Studie

Zu wenig Sprachförderung in der Lehrerausbildung

Weniger als jeder zweite angehende Lehrer wird während der Ausbildung auf Sprachförderung vorbereitet. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität zu Köln.

Montag, 24.02.2014, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:44 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

In knapp der Hälfte aller Lehramtsstudiengänge für das Fach Deutsch setzen sich angehende Lehrer mit den Themen Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache auseinander. Der Anteil in allen anderen Unterrichtsfächern liegt bei 40 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Studie des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität zu Köln. Die Studie hat bundesweit untersucht, wie Deutsch als Zweitsprache in der Lehrerausbildung an den einzelnen Universitäten und in der Gesetzgebung der Bundesländer verankert ist.

Dabei ist der Bedarf groß: Deutschland ist eine Migrationsgesellschaft. Laut Mikrozensus haben knapp ein Drittel aller Schüler an deutschen Schulen einen Migrationshintergrund. Die Anzahl der Schüler, die ohne Deutschkenntnisse an die Schule kommen, steigt stetig, allein in Berlin lag sie 2013 bei 2.500. Aber auch Kinder und Jugendliche, die Deutsch als Muttersprache lernen, benötigen Unterstützung: Zuletzt kam PISA 2012 zu dem Ergebnis, dass 14,5 Prozent der Schüler keine ausreichenden Lesekompetenzen mitbringen, um dem Unterricht erfolgreich folgen zu können.

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Positive Entwicklung
„Sprachliche Kompetenzen sind eine wesentliche Voraussetzung für gerechte Bildungschancen. Lehrkräfte nehmen dabei eine Schlüsselfunktion ein: Sie müssen mit den unterschiedlichen Herkunftssprachen, kulturellen und sozialen Hintergründen der Schüler umgehen und sie in ihrer sprachlichen Entwicklung bestmöglich fördern“, so das Institut. Zwei Drittel der Lehrkräfte fühlen sich darauf jedoch nicht ausreichend vorbereitet.

Der Studie zufolge ist für einige Lehramtstypen allerdings eine positive Entwicklung zu beobachten: So liegt der Anteil der Hochschulen, die Angebote zu Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache in das Lehramt für die Grundschule integrieren, bei bis zu 69 Prozent. „Die Hochschulen haben Konsequenzen aus der zunehmenden Diversität und Heterogenität der Gesellschaft gezogen und ihre Aktivitäten auf diesem Feld in den letzten Jahren stark ausgeweitet. Diese Entwicklung darf sich jedoch nicht auf einzelne Lehrämter und Fächer beschränken. Sprachliche Bildung ist durchgängig wichtig. Sie spielt beispielsweise auch im Fach Mathematik an Haupt- und Realschulen oder in der Berufsschule eine wichtige Rolle“, erläutert Prof. Dr. Michael Becker-Mrotzek, Direktor des Mercator-Instituts. Die Studie hat ergeben, dass nur etwa ein Drittel der Hochschulen auch für angehende Lehrkräfte an Berufsschulen sowie Haupt- und Realschulen verpflichtende Seminare anbieten. „Deshalb ist es wichtig, dass es hochschulübergreifende, verpflichtende Regelungen gibt, damit durchgängige sprachliche Bildung und Förderung allen Schülern zugute kommt“, fordert Becker-Mrotzek.

Unterschiede in den Ländern
Nur in Nordrhein-Westfalen ist ein verpflichtendes Modul für alle Lehramtsstudierenden gesetzlich vorgeschrieben. Darüber hinaus gibt es nur in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen eindeutige Regelungen. „Die Studie zeigt: klare Vorgaben auf Länderebene führen zu konkreten Angeboten an den Hochschulen. Deshalb empfehlen wir, Ziele und Umfang der Studieninhalte zu Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache genau zu definieren, beispielsweise in Form von Leistungspunkten“, fasst Becker-Mrotzek eine der zehn zentralen Handlungsempfehlungen zusammen, die das Institut auf Basis der Studienergebnisse gegenüber den Bundesländern, den Hochschulen und den Fortbildungsinstitutionen ausspricht.

Download: Die Studie des Mercator-Instituts „Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache an deutschen Schulen: Was leistet die Lehrerbildung?“ kann hier kostenlos heruntergeladen werden.

Die Studie hat zudem untersucht, wie Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache im Referendariat und in der Fortbildung von Lehrkräften verankert sind. Danach gibt es nur in Berlin einen verpflichtenden Ergänzungskurs für alle Referendare, darüber hinaus werden die Themen in den Verordnungen in Bremen und im Saarland erwähnt, jedoch ohne klare Vorgaben zur Umsetzung.

Löhrmann für Mehrsprachigkeit
Die Fortbildungslandschaft ist stark dezentral organisiert, hier lassen sich kaum quantifizierbare Angaben machen. „Dem Thema Lehrerfortbildung werden wir uns zukünftig verstärkt widmen. Hier muss insbesondere ein qualitatives Umdenken stattfinden. Einzelfortbildungen für einzelne Lehrer werden kaum zu einem durchgängigen Sprachförderkonzept an der Schule führen. Fortbildungsangebote müssen sich daher verstärkt Schulentwicklungsprozessen widmen und der Frage, wie diese angestoßen werden können“, kündigt Barbara Baumann an, Autorin der Studie und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Mercator-Institut.

Die Studie wurde am Freitag auf einer Fachtagung zum Thema „Durchgängige Sprachbildung in der Schule“ in Köln mit Experten aus Wissenschaft, Bildungsadministration und Praxis vorgestellt. Teilgenommen hat auch NRW Schulministerin Sylvia Löhrmann (Bündnis90/Die Grünen). Sie erklärte: „Durchgängige Sprachbildung ist ein wichtiger Beitrag zu Bildungserfolg und mehr Bildungsgerechtigkeit. Nur wer sicher in Sprache und Schrift ist, kann eine erfolgreiche Bildungsbiographie schreiben. Aber auch Mehrsprachigkeit und interkulturelle Kompetenzen sollen gefördert werden, um alle Potentiale der Kinder und Jugendlichen zur Geltung zu bringen. Für Lehrerinnen und Lehrer gehört Unterricht in sprachlich heterogenen Klassen immer mehr zum Alltag. Deshalb ist es wichtig, dass dieses Thema auf der bildungspolitischen Agenda steht.“ (sb) Aktuell Politik Studien

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  1. Naja, wer jahrelang Ausländern die deutsche Sprache beigebracht hat, der kann nicht einfach an einer Schule angestellt werden und Migrantenkindern die deutsche Sprache beibringen, wenn er nur über einen Magisterabschluss verfügt. Um an einer Schule dauerhaft arbeiten zu können, muss man einen Lehramtsabschluss haben. Es gibt in NRW sehr viele qualifizierte Deutschlehrer, die leider nicht „auf Lehramt“ studiert haben, aber trotzdem seit Jahren Deutsch unterrichten und sofort an einer Schule anfangen würden, wenn man sie denn nur reinlassen würde.
    Aber das würde Geld kosten. Billiger ist es, wenn man seinen guten Willen zur Integration dadurch beweist, dass man von den armen Lehramtsstudenten ein paar zusätzliche Credit-Points in einem DaZ-Seminar einfordert. Bringt natürlich den Schülern an der Schule nichts, weil die bis heute nichts anderes als den normalen Deutsch-Regelunterricht bekommen. Wer da nicht mitkommt, der kann ja auf die Hauptschule abgeseilt werden.
    Wenn man wirklich etwas für die Schüler machen wollte, dann würde das Schulministerium an jeder Schule einen Deutsch-Intensivlehrer einstellen, der alle deutschen und ausländischen Schüler, die es nötig haben, zusätzlich unterrichtet. Früher nannte man sowas „Ergänzungsunterricht“. Aber statt dessen sind die Schulen so knapp mit Personal ausgestattet, dass sie nichtmal den Regelbetrieb aufrechterhalten können. Statt in die Unis sollte man in die Schulen investieren.