Menschenrechtsgerichtshof

Französisches Burka-Verbot ist rechtens

Eine Vollverschleierung beeinträchtigt die Idee des Zusammenlebens. Das entschied das Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Damit ist das französische Burka-Verbot rechtens. Dem Argument, die Burka stelle ein Sicherheitsrisiko dar, folgten die Richter aber nicht.

Mittwoch, 02.07.2014, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 06.07.2014, 23:57 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Das Burka-Verbot, das Frankreich im Jahr 2010 erlassen hat, stellt keine Menschenrechtsverletzung dar. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg am Dienstag entschieden (AZ: 43835/11). Die europäischen Länder hätten in dieser Frage einen großen Entscheidungsspielraum, erklärten die Richter. Das Argument der französischen Regierung, dass Bürger zwecks eines guten gesellschaftlichen Miteinanders ihre Gesichter nicht verschleiern sollten, sei legitim.

Geklagt hatte eine heute 24-jährige französische Muslima, die ihr Recht auf Religionsfreiheit und auf Privatleben geltend gemacht hatte. Sie wandte sich gegen das Verbot einer Verhüllung des Gesichts in der Öffentlichkeit – etwa durch den Ganzkörperschleier Burka oder den Gesichtsschleier Niqab. Die Klägerin führte an, dass sie von niemandem zur Verhüllung gezwungen werde. Sie praktiziere sie vielmehr, um zu innerem Frieden zu finden. Vor Gericht wurde die junge Frau von mehreren Anwälten aus Großbritannien vertreten.

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Urteil mit grundsätzlicher Bedeutung
Die Große Kammer des Menschenrechtsgerichtshofes fällte nun ein Urteil, das auch für die übrigen europäischen Länder von grundsätzlicher Bedeutung ist. Sie akzeptierte das Argument der französischen Regierung, dass ein Gesichtsschleier eine „Barriere gegen andere“ sei, die die „Idee des Zusammenlebens“ beeinträchtigen könne. Die Richter hielten die Haltung Frankreichs für nachvollziehbar, dass das menschliche Gesicht eine bedeutende Rolle in der sozialen Interaktion spiele, weshalb eine Barriere das Recht anderer Menschen auf Leben in einem sozialen Raum beeinträchtige.

Der Gerichtshof bestätigte jedoch auch, dass die Länder Europas in der Frage sehr unterschiedliche Sichtweisen pflegen und viel Freiheit bei der Umsetzung der Menschenrechtskonvention besitzen. Umfassende Schleierverbote sind in Europa bisher eine Seltenheit: Ein ähnliches Verbot wie Frankreich gibt es in Belgien. In Deutschland haben einige Bundesländer bestimmte Auflagen für Beamtinnen erlassen. Die Richter wiesen das Argument Frankreichs zurück, dass ein Burka-Verbot aus Gründen der öffentlichen Sicherheit notwendig sei.

Zwei der 17 Richter, unter ihnen die deutsche Juristin Angelika Nussberger, wollten sich der Mehrheitsmeinung der Großen Kammer und der französischen Position hingegen überhaupt nicht anschließen. „Ein solch weitreichendes Verbot, das in das Recht auf eigene kulturelle und religiöse Identität eingreift, ist in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig“, erklärten sie. Es liege daher ihrer Ansicht nach eine Menschenrechtsverletzung vor. (epd/mig) Aktuell Recht

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  1. aloo masala sagt:

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    Ich verspreche mir von dem Urteil ein langfristiges Umdenken in Richtung Emanzipation der Frauen von den männlich dominierten Vorstellungen darüber, was für Frauen “schicklich” sei.
    —-

    Davon ist weder im Gesetz noch im Urteil die Rede. Man ist dieser Diskussion aus dem Weg gegangen, weil man über diesen Weg das Verschleierungsverbot nie durchbekommen hätte.

    Davon abgesehen erzählen Sie jetzt den Frauen, was Sie für schicklich halten und scheren sich nicht darum, dass es die Frauen überhaupt nicht interessiert. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen den Männern, die Frauen in ein Kopftuch zwingen, weil sie es für schicklich halten und Männern, die Frauen die Burka verbieten, weil sie es für schicklich halten. In beiden Fällen sehe ich keinen Raum für Emanzipation, nur Fremdbestimmung der Gutmeinenden, die Frauen zu etwas zu ihrem Besten zwingen, was sie teilweise gar nicht wollen.


    Nicht jede Minderheitenmeinung ist per se schutzwürdig.

    Es geht nicht um Minderheitenmeinung, sondern um Grundrechte. Grundrechte dürfen nicht eingeschränkt werden, außer wenn sie mit anderen Grundrechten kollidieren. Die „Idee des Zusammenlebens“ ist Geschwafel aber kein Grundrecht.

  2. Ute Fabel sagt:

    @ aloo masala:

    Was „Gott“ wirklich will, ist nicht ergründbar. Es wäre ebenso religiös begründbar, immer nackt in der Öffentlichkeit herumgehen zu wollen, um sich so in den Urzustand von Adam und Eva im Garten Eden begeben zu können. Es geht allerdings nicht an, dass diejenigen, die sich mit einen Anliegen auf irgend einen göttlichen Befehl berufen von gesellschaftlichen Regeln des Zusammenlebens ausgenommen werden. Das ist eine Pervertierung im Verständnis der Religionsfreiheit und führt zu einer Ungleichheit der Menschen vor dem Gesetz. In vielen italienischen Fremdenverkehrorten ist es verboten, dass Männer mit nacktem Oberkörper und Frauen nur mit Bikinioberteil außerhalb des Strandes in den Stadtzentren in Erscheinung treten. So gesehen ist es umso verständlicher, wenn ein Staat die Totalverhüllung in der Öffentlichkeit unterbinden will.

  3. Fabian G. sagt:

    @aloo masala & Lynx

    Es ist schon ein bisschen arrogant zu glauben, man wüsste besser Bescheid über Grundrechte, Freiheit und dem Zusammenleben in unserer Gesellschaft, als die Richter und Experten am europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

    Das Urteil ist richtig, da für unsere Gesellschaft und für das Individuum kein Mehrwert durch die das tragen dürfen einer Burka entsteht. Und man soll doch bitte nicht anfangen die Burka über die Emanzipation der Frau zu rechtfertigen. Wie billig und doppelzüngig ist das denn bitte? Wenn man anfängt Worte in ihrer Bedeutung dermaßen zu verdrehen und zu verzerren, dann kratzt das ungemein an der Glaubwürdigkeit.

    Ich bin der Meinung, dass das Zusammenleben in unserer Region eher von einem Gericht oder der Regierung vorgegeben werden darf, als von einer Religion. Es ist schon entlarvend, dass die Religionsfreiheit scheinbar, als einziges der vielen Grundrechte von vielen Muslimen, als absolut angesehen wird und scheinbar auch das einzige ist bei dem man sensibel reagiert, wenn es Einschränkungen geben soll.

    @aloo masala

    wie erklären Sie mir denn beispielweise, warum nackt durch die Stadt laufen als Erregung öffentlichen Ärgernisses anerkannt wird und eine Burka obwohl ich da ganz klar auch ein Ärgerniss erkennen kann, nicht verboten werden darf? Beides ist doch immer nur vom Glauben und der inneren Überzeugung des Individuums abhängig, aber dafür setzten Sie sich überhaupt nicht ein!

    Ihnen geht es nicht um Freiheit oder Grundrechte sondern lediglich um eine dem Islam zugewandte und ihm entgegenkommende Auslegung der Gesetze und deren Interpretation. Sie vergessen bei Ihrer Argumentation, dass es den Gerichten wie auch unseren Regierungen immer darum geht, dass alle Religion und Glaubensrichtungen hier friedlich zusammenleben können müssen und nicht nur der Islam und das ist nur möglich, wenn sich alle ein bisschen zurücknehmen in ihrer Kompromisslosigkeit! Es ist naiv zu glaube, dass man in einer Gesellschaft friedlich zusammenleben kann, wenn jeder sein Leben nur noch nach den Buchstaben seiner Religion Leben darf!

    Sie wollen Freiheit, aber Sie wollen kein Frieden. Also eine Art wilder Westen mitten in Europa!

  4. aloo masala sagt:

    @Ute Fabel

    —-
    Es geht allerdings nicht an, dass diejenigen, die sich mit einen Anliegen auf irgend einen göttlichen Befehl berufen von gesellschaftlichen Regeln des Zusammenlebens ausgenommen werden.
    —-

    Das ist Religionsfreiheit. Sie ist grundrechtlich verbrieft und kann nur durch Güterabwägung mit anderen Grundrechten eingeschränkt werden. Ihre Position ist deswegen nur in folgenden Fällen haltbar:

    1) Sie lehnen Grundrechte ab und entscheiden selbst willkürlich, wer was darf. In diesem Fall wäre Ihre Haltung jenseits der gesetzlich verbrieften „gesellschaftlichen Regeln des Zusammenlebens“.

    2) Sie erklären uns, auf welches Grundrecht sie sich genau berufen, wenn sie vom „gesellschaftlichen Regeln des Zusammenlebens“ sprechen und weshalb dieses Grundrecht mit der Religionsfreiheit im Falle der Burka kollidiert.

    Vielleicht gibt es auch weitere Alternativen. Wenn dem so ist, bitte ich um Nennung.

  5. aloo masala sagt:

    @Fabian G.


    Es ist schon ein bisschen arrogant zu glauben, man wüsste besser Bescheid über Grundrechte, Freiheit und dem Zusammenleben in unserer Gesellschaft, als die Richter und Experten am europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

    Es ist schon ein bisschen frech zu behaupten, dass ich von mir so eingenommen bin und mich in juristischen Fragen für schlauer halte als einschlägige Experten.

    Umgekehrt entspricht Ihre Haltung einer typischen untertänigen Obrigkeitshörigkeit gegenüber den Aussagen von Experten. Unter den Richtern waren ich glaube zwei, die diese Entscheidung der EU ablehnten. Die indischstämmige Juristin Shami Chakrabarti (Hindu) lehnt dieses Urteil als rassistisch ab. Warum haben die Stimmen dieser Juristen bei Ihnen weniger Gewicht?

  6. Cengiz K sagt:

    Das ist noch so ein „Wir-und-Die“-Urteil.. Menschen- und Bürgerrechte waren schon immer politisches Geplänkel, das ist kein Novum.. Wer die Macht hat, hat das Sagen.. Fazit: Das Urteil (schon wieder mal) ist schlicht und ergreifend ungerecht..

  7. Fabian G. sagt:

    „Die indischstämmige Juristin Shami Chakrabarti (Hindu) lehnt dieses Urteil als rassistisch ab. Warum haben die Stimmen dieser Juristen bei Ihnen weniger Gewicht?“

    Nicht weniger Gewicht, sondern einfach in der Minderheit. Von 12 Juristen haben 2 das Urteil abgelehnt. Und ich glaube nicht, dass dieses Urteil auch im entferntesten etwas mit Rassismus zu tun hat.

    Sie wollen ganz offensichtlicht auch nicht, dass die Mehrheit sich der Mehrheit annähert, sondern sie wollen, dass die Mehrheit die Meinung der Minderheit komplett akzeptiert. Sie wollen stillstand und Anarchie, aber Sie haben kein Interesse an ein friedliches Zusammenleben und ein Miteinander, sondern sie wollen dass die Gesellschaft zerfällt in heterogene Gruppen in der jeder sein Süppchen kocht.

    Sie haben ein sehr eigensinniges Verständnis wie Gesellschaften funktionieren, wie Menschen zusammenleben und vorallem, wie wir hier zusammenleben. Das GG ist kein Koran und auch keine Bibel! Das GG ist nicht vom Himmel gefallen. Und es wurde nicht irgendwo geschrieben und verfasst, sondern in Deutschland. Unsere Grundrechte sind von Menschen geschaffen worden und können auch von den Menschen verändert werden. Alles ist verhandelbar, wenn man es mit Vernunft und einer gewissen Mehrheit begründen kann. Wir sind doch keine Lemminge und schauen dabei zu wie manche Menschen sich hier ihre Parallelgesellschaft aufbauen und uns ablehnen und dann obendrauf auch noch Toleranz fordern uns ablehnen zu dürfen. Sorry, aber das muss doch ein Witz sein!?

    Übrigens könnte man sehr wohl darüber diskutieren ob nicht die Menschenwürde durch das Tragen einer Bruka untergraben wird! Oder ist es eines Menschen würdig, keine Kontakt knüpfen zu dürfen und nicht gesehn werden zu dürfen?

  8. Mathis sagt:

    Dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das gesellschaftliche Zusammenleben und dessen Voraussetzungen als Wert einstuft, wird wohl von niemandem kritisiert werden, der Integration und Teilhabe ernst nimmt.
    Wer die Bedingungen für gelingendes gesellschaftliches Miteinander ignoriert, für den ist der vom Gericht proklamierte Wert obsolet, überflüssig, irrelevant.Die Vollverschleierung ist ein Indiz für diese Ignoranz und das Straßburger Urteil ein Affront für alle, die dieser Ignoranz zugeneigt sind.

  9. aloo masala sagt:

    @Fabian G

    Nun wissen wir eine Menge darüber, was für ein schlechter Kerl ich bin, was aber sind Ihre Argumente?

  10. aloo masala sagt:

    @Mathis

    Sie müssten konkreter werden. Wie soll der Wert des gesellschaftlichen Zusammenlebens aussehen? Um welches Grundrecht handelt es sich, dass man ein Grundrecht einschränken darf? Alleine wegen einer vagen Idee Grundrechte einzuschränken ist eher ein Zeugnis, dass man vor allem seine eigenen Ideen des Zusammenlebens anderen gegen ihren Willen aufdrücken möchte.