Buchtipp zum Wochenende

Vielfältiges Deutschland. Bausteine für eine zukunftsfähige Gesellschaft

Eine zukunftsfähige Gesellschaft, die einen anderen Umgang mit dem Thema „Migration“ kultivieren möchte als bisher, muss ihr Selbstverständnis verändern. Im 21. Jahrhundert tragen Konzepte nicht mehr, die ein nationales „Wir“ von einem fremden „Die anderen“ unterscheiden. Was aber trägt stattdessen?

Freitag, 20.06.2014, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 23.06.2014, 23:06 Uhr Lesedauer: 1 Minuten  |  

„Die Gesetze und Institutionen, mit denen Deutschland bis heute Zuwanderung steuert und gestaltet, atmen in Tielen noch den Geist jener Ära, in der die Integrationspolitik durch Begriffe wie Anwerbestopp und Rückkehrprämie charakterisiert war – eine Zeit, in der man Einwanderung endämmen wollte, weil die Überzeugung dominierte, dass Einwanderer eher soziale Probleme bereiten“, stellt Jörg Dräger in seinem Vorwort zum vorliegenden Buch fest. Was hat sich seit dem geändert bzw. muss sich noch ändern?

Aus fünf Blickwinkeln liefert „Vielfältiges Deutschland“ mögliche Antworten. So geht Friedrich Heckmann etwa dem neuen Ton im migrationspolitischen Diskurs nach, Herbert Brücker den Auswirkungen der Einwanderung auf Arbeitsmarkt und Sozialstaat. Aber auch die Evidenz der Massenmedien sind ebenso Thema wie Journalismus oder Theater, Bildung und die neuen „ausländischen“ Wähler. Insgesamt liegt der Schwerpunkt in den weit über 500 Seiten auf den Themenfeldern „Identität“, „Willkommens- und Anerkennungskultur“, „Zuwanderungssteuerung“ sowie „Repräsentanz und öffentlicher Diskurs“.

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Vielfältiges Deutschland. Bausteine für eine zukunftsfähige Gesellschaft.
1. Auflage 2014, 550 Seiten, Broschur
ISBN 978-3-86793-506-7
28,00 EUR
Zur Bestellung

Es geht um Orientierungspunkte für eine im Wandel befindliche Gesellschaft, welche die Fehler zu vermeiden sucht, die in der sogenannten Gastarbeiterära begangen wurden und den Integrationsdiskurs in Deutschland jahrzehntelang belastet haben. Die neuen Konzepte müssen ein komplexes Bündel an politischen, kulturellen und administrativen Fragen beantworten. Zu vielen Aspekten gibt es konkurrierende Antworten und divergierende Interessen. Aktuell Feuilleton

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  1. Philosoph sagt:

    Gleichheit und Vielfalt sind Widersprüche in sich selbst. Will man Gleichheit muss man auf Vielfalt verzichten. Will man Vielfalt, muss man auf Gleichheit verzichten. Rein philosophisch betrachtet, ist beides nicht miteinander zu vereinen. Der Wunsch nach Homogenität ist der Freund des sozialen Friedens und der Feind der Vielfalt. Vielfalt erzeugt „discrimina“, d.h. Unterschiede. Wie kann es auch anders sein?

  2. Han Yen sagt:

    @Philosoph

    Das kann man nicht unkommentiert stehen lassen. Mit Gleichheit ist nicht gemeint, dass alle gleich sind an Attributen, sondern vertragsrechtlich sollen alle gleiche Verträge mit dem Souverän, Firmen und Institutionen abschließen können. D.h. man bietet allen gleiche Rollen an und sorgt für Rollenvielfalt und reibungslose Übergänge.

    Vielfalt ist der tatsächliche Normalzustand der Gesellschaft. Er braucht nicht besonders hergestellt zu werden.

    Die Einwanderung resultiert in ein breiteres Rollenangebot ein Mann, eine Frau, ein Kind, ein Pensionär und einen Beruf auszuüben. Sehr viele Rollenangebote werden zum Schicksal und zur Belastung oder auch zur Falle. Das ist aber kein unentrinnbares Schicksal, sondern Machtdiskurse und institutionelle Arrangements sind in der Verantwortung.

  3. Global Player sagt:

    Gar kein Mädchen mit Schleier oder Burka auf dem Cover… warum nicht?

  4. Philosoph sagt:

    Herr Han Yen, wenn Sie in der „Gleichheit“ keine gesellschaftliche Gleichheit, sondern nur eine Chancengleichheit sehen, verstehe ich Ihr Problem nicht. Jeder kann in Deutschland kostenlos die Schule besuchen, die Studiengebühren sind im internationalen Vergleich lächerlich und die Kitas werden bezuschusst. Wer sich bewirbt und gute Noten hat, wird im Allgemeinen genommen, weil die Unternehmen an profitablen Arbeitern interessiert sind.

    Ein anderer Fall tritt natürlich dann ein, wenn jedem der formale Zugang zu Leistungsattributen (z.B. Promotionstiteln) offen steht. Wenn etwa sehr gute Noten leicht erlangt werden können, weil ein allgemeiner Gleichheitswahn vorherrscht, führt das dazu, dass Leistung nicht mehr objektiv „messbar“ ist. Wenn Leistung aber nicht mehr messbar ist, werden plötzlich andere Kriterien wirksam. Dann heißt es: Welcher Verein, welche Herkunft, welcher „background“, welcher Proporz? Sehr leistungsfreundlich ist das nicht. Die andere Alternative ist die elitäre. Dort bleiben die Leute dann unter sich, oft auch unbeeinflusst von der Politik.

    Die „Macht“, von der Sie sprechen, kommt von unten. Es handelt sich dabei im Allgemeinen um die Machtausübung der Durchschnittlichen und Unterdurchschnittlichen, die nach gesellschaftlicher Teilhabe gieren, gleichzeitig aber die Grundlagen eines Leistungssystems untergraben, das sich bis jetzt bewährt hat. Diejenigen, die sich gegen die Gleichmacherei wehren, schotten sich natürlich ab. Das führt dann erzwungenermaßen zur „Vielfalt“ der Milieus. Nein, gesellschaftliche Gleichheit hat durchaus ihren Sinn, weil sie den Wunsch nach unsinnigen Gerechtigkeitsdebatten und Beteiligungswünschen unterbindet. Je sozialistischer es zugeht, umso weniger ist eine Gesellschaft homogen, ganz einfach aus dem Grund, weil sich die etablierten Leistungseliten sich abschotten und diejenigen, die tüchtig sind, aus dem Einheitsbrei nicht lösen können. Das sieht man ja gerade in Ungarn. Dort hat sich die Klassengesellschaft des 19. Jahrhunderts 1:1 erhalten, trotz des Kommunismus!

    Ihr Argument mit der Vielfalt stimmt im Bezug auf unser Land nicht. Die Gesellschaft der BRD nach 1949 war nicht vielfältig, sondern sehr egalitär. In einem total ausgebombten Land konnte man sich nicht auf irgendwelche Ungerechtigkeiten hinausreden, da musste angepackt werden, ganz ohne Rücksicht auf die Herkunft. Da gab es keine „Vielfalt“. Da war alles grau und monoton, da hatte jeder dasselbe Kleid, den selben Rock, den selben Garten, dasselbe Auto. Wenn Sie sich den „typischen“ Deutschen ansehen, ist das heute noch immer so.

    Es geht hier sehr wohl um eine gesellschaftliche Gleichheit, nicht um eine rechtliche. In meinen Augen sind Ihre „Rollen“ nichts anderes als Attribute. Wenn jedem jede „Rolle“ ohne real erbrachte Vorleistung zusteht, etwa die eines Professors, wozu brauchen wir dann eine komplizierte, differenzierte Ausbildung? Führt die Gleichmacherei nicht zu einer ungerechten Vielfalt? Führt hingegen die Ablehnung der Gleichmacherei zu mehr realer gesellschaftlicher Gleichheit? Machen sich dann nicht völlig falsche Leitbilder breit?

    Ich für meinen Teil befürchte, dass der Zug für die Unterschicht schon längst abgefahren ist. Da helfen keine Diskurse mehr.

  5. Han Yen sagt:

    Wir leben in einer Organisationsgesellschaft, wo Organisationen Hierarchien und Stelle-Aufgabe-System Konfigurationen vorgeben. Die Stellen werden im Allgemeinen nicht auschließlich nach meritokratischen Kriterien vergeben, weil Stellenmärkte im Grunde Suchmärkte sind. Die Bewerber mit einem breiten sozialen Netzwerk, dass sich mit dem Netzwerk der derzeitigen Stelleninhaber überschneidet hat immer einen Informationsvorteil und nutzt diese entsprechend. In bestimmten Markstrukturen mit ineffizienten sanktionsbewährten Regeln ist das auch effizient, jedoch kann sie sich auf bestimmte Gruppen Migranten, Frauen, Behinderte und ältere Arbeitnehmer negativ auswirken.

    Die Gleichmacherei gibt es so nicht – von der sie sprechen und anprangern – die Phänomene haben einen sehr handfesten Grund, der durchschnittliche Renteneintritt liegt in der BRD wesentlich früher als gesetzlich vorgesehen. Dabei lassen wir die Beamten außen vor, weil sie besondere Pensionsrechte haben und nicht modellierbar sind. Hinzu kommt die divergierende Lebenserwartung bei Männer und Frauen.

    Bei Frauen haben wir den Gender Pay Gap der auch wenn man für die Kontrollvariable Qualifikation kontrolliert immer noch 10% beträgt. Das Rentensystem ist ein Status-System, und Geringverdiener haben das Recht ihr Einkommen mit einem Faktor zu multiplizieren bis sie auf 75% des Durchschnittseinkommens kommen. Daher ist es besser die Probleme jetzt zu korrigieren und den Institutionenwandel durchzuführen, bevor es hinten im Alter zur grossen Umverteilung kommt. Dabei rede ich nicht von Alteingessessenen und diasporischer Wohnbevölkerung, sondern von Männer und Frauen. Die Reformen im Bildungssystem sind nicht zu vermeiden, weil man die Absolventen jünger machen muss – andererseits zerstört das natürlich die Aufstiegsaspirationen einiger Milieus, weil die Konkurrenz steigt. Beim Arbeitsvermögen muss man aber gesamtwirtschaftlich denken.

    Die Bildungsfinanzierung von der Kita bis zu Hochschule ist förderalistische Quacksalberei. Solange die Kommunen für den U3 Ausbau verantwortlich sind und dabei von Bund und Länder bezuschusst werden, solange wird es keine Chancengleichheit geben. Chancengleichheit ist nämlich eigentlich Risikomanagement – und man braucht grosse zusammenhängende, zentralisierte Budgetverantwortung beim Bund, um überall dieselben Bedingungen herstellen zu können.

    Die objektive Leistungsmessung, die sie sich erträumen existiert so nicht. Die einzige wissenschaftliche Messtheorie wäre Rasch Modelle verbindlich zu machen, weil da Personen-Parameter und Item-Schwierigkeit sauber voneinander getrennt sind. Das funktioniert aber nur bei Multiple Choice richtig gut.

    Überall anders entscheiden Peer Groups von Experten über die angebliche Leistung. Da wird nichts gemessen, geeicht und kalibriert.

  6. Erzieherin sagt:

    Lieber Han Yen, sicherlich mögen Netzwerke da und dort eine Rolle spielen, doch ohne eine solide Ausbildung kommst du auch in Deutschland nicht weit. Stellenmärkte unterliegen der Nachfrage und dem Angebot. Die Zahl derer die es durch Beziehungen zu etwas bringen, wird immer beschränkt bleiben. Das liegt in der Natur der Sache. Auf keinen Fall kann davon gesprochen werden, dass Frauen, Migranten und andere Gruppen benachteiligt werden. In bestimmten Berufen, z.B. Lehrberufen sind Frauen unnatürlich überrepräsentiert (Grundschullehrerinnen). Bei Migranten ist es ähnlich. Die Ursache liegt in der soziokulturellen Prägung der Menschen. Wenn Papa Pizzabäcker war, wird es Sohn auch sein. Da verdient er, wenn er selbstständig ist, mehr als die meisten Akademiker. Wozu soll er also eine komplizierte, wenig rentable Ausbildung absolvieren? Ein Einnahmeverlust von 15 Jahren rentiert sich nur bedingt.

    Objektive Messkriterien existieren. Z.B. kann man feststellen, ob jemand rechnen, lesen oder schreiben kann. Man kann auch feststellen, ob ein Schüler 10 Aufgaben richtig gelöst hat oder nur sieben.
    Über 50% aller Kinder hierzulande haben Probleme beim Schreiben. Das war früher nicht so. Bayern, das auf den Föderalismus pocht, hat dabei weit weniger Probleme als der Norden. Warum wohl?