Migrationsbericht 2012

Einwanderung auf Rekord-Niveau

Über eine Million Zuwanderer kamen 2012 nach Deutschland. Damit verzeichnet der offizielle Migrationsbericht die höchste Zahl seit 1995. Außerdem: Mittlerweile ist mehr als jeder zweite Türkeistämmige in Deutschland geboren.

Donnerstag, 16.01.2014, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 21.01.2014, 23:56 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Zahl der Zuzüge nach Deutschland ist danach im Jahr 2012 gegenüber 2011 gestiegen. Mehr als eine Million Personen sind zugezogen (Vorjahr 960.000). Eine derart hohe Zahl war zuletzt 1995 zu verzeichnen. Gleichzeitig stieg die Zahl der Fortzüge auf 712.000 Personen (Vorjahr 680.000), so dass sich für 2012 ein Wanderungsgewinn von rund 370.000 Personen ergab (Vorjahr 280.000). Das geht aus dem Migrationsbericht 2012 hervor, er am Mittwoch vom beschlossen wurde.

Etwa 115.000 der Zugezogenen waren Deutsche, rund 620.000 waren Bürger der Europäischen Union, etwa 340.000 wanderten aus Drittstaaten zu. Von den Drittstaatsangehörigen kamen unter anderem etwa 18 Prozent aus familiären Gründen, 16 Prozent wegen Aufnahme eines Studiums, einer Ausbildung oder eines Schulbesuchs, 13 Prozent zum Zwecke der Erwerbstätigkeit und gut 16 Prozent aufgrund eines Asylverfahrens oder aus humanitären Gründen.

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Größtes Wanderungsplus bei Polen
Das größte Wanderungsplus erzielte Deutschland gegenüber Polen mit einem positiven Saldo von rund 70.000 Menschen. Es folgten Rumänien (+ 45.000), Ungarn (+ 26.000) und Bulgarien mit einem Plus von rund 25.000 Menschen. Weitere Länder mit einem positiven Saldo von über 20.000 Menschen sind Griechenland, Serbien, Italien und Spanien. Einen negativen Wanderungssaldo erzielte Deutschland gegenüber der Schweiz (- 9.000), Mazedonien (- 4.800) und der Türkei mit einem Minus von etwa 4.100 Menschen.

„Die Zahlen belegen, dass Deutschland aus verschiedenen Gründen für die Zuwanderung attraktiv ist. Dreh- und Angelpunkt für Zuwanderung ist die Integration der Menschen, die zu uns kommen. Auch hierbei haben wir beachtliche Fortschritte gemacht und verfügen mit dem Integrationskurs und den sonstigen Integrationsangeboten über eine gute Infrastruktur“, erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière.

De Maizière: Weichen richtig gestellt
Die Zahl der Zuwanderer, die zu Erwerbszwecken aus Drittstaaten nach Deutschland kamen (einschließlich Blaue Karte EU) lag 2012 bei 37.000. Hauptherkunftsländer waren Indien, Kroatien, USA, Bosnien-Herzegowina und China. Dabei ist seit 2009 ein kontinuierlicher Anstieg der Zuwanderung von Fachkräften bzw. Hochqualifizierten zu beobachten: Waren es 2009 noch 16.000 Fachkräfte bzw. Hochqualifizierte, so waren es 2012 bereits mehr als 27.000.

Thomas de Maizière weiter: „Wir alle wissen, dass Deutschland auch auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen ist. Der Migrationsbericht zeigt, dass die Weichen für den Zuzug von Fachkräften aus Drittstaaten richtig gestellt sind.“

Özoğuz: Weitere Anstrengungen erforderlich
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz, zeigte sich ebenfalls erfreut über die Zahlen, hält allerdings weitere Anstrengungen für erforderlich: Es sei wichtig „gerade qualifizierte Zuwanderer mit ihrem Wissen und ihrem Know-how bei uns zu halten“, so die Staatsministerin. Die zunehmende Zahl der Fortzüge aus Deutschland zeige aber, dass dies kein Selbstläufer sei. Die Botschaft laute: „Alle Kräfte müssen gebündelt werden, um Deutschland für qualifizierte Zuwanderer noch attraktiver zu machen“, betonte Özoğuz.

Besonders erfreulich sei die hohe Zahl von ausländischen Studierenden in Deutschland. Die Zahl ausländischer Studienanfänger ist im Vergleich zu 2011 um neun Prozent auf den Rekordwert von 79.537 angestiegen. Özoğuz „Gerade junge und bei uns ausgebildete Menschen sind ein Riesengewinn für unser Land. Damit sie Deutschland als Fachkräfte nicht den Rücken kehren, benötigen sie ein deutlicheres Signal, dass sie bei uns gebraucht werden und willkommen sind“. Es gelte, qualifizierte Einwanderer vom ersten Tag an intensiv zu begleiten. Unkomplizierte Hilfe beim Ankommen, bei der Wohnungssuche, bei Kita oder Schule sollte in Deutschland selbstverständlicher Teil der Zuwanderungspolitik sein, erklärte Özoğuz.

Beck: Regierung ohne Konzept
Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, hingegen bemängelt, dass der Bundesregierung jede Konzeption für eine gesteuerte Anwerbung und Integration von qualifizierten Migranten fehle. „Die Bundesregierung versäumt gerade wichtige Weichenstellungen für die Zukunft unsere Landes vorzunehmen“, so Beck. Der Migrationsbericht weise zwar ein positives Zuwanderungssaldo auf. Die deutsche Wirtschaft sehe für die nächsten Jahre aber einen jährlichen Zuwanderungsbedarf von 400.000 Fachkräften.

Linkspolitikerin Sevim Dağdelen wiederum kritisiert, dass im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel lediglich danach geschaut wird, dass nur Menschen willkommen geheißen werden, „die für die deutsche Wirtschaft nützlich sind“. Sie wirft der Großen Koalition Nützlichkeitsrassismus vor. Es werde „nicht an der Verbesserung des integrationspolitischen Klimas gearbeitet, sondern in rechtspopulistischer Manier gegen eine vorgebliche Armutszuwanderung gehetzt und sogar über Einschränkungen der EU-Freizügigkeit nachgedacht“, so Dağdelen. (bk)

Download: Der Migrationsbericht wird jährlich durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erstellt. Er gibt auf der Grundlage der vorhandenen Daten einen Überblick über das Migrationsgeschehen in Deutschland und beinhaltet allgemeine Wanderungsdaten zu Deutschland. Der aktuelle Bericht kann hier heruntergeladen werden.

Türkeistämmige die größte Gruppe
Wie aus dem Migrationsbericht außerdem hervorgeht, stellen unter den Personen mit Migrationshintergrund knapp 3 Millionen Türkeistämmige die größte Gruppe. Dies entspricht einem Anteil von 18,3 Prozent an allen Personen mit Zuwanderungsgeschichte. Unter Berücksichtigung der einem bestimmten Herkunftsland zuordenbaren (Spät-)Aussiedler kommen 9,4 Prozent (1,5 Millionen Personen) aus Polen und 7,4 Prozent (1,2 Millionen Personen) aus Russland. 4,6 Prozent besitzen einen italienischen Migrationshintergrund.

Dabei zeigt sich, dass insbesondere Personen mit einem Migrationshintergrund aus den ehemaligen Anwerbestaaten überproportional häufig keine eigene Migrationserfahrung besitzen, d.h. bereits in Deutschland geboren sind. So sind 50,3 Prozent der Personen mit türkischem, 45,8 Prozent derer mit italienischem und 41,0 Prozent mit griechischem Migrationshintergrund nicht selbst nach Deutschland zugewandert. Dagegen zählen bislang noch relativ wenige Personen, deren Familien aus Polen (22,4 %), Rumänien (18,4 %), Kasachstan (19,5 %), Russland (18,3 %) und der Ukraine (14,1 %) kamen, zur zweiten oder dritten Generation. (bk) Gesellschaft Leitartikel

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