Tag der Entscheidung

Europäischer Gerichtshof entscheidet über deutsches Ausländerrecht

Der Ehegattennachzug nach Deutschland ist zumindest für Drittstaatler seit 2007 in Deutschland erschwert worden. Danach müssen alle Nicht-EU-Ausländer Sprachkenntnisse nachweisen, bevor sie nach Deutschland ziehen. Problem: In vielen Ländern und Städten dieser Welt gibt es überhaupt keine Sprachkurse. Nun entscheidet am Donnerstag der Europäische Gerichtshof über das deutsche Ausländerrecht.

Von Mittwoch, 09.07.2014, 18:02 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 14.07.2014, 0:33 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Ein Deutsch-Sprachtest erschwert seit Jahren das Zusammenleben von Ehepaaren. Denn Deutschland verlangt von ausländischen Ehepartnern aus Nicht-EU-Staaten, die zu ihrem Ehepartner nach Deutschland ziehen wollen, den Nachweis „einfacher Deutschkenntnisse“. Am Donnerstag entscheidet der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, ob die deutschen ausländerrechtlichen Vorschriften gegen das Recht auf Freizügigkeit und Familienzusammenführung verstoßen.

Seit 2007 erteilt Deutschland ein Visum für den Ehegattennachzug von sogenannten Drittstaatsangehörigen nur, wenn der nachzugswillige Ehegatte sich auf einfache Art mündlich und schriftlich in Deutsch verständigen kann. Bei Drittstaatsangehörigen handelt es sich um Ausländer, die sich nicht auf das Recht der EU-Freizügigkeit berufen können. Mit dem Sprachtest sollen nach Behauptung des Gesetzgebers Schein- und Zwangsehen erschwert und die Integration in Deutschland erleichtert werden.

___STEADY_PAYWALL___

Damit der ausländische Ehepartner überhaupt nach Deutschland kommen kann, verlangt die Deutsche Botschaft für die Visumerteilung in der Regel ein Zertifikat des Goethe-Instituts über die Sprachprüfung A1 „Start Deutsch“. Doch der deutsche Sprachtest ist gar nicht so einfach zu bekommen. „In vielen Staaten gibt es nur in der Hauptstadt ein Goethe-Institut, so dass nachzugswillige Ehepartner für den Deutsch-Kurs und dem anschließenden Test dort erst einmal eine Unterkunft suchen und manchmal sogar ihre Arbeit aufgeben müssen“, sagt Hiltrud Stöcker-Zafari, Bundesgeschäftsführerin vom Verband binationaler Familien- und Partnerschaften. Bis dann der Sprachtest gemacht werden kann, vergingen oft Monate.

„Ein Sprachtest im Ausland darf keine zwingende Voraussetzung für den Familiennachzug nach Deutschland sein“, fordert Stöcker-Zafari. Es sei doch viel sinnvoller und einfacher, dass erst in Deutschland die deutschen Sprachkenntnisse erworben und dann getestet werden. „Man will wohl auf diese Weise die finanzschwachen Ehegatten aus anderen Ländern von Deutschland fernhalten“, vermutet Stöcker-Zafari.

Denn gerade bildungsferne oder finanzschwache, nachzugswillige Ausländer hätten häufig große Probleme, den Sprachtest zu bestehen. „Er ist gerade für Ausländer aus ganz anderen Kulturkreisen schwierig, da auch Begriffe abgefragt werden, die in dem Heimatland fremd oder unbekannt sind“, so Stöcker-Zafari.

Im konkreten, vom EuGH nun zu entscheidenden Fall hatte eine Türkin geklagt, die zu ihrem in Deutschland lebenden Ehemann ziehen wollte. Die Deutsche Botschaft in Ankara hatte ihr ein Visum verweigert, weil sie als Analphabetin nicht über einfache deutsche Sprachkenntnisse verfügt. Die Frau sah damit ihr Recht auf Familienzusammenführung verletzt.
Das Bundesverfassungsgericht hatte am 19. April 2011 noch entschieden, dass der Gesetzgeber für den Familiennachzug durchaus ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verlangen kann (AZ: 2 BvR 1413/10). Er habe hier einen weiten Gestaltungsspielraum. Selbst wenn die betroffenen Ausländer mit Hilfe eines Kurses nur rudimentäre Sprachkenntnisse erlangen, stelle dies einen „ersten Beitrag zur erwünschten Integration in Deutschland dar“.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte ein gutes Jahr später, am 4. September 2012, im Fall einer Afghanin den Nachzug zum deutschen Ehepartner erleichtert (AZ: 10 C 12.12). Ausländische Ehepartner könnten nach einem Jahr auch ohne ausreichende deutsche Sprachkenntnisse zu ihrem deutschen Ehepartner ziehen. Um dann dauerhaft in Deutschland bleiben zu dürfen, müssten sie allerdings nach ihrer Einreise Deutsch lernen.

Denn es gebe ein öffentliches Interesse, dass der nach Deutschland ziehende Ausländer über einfache Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Dies diene der Integration, aber auch der Verhinderung von Zwangsehen. (epd/mig) Aktuell Politik

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Saadiya sagt:

    Ich halte die Verknüpfung von Spracherwerb mit der Begründung der Verhinderung von Zwangsehen für fragwürdig. Zwangsehen können nicht durch den rudimentären Spracherwerb der deutschen Sprache im Herkunftsland verhindert werden. Wie im Artikel beschrieben haben auch freiwillig geheiratete Paare hohe Hürden zu überwinden, bevor sie nach der Eheschließung zusammenleben können. In einigen Fällen ist es sogar unmöglich, da die Entfernungen zum nächsten Goetheinstitut zu weit, die Kosten viel zu hoch für die Betroffenen sind oder gar, weil gar kein Goetheinstitut verhanden ist im Herkunftsland (z.B. in Krisenstaaten).