Re-Generation

Der Name ist Odabaşı. Nicht Odabasi.

Ich habe mich zum Glück relativ früh in meinem Leben für Film und Fotografie entschieden, hätte ich mich für Prostitution entschieden, hätte ich es dir recht gemacht - in seiner zweiten MiGAZIN Kolumne schreibt Mirza Odabaşı über Selbstbewusstsein und seine große Liebe.

Von Mirza Odabaşı Montag, 28.04.2014, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 30.04.2014, 1:01 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Hallo MiGAZIN,. hallo Kolumne, hallo alle zusammen und merhaba Runde Zwei!

Ich habe ganz vergessen, mich vorzustellen. Mein Name ist Mirza Odabaşı. Dass ich meinen Namen so aufschreibe und auch so ausspreche, hat etwas mit dem Selbstbewusstsein zutun, das sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Total merkwürdig eigentlich. Aber dazu später mehr.

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Stell dich darauf ein, dass du oft mit meinem Sarkasmus konfrontiert wirst. An manchen Stellen wirst du dir etwas verarscht vorkommen. Das soll so sein, damit du mich verstehst. Denn ich komme mir ganz oft verarscht vor.

Du erinnerst dich, dass ich einen Dokumentationsfilm gedreht habe über den Brandanschlag von Solingen? In meiner ersten Kolumne habe ich darüber geschrieben, dass selbst nach solchen traurigen Ereignissen der nötige Anstand fehlen kann. Es war mir eine große Freude, ein Projekt anzugehen mit unterschiedlichsten Menschen, mit verschiedensten Background‘s, aber immer mit dem Fokus, etwas ganz Bestimmtes zu kommunizieren: Menschen sind gestorben, weil sie sind, was sie sind. Weiterhin können Menschen in diesem Land sterben, weil sie das leben, was sie leben. Ich habe in meinem ersten Text meine Unzufriedenheit dargestellt, dass in der Mehrheitsgesellschaft oft das nötige Mitgefühl fehlt.

Um es kurz anzuschneiden: Ich habe mir im vergangenen Jahr das Kanzlerduell angeguckt, weil ich wissen wollte, ob NSU ein Thema sein wird. Wie naiv ich manchmal bin. Es gibt in ganz Europa keinen vergleichbaren Fall wie die NSU-Mordserie, in dem der Staat merkwürdig blind gewesen sein muss. Ein anderes Beispiel: An dem 20-jährigen Gedenktag zum Brandanschlag von Solingen wird im ARD in einer Talkrunde über „Allahs Krieger im Westen“ und darüber „wie gefährlich radikale Muslime“ sind, diskutiert.

Ich bin ungeduldig, weil ich keine Lust habe, eine unendlich lange Liste von Enttäuschungen niederzuschreiben. Wenn du betroffen bist, weißt du, was ich meine; wenn es dich ankotzt, dann weißt du vielleicht, woher deine Meinung kommt.

Wenn die Anteilnahme fehlt, werden, total aus dem Kontext gerissen, über andere Sachen diskutiert: Ich möchte ein paar Artikeltitel zitieren, die ich nach meinem ersten Text „Im Auge des Betrachters“ zugeschickt bekommen habe: „Der tägliche Wahnsinn an Essens Horror schulen – diskriminiert, ausgesetzt, gemobbt, weil er deutsch spricht“, „Politiker müssen Muslimen die Grenzen zeigen“, „Erdogan verbietet Twitter“ und so weiter.

Bei mir haben sich tatsächlich Menschen über Moscheebauten beschwert. Möchtest du ernsthaft darüber reden? Wo warst du, als diese Menschen in verlassen Fabrikgeländen und Hinterhöfen gebetet haben? Willst du mit mir wirklich darüber reden, dass eine Minderheit in diesem Land eine Gefahr für die Mehrheit ist? Um mich mal wiederholt zu haben: Willst du wirklich zwischen Kriminellen differenzieren? Und was zum „Geier“ habe ich mit dem Premierminister der Türkei und damit zutun, dass er einen „Vogel“ hat oder nicht?

Ich sagte bereits, dass ich noch eine Menge Fragen habe.

Schön ist doch, dass Menschen immer daran glauben werden, woran sie glauben möchten und sich der Quellen bedienen, die ihnen geliefert werden, was sie sehen, lesen oder hören möchten. Deswegen habe ich aufgehört, meine Zeit für Menschen zu verschwenden, die es nicht verstehen werden.

Um es noch genauer zu beschreiben: Ich habe mich zum Glück relativ früh in meinem Leben für Film und Fotografie entschieden, hätte ich mich für Prostitution entschieden, hätte ich es dir recht gemacht.

Aber diese Zeit ist um. Der Name ist Odabaşı. Nicht Odabasi.

Es sind meistens Kleinigkeiten oder kleine Punkte, die es ausmachen.

Deswegen möchte ich es nun auf den Punkt bringen: Deutschland, du sollst wissen, dass ich dich liebe. Ich meine es total ernst mit dir. Verstehe das erst einmal. Ich habe nie daran gedacht, dich zu verlassen. Wir haben einige Probleme, das ist mir klar, aber du darfst nicht alles von mir erwarten! Nur, weil ich mich unglaublich gut bei dir fühle, gehe ich diesen Kampf ein.

Manchmal kommt es mir so vor, als ob du mich nur ausnutzt. Ich bin nicht da, um dir kulturelle Vielfalt oder gutes Essen zu bieten. Der Zug, der die Menschen brachte, die deine Arbeit erledigt haben, ist abgefahren. Stell dir das mal vor! Abgefahren oder?

Vor dir steht eine Generation, die nicht da ist, um für ein Haus in der Heimat zu sparen. Eine, die nicht damit konfrontiert ist, zurückzukehren. Eine Generation, die aus den Fehlern lernt, die gemacht wurden. Eine, die mitpackt und mitgestaltet. Willkommen in der Re-generation und bis bald. Aktuell Meinung

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  1. Florian sagt:

    Lieber Herr Odabaşı,

    vielen Dank für die tolle Kolumne. Ich würde mich bzw. werde wohl zur „Mehrheitsgesellschaft“ gezählt und bin froh in der Re-Generationszeit zu leben. Ich habe sie damals hier in Hannover bei der Präsentation ihres Films gesehen und war von vornherein interessiert. Machen Sie weiter so. Entgegen vielen anderen Menschen in unserer Gesellschaft haben Sie etwas zu sagen.

  2. u. h. sagt:

    Liebe Kommentarverfasser!

    Alle Probleme kann man von zwei Seiten betrachten.

    Ich danke für alle Hilfe, die mir angeboten worden ist. Manche kann ich leider nicht verstehen, so daß ich sie schon aus diesem Grunde nicht annehmen könnte – ich bin eben etwas älter und mit der ganzen Computerei ungeschickt, ich nehme immer den einfachsten Weg. Und mir Einzelbuchstaben irgendwo zusammenzusuchen und einzeln zu kopieren, finde ich schrecklich umständlich., daher habe ich es jetzt nicht versucht. Ich habe bei entsprechenden Versuchen die Erfahrung gemacht, daß ich sie dann noch in einer anderen Schriftart bekomme, das war schrecklich störend. In einer privaten Mail bekam ich einen Hinweis, daß das türkische Alphabet installiert werden könne – doch wie viele Umstände habe ich alsComputerlaie damit, und wie oft brauche ich es?

    Viel schlimmer fand ich eine Bemerkung in dieser Mail – daß nämlich jemand, mit dem die Betreffende als Schülerin jahrelang zusammen sein mußte, sich weigerte, ihren Namen richtig auszusprechen mit der Begründung, er sei Germane und brauche fehlende Punkte oder Häkchen nicht zu beachten. Es ist ein Gebot der Höflichkeit, sich zumindest zu bemühen, den Namen des anderen richtig auszusprechen – auch wenn der Andere „nur“ ein ausländischer Schüler ist.

    An den Vorschlag der Teiltransskription der Namen hatte ich auch gedacht – doch damit würde der Name optisch verunstaltet. Das könnte dem Namensträger nicht gefallen, er würde sich wohl selbst verunstaltet fühlen. Ich denke noch an mein Gefühl zurück, als ich meinen Namen in der ausländischen Liste fand. An den vielen Kommentaren habe ich bemerkt, daß Sie Ihren Namen richtig geschrieben sehen und richtig ausgesprochen haben möchten, und wir als „Altdeutsche“ sind es der allgemeinen Höflichkeit und der Achtung vor dem Gegenüber schuldig, das Gegenüber bei seinem mündlich und schriftlich richtig zu benennen.

    Für einen Fehler in meinem Kommentar muß ich mich noch entschuldigen, an der Stelle mit dem vereinsamten E: Der Laut heißt Schwa indogermanicum.

  3. Global Player sagt:

    Mein Gott, meinen Namen können Engländer und Amerikaner auch nicht aussprechen, geschweige denn Schreiben. Niemals würde ich auf die Idee kommen, mich deshalb zu beklagen. Ich habe viele Jahre in Irland gelebt. Und die dortigen Ausländer haben sich ebenso keine große Mühe gegeben, die irische Sprache richtig zu Schreiben/Sprechen. Kein Problem von beiden Seiten. Und schon gar nicht würde ich auf die Idee kommen, Menschen, die meinen Namen nicht richtig schreiben können, in einen Topf mit irgendwelchen geisteskranken Verbrechern zu stecken. Mir wird hier zu stark pauschalisiert.

  4. vulkansturm sagt:

    @Ali Küçükbaş
    Habe gerade mal die Kopiermethode ausprobiert, indem ich mit dieser Ihren Namen trotz deutscher Tastatur korrekt geschrieben habe. War eine ganz schön umständliche Prozedur. Trotzdem zweifele ich, ob ich Ihren Namen richtig geschrieben habe, bin zwar kein Türke, aber mein Spachgefühl, was die türkische Sprache angeht, sagt mir, dass man Ihrem Namen noch ein i ohne Punkt am Ende hinzu fügen müsste. Da finde ich aber auf dem ersten Blick auf dieser Seite nichts Passendes zum Kopieren. Müsste also noch eine andere Seite aufmachen, um ein i ohne Punkt zum Kopieren zu suchen.
    Windows auf Türkisch umzuschalten wäre auch nicht gerade hilfreich, weil meine Tastatur ja weiter nach deutschem Standard beschriftet bleibt und ich daher nicht wüsste, wo das i ohne Punkt auf meiner Tastatur wäre.
    Müsste also erst einmal umständlich nachforschen, wo das i ohne Punkt auf meiner Tastatur wäre. Gleichzeitig sind dann wohl einige Buchstaben nicht mehr am richtigen Fleck. Ganz schön schwierig, so zu schreiben. Warum müssen wir uns das Zusammenleben mit Forderungen wie den Ihren, die das Zusammenleben erschweren, unnötig komplizierter machen.

  5. vulkansturm sagt:

    @Ali Küçükbaş(ı)
    Also, wie Sie sehen können, habe ich jetzt auch ein I ohne Punkt, also ein „ı“
    gefunden, welches ich von der Webseite von Hürriyet kopiert habe und damit Ihren Nick ergänzt. Mit der Auswahl Ihres Nick zeigen Sie nicht gerade Respekt vor der türkischen Sprache. Türkisch ist zwar nicht meine Muttersprache, aber nach allem, was ich gelernt habe, widerspricht es den für die türkische Sprache elementaren Gesetzen der Vokalharmonie, wenn man Ihrem Nick nicht noch das „ı“, also das i ohne Punkt hinzufügt. Da Sie anscheinend selber nicht besonders viel Wert auf eine korrekte türkische Schreibweise legen, wie man deutlich an Ihrem Nick sehen kann, wundert es mich doch, welche Anstrengungen Sie anderen Foristen abverlangen.

  6. Betr.: Der Name ist Odabaşı, Ali Küçükbaş usw.

    Mit Deutscher Tastatur sind a l l e Fremdnamen/Worte im Original zu schreiben, wenn man über das ensprechende Wort mit dem Cursor fährt, das Wort „kopiert“ und in den entsprechenden Text „einfügt“. Das wird sogar mit chinesischen Wörtern funktionieren.

    Pragmatikerin

  7. Ali Küçükbaş sagt:

    Vulkansturm

    1. Mit linker Maustaste gedruckt halten und Namen markieren
    2. Strg+C=kopieren
    3. Strg+V=einfügen

    Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese drei simpelsten Schritte sich schwieriger gestalten sollen als das Erlernen der deutschen Sprache.

    Global Player wenn Ihnen Ihr Name unwichtig ist, Sie führen sich selbst ja als Beispiel auf, dann ist dies Ihre Sache, muss aber nicht für viele Andere auch so zutreffen. Vielleicht essen Sie ja auch für Ihr Leben gern Bockwurst, das muss ja nicht heißen, dass ich darauf stehe. Daher ist Ihr ichbezogenes Beispiel total fehl am Platz.

  8. Global Player sagt:

    @Ali

    „Global Player wenn Ihnen Ihr Name unwichtig ist, Sie führen sich selbst ja als Beispiel auf, dann ist dies Ihre Sache, muss aber nicht für viele Andere auch so zutreffen.“

    mir ist es unwichtig, ob ausländische bzw. fremdsprachige Menschen meinen Namen richtig schreiben oder aussprechen, ja, da bin ich ganz ehrlich. Ich defniere mich nicht über die Schreibweise meines Namens genausowenig wie über meine Staatsbürgerschaft bzw. Herkunft. Aber das scheint Ihnen ja alles sehr wichtig zu sein. Vielleicht zu wichtig?

    Überdies war mein Beispiel nicht ichbezogen, sondern exemplarisch für das Verhalten der Iren und Ausländer in Irland. Scheinbar sind die Leute da nicht so stolz auf ihre Namen und deren Aussprache bzw. Schreibweise. Und mit türkischen (Nach-)Namen hätten die Iren noch sehr viel mehr Probleme als mit deutschen, glauben Sie es mir.

    Und Bockwurst? Nein, eher nicht. Dann schon sehr viel lieber kurdischen Kebap ;)

  9. Ali Küçükbaş sagt:

    Global Player Sie brauchen sich nicht wiederholen, ich verstehe nicht erst im zweiten Anlauf.

  10. Demet Y. sagt:

    So schön kann ein schöner Mensch schreiben..