste Mal vor Gericht
In der Vergangenheit haben Gerichte bereits mehrfach über Kopftuchverbote bei nicht-kirchlichen Arbeitgebern entschieden. So wies das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 21. August 2003 einen Kaufhaus-Betreiber in seine Schranken (AZ: 1 BvR 792/03). Dieser hatte eine muslimische Verkäuferin in der Parfümerieabteilung gekündigt, weil sie ihr Kopftuch während der Arbeitszeit nicht ablegen wollte. Das Bundesverfassungsgericht gab der Frau recht. Der Kaufhaus-Betreiber habe nicht ausreichend klargemacht, wieso es zu „betrieblichen Störungen oder wirtschaftlichen Nachteilen“ kommen könne.

Bei Lehrerinnen kann dagegen ein Kopftuchverbot gelten. So hielt das BAG in einem Urteil vom 10. Dezember 2012 die Abmahnung und Kündigung einer Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen für rechtens, die nur mit Kopftuch unterrichten wollte (AZ: 2 AZR 55/09). Das BAG entschied, dass Lehrer zur Neutralität verpflichtet seien. In einem weiteren Verfahren vom 20. August 2009 (AZ: 2 AZR 499/08) entschieden die Erfurter Richter, dass auch das Tragen einer Mütze nicht erlaubt sei, wenn diese „erkennbar als Ersatz für ein islamisches Kopftuch getragen wird“. Beide Fälle sind derzeit beim Bundesverfassungsgericht anhängig.

Teuer kann es für Arbeitgeber werden, wenn sie muslimische Stellenbewerberinnen wegen ihres Kopftuches ablehnen. Denn solch eine Begründung ist als Diskriminierung wegen des Glaubens anzusehen, entschied das Arbeitsgericht Berlin am 19. Oktober 2012 (AZ: 55 Ca 2426/12). Das Gericht verurteilte damit einen Zahnarzt zu einer Entschädigung in Höhe von 1.470 Euro. Er hatte eine muslimische Stellenbewerberin wegen des Wunsches, während der Arbeit ein Kopftuch zu tragen, abgelehnt. Das Tragen eines Kopftuches sei keine „Marotte“, sondern „unmittelbare Ausübung der Religionsfreiheit“, betonte das Gericht.
(epd/mig) Aktuell Recht

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  1. AGG-Mensch sagt:

    Einen Präzendenzfall gibt es bereits aus NRW (Aktenzeichen: 19 Ca 7222/07). Theoretisch dürfte die Krankenschwester den Kopftuch im evangelischen Krankenhaus trotzdem tragen, siehe Begründung des Arbeitsgerichts Köln:

    Eine Arbeitnehmerin, die ihre Tätigkeit zukünftig nur mit einem islamischen Kopftuch ausüben will, ist weiterhin in der Lage, ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung als Krankenschwester zu erbringen. Hierdurch wird nicht die Versorgung der Patienten behindert oder erschwert. Das Tragen eines Kopftuches durch eine muslimische Pflegekraft gefährdet nicht den Tendenzbereich eines kirchlichen Trägers. Ein kirchlicher Arbeitgeber kann allenfalls von den Arbeitnehmern, die Tendenzträger sind, die Einhaltung der wesentlichen kirchlichen Grundsätze verlangen (BAG NZA 2005, 1263). Die Klägerin ist als Krankenschwester nicht Tendenzträgerin. Tendenzträger sind vielmehr Funktionsinhaber, die in verantwortlicher Stellung einen maßgeblichen Einfluss auf die Tendenzverwirklichung und seine Repräsentanz haben. Hierzu gehören nicht Mitarbeiter, welche keine spezifische Tendenzverwirklichung bei der Tätigkeit ausüben (Schaub/ Linck Arbeitsrechtshandbuch § 131 Rn 51). Im Gegensatz zu den Reinigungskräften steht eine muslimische Krankenschwester zwar mehr in Kontakt mit den Patienten und fällt in der betrieblichen Öffentlichkeit auf. Tangierende Auswirkungen auf Patienten, oder gar nachhaltige Störungen sind nicht erkennbar, zumal die Patienten auch eines kirchlichen Krankenhauses nicht nur einer bestimmten Konfession angehören.

    Quelle:
    http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/koeln/arbg_koeln/j2008/19_Ca_7222_07urteil20080306.html
    Arbeitsgericht Köln: Aktenzeichen: 19 Ca 7222/07

  2. Praktiker sagt:

    @AGG-Mensch: Glauben Sie, dass diese Rechtsprechung irgendeinen positiven Effekt auf den Arbeitgeber hat?

  3. Mediator sagt:

    Wenn die Kirche doch so ein ernsthaftes Problem mit dem religiösen Kopftuch hat, warum stellen sie dann überall scheinheillig Marienbildchen mit Schleier auf? Und warum nennen sie sich denn überhaupt noch Christen, wenn für sie die Bibel keinen Wert mehr hat? Sie sollten mal die Paulusbriefe (1. Brief an Timotheus 2:9-11; 1. Brief an Korinther, 11:5-6) beherzigen, da steht auch was von Kopftuchgebot.
    Überhaupt ist dieses Theater um berufstätige bzw. studierte Muslimas, die gerade ein Vorbild für gelungene Integration sind, wegen dem Kopftuch einfach nur noch beschämend und absolut lächerlich!! Die Amis haben sogar Richterinnen mit Kopftuch, bei den Briten die Polizistinnen, was läuft schief mit den Kontinentaleuropäern? Wenn ihr euch schon zur christlich-abendländischen Tradition bekennt, dann bitte nicht selektiv!

  4. Saadiya sagt:

    Was würde passieren, wenn die Kopftuchträgerin angibt, ein christliches Kopftuch zu tragen, indem sie auf die entsprechenden Bibeltexte und auf die heilige Maria als Vorbild hinwiese???? Wäre mal interessant…….

  5. surviver sagt:

    Ich finde Integration und Bildung sollte man nicht auf’s Kopftuch begrenzen.
    „Richterinnen mit Kopftuch“ ist doch schon mal guter Ansatz.
    Aber ich denke in dem Punkt ist die USA Deutschland um 50 Jahre voraus.
    Oder hat einer schon mal in Deutschland ein schwarze n Richter/in gesehen?

  6. Trauma sagt:

    @Saadiya
    Maria ist nie Christin gewesen sie war Jüdin !
    Und was zum Teufel sind Christliche Kopftücher?
    Und bitte kommen sie nicht mit dem Nonnen schleier der ist Katholisch den gibt es bei den Protestanten nicht .

  7. AGG-Mensch sagt:

    Nicht der Arbeitgeber, sondern das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt sollte AZ: 19 Ca 7222/07 zur Kenntnis nehmen.

  8. Saadiya sagt:

    @Trauma: „Maria ist nie Christin gewesen sie war Jüdin !“

    Das hatte ich auch nicht behauptet. Ich sprach lediglich von der heilige Maria als Vorbild.

    „Und was zum Teufel sind Christliche Kopftücher? Und bitte kommen sie nicht mit dem Nonnen schleier der ist Katholisch den gibt es bei den Protestanten nicht .“

    Es ging eher um den im Artikel genannten Passus „muslimisches Kopftuch“, welches in einem christlichen Hause nicht getragen werden sollte nach dem Wunsch der Kirche und der Ansicht der Richter. Es war lediglich eine hypothetische Frage, was passieren würde, wenn die Dame gesagt hätte, sie trüge kein „muslimisches“ sondern eine „christliches“ Kopftuch.

  9. Lame Sultanina sagt:

    @surviver
    ich gebe Ihnen Recht, die USA ist hier weiter. Es gibt jedoch einen qualitativen Unterschied zu Deutschland. Dort fühlen sich Menschen, egal welcher Herkunft, als Amerikaner. In Deutschland bleibt meiner Beobachtung nach ein klares Bekenntnis bestimmter Migrantengruppen zu diesem Staat und der Nation jedoch aus mir unerklärlichen Gründen aus. Solange diese Kluft bestand hat, rückt Ihre Vorstellung in weite Ferne, fürchte ich….

    @Saadiya
    Man könnte auch eine andere hypothetische Frage stellen, die junge Frau hätte beim Betreten des Krankenhauses ihr Kopftuch abnehmen können und just nach verrichteter Arbeit das Kopftuch unmittelbar nach Verlassen der Arbeitsstätte wieder aufsetzen können? m.E. ist ihr dies auch zuzumuten ohne, dass Sie Ihren Glauben aufgibt, halten Sie diese hypothetische Frage für zuträglich?

  10. Geobrezel sagt:

    @Sadiyaa

    “ Es war lediglich eine hypothetische Frage, was passieren würde, wenn die Dame gesagt hätte, sie trüge kein “muslimisches” sondern eine “christliches” Kopftuch.“

    Man hätte ihr nicht geglaubt und ihre Kopfbedeckung wäre nicht mehr von der Religionsfreiheit gedeckt gewesen, da Sie ja keine Christin ist und somit auch keine Pflicht bestehen kann, dieses zu tragen.