OECD-Studie

Aufstieg durch Bildung bleibt für sozial Schwache in weiter Ferne

Der Slogan ‘Aufstieg durch Bildung‘ schien lange unantastbar. Doch eine aktuelle OECD-Studie zeigt gegensätzliche Tendenzen auf: Der demographische Wandel hat Deutschland fest im Griff. Die großen Verlierer sind Schüler aus sozial schwachen Familien.

In Deutschland hängt der Bildungsabschluss noch immer von der familiären Herkunft ab. Das geht aus dem Bericht „Bildung auf einen Blick 2014“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Demnach sind nur 24 Prozent aller Erwachsenen zwischen 25 und 64 Jahren besser ausgebildet als ihre Eltern. 58 Prozent haben den gleichen Bildungsstand, 18 Prozent bleiben hinter den Qualifikationen ihrer Eltern zurück.

„Gerade für Schüler aus sozial schwachen Familien bleibt das Versprechen ‚Aufstieg durch Bildung‘ häufig in weiter Ferne“, sagte der Leiter des OECD Berlin Centers, Heino von Meyer, bei der Vorstellung des Berichts. Dabei könne kaum etwas Menschen besser aus Arbeitslosigkeit, Armut und Ausgrenzung herausführen als Bildung.

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Generationen im Wandel
Den Experten zufolge gehen in Deutschland Kinder von hochqualifizierten Eltern mit einer mehr als doppelt so großen Wahrscheinlichkeit an die Universität, Fachhochschule oder in Meisterklassen wie Kinder von Mittel- und Niedriggebildeten. Zudem wächst in Deutschland der Anteil der Hochgebildeten so langsam wie in keinem anderen OECD-Staat. 28 Prozent der 25- bis 64-Jährigen haben in Deutschland einen sogenannten Tertiärabschluss, den sie etwa an einer Hoch- oder Fachschule oder als Meister erworben haben. Im OECD-Durchschnitt sind es 33 Prozent.

Mit Blick auf die Unterschiede zwischen den Generationen heißt es in dem Bericht, dass in fast allen untersuchten Ländern jüngere Menschen höher gebildet sind als Ältere. Deutschland ist neben Israel und den USA jedoch eines von nur drei Ländern, bei denen im Laufe einer Generation kein wesentlicher Anstieg zu erkennen ist.

Der Bildungsabschluss wirkt sich auch das Einkommen aus. In Deutschland verdienten 2012 Hochqualifizierte 74 Prozent mehr als Erwerbstätige, die nach der Realschule oder dem Gymnasium weder eine Universität, eine Fachhochschule oder einen Meisterkurs besucht haben. Im Jahr 2000 lag der Vorsprung bei nur 45 Prozent.

Für Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) zeigt der OECD-Bericht, dass sich „das deutsche Bildungssystem durch eine signifikante Stabilität und Leistungsfähigkeit auszeichnet.“ Die CDU-Politikerin warnte davor, Akademiker gegen Facharbeiter auszuspielen. Wenn Kinder sich für einen niedrigeren Bildungsabschluss als den ihrer Eltern entscheiden, müsse dies kein Abstieg sein, sagte Wanka. Sie plädierte zudem für mehr Förderprogramme, um junge Leute zu qualifizieren.

Bedarf nach Reformen
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Sylvia Löhrmann (Grüne) hob hervor: „Je höher der Bildungs- und Kompetenzstand der Bevölkerung, desto besser ist diese für die Anforderungen der modernen Lebens- und Arbeitswelt gerüstet.“ Sie sprach sich für weitere Investitionen aus und für die Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems aus.

Nach Ansicht des DGB verfestigt sich die soziale Auslese beim Thema Bildung. „Bund, Länder und Kommunen müssen mehr für die Qualität der frühkindlichen Bildung, Inklusion in der Schule, die soziale Öffnung der Hochschulen und ein staatliches Weiterbildungssystem leisten“, erklärte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. Ohne frisches Geld würden diese Reformen jedoch nicht gelingen. Auch die Bildungsgewerkschaft GEW forderte mehr finanzielle Unterstützung.

Der Bericht listet Daten zu den Strukturen, der Finanzierung und der Leistungsfähigkeit von Bildungssystemen in den 34 OECD-Ländern sowie einer Reihe von Partnerländern auf. Zu den OECD-Staaten gehören unter anderem die EU-Länder sowie die USA, Australien und Kanada. Mit mehr als 150 international vergleichbaren Indikatoren zählt die Studie zu den umfangreichsten Bildungsberichten weltweit. Die mehr als 700 Seiten starke Erhebung wurde am Dienstag zeitgleich in Berlin und Brüssel vorgestellt. (epd/mig)