OECD-Studie

Aufstieg durch Bildung bleibt für sozial Schwache in weiter Ferne

Der Slogan ‘Aufstieg durch Bildung‘ schien lange unantastbar. Doch eine aktuelle OECD-Studie zeigt gegensätzliche Tendenzen auf: Der demographische Wandel hat Deutschland fest im Griff. Die großen Verlierer sind Schüler aus sozial schwachen Familien.

Mittwoch, 10.09.2014, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 10.09.2014, 21:52 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

In Deutschland hängt der Bildungsabschluss noch immer von der familiären Herkunft ab. Das geht aus dem Bericht „Bildung auf einen Blick 2014“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Demnach sind nur 24 Prozent aller Erwachsenen zwischen 25 und 64 Jahren besser ausgebildet als ihre Eltern. 58 Prozent haben den gleichen Bildungsstand, 18 Prozent bleiben hinter den Qualifikationen ihrer Eltern zurück.

„Gerade für Schüler aus sozial schwachen Familien bleibt das Versprechen ‚Aufstieg durch Bildung‘ häufig in weiter Ferne“, sagte der Leiter des OECD Berlin Centers, Heino von Meyer, bei der Vorstellung des Berichts. Dabei könne kaum etwas Menschen besser aus Arbeitslosigkeit, Armut und Ausgrenzung herausführen als Bildung.

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Generationen im Wandel
Den Experten zufolge gehen in Deutschland Kinder von hochqualifizierten Eltern mit einer mehr als doppelt so großen Wahrscheinlichkeit an die Universität, Fachhochschule oder in Meisterklassen wie Kinder von Mittel- und Niedriggebildeten. Zudem wächst in Deutschland der Anteil der Hochgebildeten so langsam wie in keinem anderen OECD-Staat. 28 Prozent der 25- bis 64-Jährigen haben in Deutschland einen sogenannten Tertiärabschluss, den sie etwa an einer Hoch- oder Fachschule oder als Meister erworben haben. Im OECD-Durchschnitt sind es 33 Prozent.

Mit Blick auf die Unterschiede zwischen den Generationen heißt es in dem Bericht, dass in fast allen untersuchten Ländern jüngere Menschen höher gebildet sind als Ältere. Deutschland ist neben Israel und den USA jedoch eines von nur drei Ländern, bei denen im Laufe einer Generation kein wesentlicher Anstieg zu erkennen ist.

Der Bildungsabschluss wirkt sich auch das Einkommen aus. In Deutschland verdienten 2012 Hochqualifizierte 74 Prozent mehr als Erwerbstätige, die nach der Realschule oder dem Gymnasium weder eine Universität, eine Fachhochschule oder einen Meisterkurs besucht haben. Im Jahr 2000 lag der Vorsprung bei nur 45 Prozent.

Für Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) zeigt der OECD-Bericht, dass sich „das deutsche Bildungssystem durch eine signifikante Stabilität und Leistungsfähigkeit auszeichnet.“ Die CDU-Politikerin warnte davor, Akademiker gegen Facharbeiter auszuspielen. Wenn Kinder sich für einen niedrigeren Bildungsabschluss als den ihrer Eltern entscheiden, müsse dies kein Abstieg sein, sagte Wanka. Sie plädierte zudem für mehr Förderprogramme, um junge Leute zu qualifizieren.

Bedarf nach Reformen
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Sylvia Löhrmann (Grüne) hob hervor: „Je höher der Bildungs- und Kompetenzstand der Bevölkerung, desto besser ist diese für die Anforderungen der modernen Lebens- und Arbeitswelt gerüstet.“ Sie sprach sich für weitere Investitionen aus und für die Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems aus.

Nach Ansicht des DGB verfestigt sich die soziale Auslese beim Thema Bildung. „Bund, Länder und Kommunen müssen mehr für die Qualität der frühkindlichen Bildung, Inklusion in der Schule, die soziale Öffnung der Hochschulen und ein staatliches Weiterbildungssystem leisten“, erklärte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. Ohne frisches Geld würden diese Reformen jedoch nicht gelingen. Auch die Bildungsgewerkschaft GEW forderte mehr finanzielle Unterstützung.

Der Bericht listet Daten zu den Strukturen, der Finanzierung und der Leistungsfähigkeit von Bildungssystemen in den 34 OECD-Ländern sowie einer Reihe von Partnerländern auf. Zu den OECD-Staaten gehören unter anderem die EU-Länder sowie die USA, Australien und Kanada. Mit mehr als 150 international vergleichbaren Indikatoren zählt die Studie zu den umfangreichsten Bildungsberichten weltweit. Die mehr als 700 Seiten starke Erhebung wurde am Dienstag zeitgleich in Berlin und Brüssel vorgestellt. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft

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  1. Han Yen sagt:

    Das ist nicht ganz richtig. Der Bildungsabschluß in der BRD korreliert mit dem Bildungsabschluß des Vaters und schwach mit dem Bildungsabschluß der Mutter. Die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau ist trotz Grundgesetz Gebot immer noch nicht in der BRD realisiert.

    Der primäre Arbeitsmarkt macht es Frauen mit akademischer Bidung sehr schwer Fuß zu fassen, weil die Arbeitgeber Geschlecht als Signal für Leistungsbereitschaft sehen. Die Arbeitgeberseite macht eine ziemlich gute Wette auf die höhere Leistungsbereitschaft von Ehemännern und Familienvätern, die sich durch geschlechtliche Arbeitsteilung mehr Zeit investieren kann in Human Kapital und gelangen so zu Spezialisierungsvorteilen gegenüber Frauen. Ein männlicher Habitus ist üblicherweise auch teil der Performance Erwartung an Arbeitsplätzen im primären Arbeitsmarkt von der mittleren Management Ebene aufwärts. Einkommen korreliert viel stärker mit Geschlecht, Ethnizität und Alter als mit meritokratischen Variablen zur Operationalisierung der Kompetenz.

    Die sozial Schwachen sollte man auch differenziert sehen. Die Arbeitsmärkte setzen widersprüchliche Anreize für Frauen zu Hause zu bleiben oder sich an Männern anzupassen. Die Adaption von Frauen an den männlichen Habitus führt jedoch zu niedrigen Geburtenrate und gefährdet direkt die Reproduktion der Ware Arbeitskraft. Heterosexuelle Frauen haben nicht die Möglichkeit dem Arbeitgeber überzeugend den Kinderverzicht signalisieren zu können, damit der Arbeitgeber keine Angst haben muß, seine Weiterbildungsinvestitionen in Frauen durch Mutterschaft zu verlieren.

    Bei Alten haben wir vor allem eine Belastung des Wohlfahrtsstaates durch eine hohe Alters-Arbeitslosigkeit, falls einmal eine Kündigung ausgesprochen wurde. Das hat monetäre Konsequenzen. Die medizinische Betreuung von Alten ist sehr teuer. Ein Apotheker kann sich mit einer handvoll alter Senioren mit den richtigen Krankheiten ganz auf andere Kundschaft verzichten. Zum Teil sind die alten Männer selber schuld an ihrer Lage, weil sie an den Kapitalmarkt gebundende Rentenverträge abgeschlossen haben und damit die Outsourcing Projekte mit ihren Ersparnissen finanzieren, die schließlich zu ihrer Überflüssigwerdung beitragen.

    Frauen und Alte tragen mit ihrem Wahlverhalten dazu bei, dass die Steuerschlupflöcher für Amazon, Google, IKEA, Starbucks und SAP – um nur einige zu nennen – nicht geschlossen werden, und sie zusätzlich den Wohlfahrtsstaat aushöhlen.

    Der Sonderfall Migration und Diaspora Bevölkerung ist sehr, sehr viel komplexer. Migrantische Arbeit hat nämlich eine doppelte Stabilisierungsfunktion für den Kapitalismus. Einerseits will man sie am unteren Ende der Lohnskala halten, um alteingesessenen Bildungsverlierer, Jugend und Frauen den sozialen Aufstieg zu ermöglichen, die normalerweise die unteren Lohnskalen bevölkern. Andererseits möchte man gern eine schnellere Rückzahlung der Kredite an die Auswanderungsländer, dass durch die Rücküberweisungen und den Diaspora Tourismus um ein Vielfaches beschleunigt wird.

    Die Migration hat nämlich tatsächlich einen ökonomischen Hintergrund. Die Mehrheitseigentümer der Weltbank und des IMF – das sind die G7 – Staaten – betreiben systematisch eine Überschuldungspolitik ud treiben komplette Staaten in die Schuldenkrise. Entwicklungshilfe wird als Wirtschaftsförderung für heimische Unternehmen oder gleich als humanitäre Begleitmusik zu Interventionskriegen getarnt.

    Die Mehrheitseigentümer der Weltbank und des IMF haben ihre politischen Ziele der vollständigen Marktöffnung des Globus für ihre Konzerne bisher nicht erreichen können. Aber sie sind nah dran, und die Freihandelsgrenzen werden weiter ausgedehnt.

    Hemmnisse für weitere Freihandelsabkommen liegen vor allem in der Furcht vor der Vernichtung der einheimischen Industrie durch die Konzerne der G7. Jedoch spekuliert der IMF und die Weltbank richtig, dass durch die Rücküberweisungen und den Diaspora Tourismus die Kapitalisierung der Börsen in den Auswanderungsstaaten zunehmen wird – und diese Staaten irgendwann einlenken werden, wenn sie durch das Aussaugen ihrer Auswanderer irgendwann ausreichend kapitaliisert sind für den globalen Wettbewerb.

    Während dessen befassen sich auf den Offshore Finanzplätzen unter Anleitung der Weltbank und des IMF Finanzingenieure damit innovative Kreditverbriefungen der Rücküberweisungen und zukünftigen Tourismus Cash Flows zu entwickeln, um den Auswanderungsstaaten mehr Appetit auf noch mehr Kredite zu machen.

    Warum sind die einen arm und die anderen reich ? Warum steigen die einen auf und die anderen nicht. Mit Bildung läßt sich das nicht erklären.